FDP, StiftungÄgypten

Blutvergießen am Nil muss aufhören

Protestierende Ägypter tragen verletzten Mann
12.02.2014

Nur ein Neuanfang, der alle politischen Kräfte einbindet, sei eine stabile Lösung für Ägypten, sagt Außenminister Guido Westerwelle.

In einem "ARD-Tagesschau"-Interview hat der liberale Außenminister die beteiligten Parteien im tiefgespaltenen Land aufgerufen, zusammen den friedlichen Dialog zu suchen. "Die ägyptische Staatsführung muss jetzt im Umgang mit der Opposition dringend zu einem zurückhaltenden, deeskalierenden Umgang finden. Es gibt keine Alternative als gemeinsame Gespräche", machte Westerwelle deutlich.

Der Minister zeigte sich über die Eskalation der Gewalt in Ägypten bestürzt. "Die erneuten Todesopfer auf den Straßen Kairos und in anderen ägyptischen Städten, sie erfüllen uns mit Trauer, aber auch mit Empörung", sagte Westerwelle in einem "ZDF-heute"-Bericht. Außerdem warnte er vor der wachsenden Gefahr eines Bürgerkrieges. Gegenüber seinem ägyptischen Amtskollegen Nabil Fahmy habe er ein besonnenes Vorgehen angemahnt sowie die ägyptische Regierung aufgefordert, den Weg zu einer politischen Lösung "nicht zu verbauen und einen Dialog mit allen politischen Kräften wiederaufzunehmen", so das Außenministerium.

In Brüssel beraten die Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten über den Konflikt in Ägypten und über ein mögliches Krisentreffen der europäischen Außenminister. Dabei wären Rüstungsexporte ein Kernthema. Im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen wolle die schwarz-gelbe Bundesregierung keine neuen Waffenexporte in das gespaltene Land genehmigen, erklärte Westerwelle im Gespräch mit dem "Fokus". Im Konflikt sei die Bundesregierung nicht Partei, betonte er. Deutschland stelle sich an die Seite des Rechts und der Menschen, "die auf Freiheit und demokratische Werte setzen und die eine offene Gesellschaft wollen". Dabei müssten auch Minderheiten wie die Christen Ägyptens vor Übergriffen geschützt werden.

Militärhilfe aussetzen

Im "Deutschlandfunk" warnte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, vor "Allmachtsfantasien" aufseiten des Westens und machte klar, dass die Lösung für Ägypten auch von Ägypten kommen müsse. Dennoch sollten sich Deutschland und die EU mit allen möglichen Druckmitteln dafür einsetzen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern sowie die Region zu stabilisieren. Dies sei eigenes "europäisches, westliches, deutsches Interesse, und im Sinne dieser gemeinsamen Interessen müssen wir versuchen, diesen Konflikt jedenfalls zu befrieden, oder jedenfalls nicht explodieren zu lassen", erklärte Stinner.

Dabei müsse der Militärregierung in Kairo klargemacht werden, welche Dinge Deutschland erwartet und welche Konsequenzen damit zusammenhängen. Konkret müsse der Beschuss der demonstrierenden Bevölkerung durch scharfe Waffen beendet werden. "Im Prinzip tut die Militärregierung jetzt das, was wir zurecht Assad in Syrien vorwerfen, dass er nämlich sein eigenes Volk massakriert", stellte Stinner klar. Diesem müsse Deutschland "deutlich widersprechen" und gegen ein Weitergehen dieser Politik Konsequenzen setzen, beispielsweise die Aussetzung aller Militärhilfe. Darüber hinaus forderte der FDP-Außenexperte die USA auf, eine konsequente Position bei ihrer Außenpolitik in Ägypten zu halten und auch gemeinsam mit der EU die vorhandenen Druckmittel einig einzusetzen.

Entwicklungsgelder eingefroren

Auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) verurteilte die Brutalität bei den Auseinandersetzungen zwischen Behörden und protestierenden Ägyptern scharf und forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. "Es kann nicht sein, dass man sich gegenseitig abschlachtet. Das führt nicht zu politischen Lösungen und zur Verbesserung der Situation für die Menschen, sondern es führt zu Angst, Terror und Instabilität", erklärte der Minister im "rbb-Inforadio". Er verwies außerdem auf die Sorge, dass der Konflikt aus Ägypten heraus übergreifen könnte. Dies würde die humanitäre Situation in Ägypten noch schlimmer machen als die "furchtbare" Lage in Syrien, unterstrich Niebel.

Der Entwicklungsminister forderte die Bundesregierung und die EU auf, den diplomatischen Druck auf Ägypten weiter zu erhöhen und Konsequenzen zu ziehen. Das BMZ werde der Regierung in Kairo in diesem Jahr keine weitere finanzielle Unterstützung oder Schuldenumwandlungen zusagen. Stattdessen werde sich die deutsche Entwicklungshilfe auf Maßnahmen konzentrieren, die den Menschen direkt helfen und möglichst fern von der Regierung seien, beispielsweise auf Mikrokredite für kleine und mittlere Unternehmen, Wasser- und Energieversorgungsprojekte und Initiativen, die Demokratie und Menschenrechte stärken.

Arbeit der Stiftungen nicht aufgeben

Trotz der gefährlichen Situation wolle er Ägypten nicht alleine lassen, betonte Niebel. "Wenn wir bei jeder Schwierigkeit aufgeben würden, würden wir in keinem einzigen Land, das ein Konfliktstaat, ein fragiler Staat oder ein Postkonfliktstaat ist, dauerhaft wirklich erfolgreich sein. Man braucht Durchstehvermögen", sagte er im Interview mit der "Deutschen Welle". Einfach die Arbeit einzustellen und wegzugehen würde jede Einflussmöglichkeit vor Ort wegnehmen, stellte der Minister klar.

Mit den politischen Stiftungen, die über 40 Jahre dort tätig gewesen sind, sei die deutsche Entwicklungshilfe in Ägypten gut vernetzt, so Niebel. "Die Stiftungen haben gute Kontakte nicht nur in politische Kreise, sondern vor allem in die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und die Kultur", erklärte er. Diese Kreise müssten jetzt gestärkt werden, um eine demokratische Grundordnung zu ermöglichen.

Unterdessen gab der Experte der Stiftung für die Freiheit in Kairo, Ronald Meinardus, in diversen Radio-Interviews ausführliche Einblicke in die gewaltsame Situation in Ägypten. Eine Sammlung seiner Einsichten zur Gefahr eines Bürgerkriegs und zum sensiblen politischen Machtspiel vor Ort steht hier zur Verfügung.

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