18.07.2005FDP

Beschluß des FDP-Präsidiums: Neue Strukturen in der Arbeitsmarktpolitik überfällig

FDP-Sprecher ROBERT VON RIMSCHA teilt mit:

Berlin. Das Präsidium der Freien Demokratischen Partei hat auf seiner Sitzung
am 18. Juli 2005 einstimmig beschlossen:

Neue Strukturen in der Arbeitsmarktpolitik überfällig

Die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung zeigt eine traurige Bilanz. Von der vom Bundeskanzler im August 2002 angekündigten Reduzierung der Zahl der Arbeitslosen um 2 Millionen durch eine 1:1-Umsetzung der Ergebnisse der Hartz-Kommission sind wir weit entfernt. Im Gegenteil: Im Jahr 2004 waren im Jahresdurchschnitt 4,38 Millionen Menschen arbeitslos. Für 2005 werden im Jahresdurchschnitt 4,8 Millionen Arbeitslose erwartet.

Zwar gingen viele Schritte der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 in die richtige Richtung, dann aber entweder nicht weit genug, in eine Sackgasse oder auf einen Irrweg. Von einer 1:1-Umsetzung kann keine Rede sein. Arbeitsmarktpolitische Instrumente, die als Kernstück der Reform zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen sollten, haben sich als teuer und ineffektiv erwiesen. Sie konnten keinen entscheidenden Beitrag zur dauerhaften Integration Arbeitsloser in den Ersten Arbeitsmarkt leisten.

Dazu gehören:

- Personalservice-Agenturen (PSA)
Ziel war, nicht weniger als 500.000 Arbeitslose über solche Zeitarbeitsunternehmen zu beschäftigen. In Verleih freien Zeiten sollten die PSA-Mitarbeiter qualifiziert und betreut werden, im Rahmen des Verleihs Berufserfahrung sammeln können und hierdurch die Chance auf eine Festanstellung erhalten. Insgesamt sind bisher ca. 115.000 Personen in PSA eingetreten und Kosten von insgesamt ca. 615 Mio. EUR hierfür aufgewandt worden. Lediglich rd. 30.000 Teilnehmer konnten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übernommen werden. Der gewünschte Klebeeffekt ist nicht im erwarteten Umfang eingetreten. Hinzu kommt, daß sich das Instrument als mißbrauchsanfällig erwiesen hat. Reguläre Zeitarbeitsunternehmen hätten hier mehr erreichen können.

- "Existenzgründungszuschuß" "Ich-AG" Mit der Ich-AG wurde ein zweites Förderinstrument für den Fall der Gründung einer selbständigen Existenz aus der Arbeitslosigkeit heraus eingeführt. Aufgrund der zunächst sehr unbürokratischen Ausgestaltung, nach der jeder arbeitslose Transferempfänger, der einen Antrag stellte, den Existenzgründerzuschuß erhalten konnte, unabhängig davon, ob seine Geschäftsidee tragfähig war, wurde das Instrument stark in Anspruch genommen, ohne daß die damit konkurrierende Förderung durch das Überbrückungsgeld zurückgegangen ist. Im Juni 2005 wurden 240.000 Ich-AGs gefördert. Die Kosten betragen bisher 1,84 Mrd EUR. Statt der ursprünglich vorgesehenen 700 Mio. EUR müssen die Mittel für die Ich-AG in diesem Jahr auf 1,45 Mrd. EUR aufgestockt werden. Schon jetzt hat sich ein beachtlicher Teil der geförderten Existenzgründer wieder aus der Selbständigkeit verabschiedet. Es ist mit Blick auf die stark degressiv ausgestaltete Förderung damit zu rechnen, daß ein großer Teil der Existenzgründer letztlich scheitern wird. Dies wird in vielen Fällen mit einer zusätzlichen Belastung durch Schulden verbunden sein. Daneben hat das Instrument der Ich-AG zu deutlichen Mitnahmeeffekten und Wettbewerbsverzerrungen geführt. Da sich voraussichtlich weniger Ich-AGs am Markt halten werden als Unternehmensgründer, die z.B. mit dem Überbrückungsgeld gefördert wurden, bestehen für das Nebeneinander zweier Förderinstrumente für den Fall der Selbständigkeit keine überzeugenden Gründe.

- Arbeitsgelegenheiten / Ein-Euro-Jobs
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollten 600.000 solcher Arbeitsgelegenheiten für Arbeitslosengeld II-Empfänger geschaffen werden. Im Juni 2005 waren rd. 193.000 Personen in Zusatzjobs beschäftigt. Insbesondere die Beschäftigung von Langzeitarbeitlosen im Rahmen von Ein-Euro-Jobs bei den Kommunen bergen die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Unternehmen, ohne daß damit die Chance des Arbeitslosen auf einen Einstieg in den Ersten Arbeitsmarkt deutlich erhöht wird. Durch die Anrechnungsfreiheit der Ein-Euro-Jobs auf das Arbeitslosengeld II sind die Anreize so gesetzt, daß eine Beschäftigung im Zweiten Arbeitsmarkt finanziell attraktiver ist, als eine Zusatzbeschäftigung auf dem Ersten Arbeitsmarkt. Die Ein-Euro-Jobs sollten daher nur zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft und zur Wiedererlangung verlorener Arbeitstugenden dienen.

- Job-Rotation
Auch das Instrument der Job-Rotation konnte zur Entlastung auf dem Arbeitsmarkt nichts beitragen. Dieser Zuschuß, der gewährt wird bei Einstellung eines Arbeitslosen als Vertretung für ein sich in beruflicher Weiterbildung befindenden Stelleninhaber, wurde von Seiten der Arbeitgeber nicht angenommen. Zur Zeit sind 1.360 Personen in diesem Programm, sei Anfang 2003 gab es ca. 2.900 Eintritte. Insgesamt wurden hierfür 42,4 Mio. EUR ausgegeben.

- Vermittlungsgutscheine
Die seit 2002 eingesetzten Vermittlungsgutscheine für Arbeitsuchende haben zu keiner wesentlichen Erholung am Arbeitsmarkt geführt. Selbst der Bundesrechnungshof bezeichnet die Gutscheine als wenig erfolgreich und in hohem Maße mißbrauchsanfällig. Die Akzeptanz und der Wirkungsgrad der 1,5 Millionen seit 2002 ausgegebenen Vermittlungsgutscheine sind insgesamt gering. Die Einlösequote der Vermittlungsgutscheine beträgt lediglich rd. 6,6 Prozent. Der mangelnde Erfolg ist in erster Linie auf die fehlerhafte Ausgestaltung der Gutscheine zurückzuführen. Sie sind trotz einer Modifikation in 2005 nicht marktgerecht ausgestaltet und durch die befristete Gültigkeit mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Qualifikation, Erwerbsbiografie und ggfs. Vermittlungshemmnisse werden durch die festgelegte Prämie nicht widergespiegelt. Nur eine unbürokratische Ausgestaltung, eine Ausgabe ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit und eine marktgerechte Ausgestaltung können diesem Instrument zum Erfolg verhelfen.

Für den Abbau der Arbeitslosigkeit sind grundlegende Reformen der Arbeitsverwaltung und der Vermittlung notwendig

Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe hat die Bundesregierung einen im Grundsatz richtigen Weg beschritten. Die derzeitige Ausgestaltung des Hartz IV-Gesetzes (SGB II) weist aber viele Mängel auf. Die erzwungene Kooperation zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen funktioniert nicht, organisatorische Mängel und unklare Verantwortlichkeiten haben zu dem bestehenden Konkurrenzgerangel geführt, die Anreize für einen Hinzuverdienst auf dem Ersten Arbeitsmarkt sind zu gering. Anstatt die Verantwortung für die Betreuung Langzeitarbeitsloser, wie von der FDP gefordert, auf die Kommunen zu übertragen, wurde die Mammut-Bundesagentur für Arbeit mit neuen Aufgaben belastet. Die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit, die schon in 2004 bei der Vermittlung in ungeförderte Beschäftigung mit nur 1,4 Arbeitslosen pro Monat und Betreuer einen Tiefpunkt erreicht hatte, leidet unter der mit der Umsetzung der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verbundenen Belastung der Mitarbeiter. Vorrang hat die Antragsbearbeitung für das ALG II, diese Zeit fehlt für die Vermittlungstätigkeit und Betreuung. Der zweite Teil des von der Bundesregierung selbst gesetzten Ziels des Forderns und Förderns ist auf der Strecke geblieben.

Für die FDP steht daher fest: Eine wirksame Arbeitsmarktpolitik kann nur gelingen, wenn

- die Arbeitsverwaltung grundlegend reformiert wird
- das Versicherungsprinzip in der Arbeitslosenversicherung gestärkt wird
- die Kommunen für die aktive Arbeitsmarktpolitik und die Betreuung der Arbeitslosen zuständig sind
- die arbeitsmarktpolitischen Instrumente mit Blick auf ihre Effizienz und eine schnelle Integration in den Ersten Arbeitsmarkt überprüft werden.

Auflösung der Bundesagentur für Arbeit (BA)

Die FDP schlägt vor, die Bundesagentur für Arbeit in ihrer jetzigen Form aufzulösen und ihre Aufgaben in einem Drei-Säulen-Modell neu zu ordnen:

1. in einer Versicherungsagentur, die das Arbeitslosengeld auszahlt und Wahlfreiheit bei den Tarifen einräumt,
2. in einer kleinen Arbeitsmarktagentur für überregionale und internationale Aufgaben, die in einer Datenbank über die Profile von Arbeitsuchenden und aller gemeldeten offenen Stellen verfügt und damit Transparenz schafft,
3. in kommunalen Job-Centern, die die Betreuung der Arbeitslosen übernehmen, da sie mit ihrem Angebot besser als die BA auf die einzelnen Probleme der Arbeitslosen und Hilfe Suchenden eingehen können. Dort wird auch über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen entschieden. Hierdurch würde Doppelverwaltung und damit Verschiebebahnhöfe abgebaut.

Überflüssige Verwaltungsebenen, wie die Regionaldirektionen können abgeschafft, ein Teil der bisherigen Aufgaben der BA, wie die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung und das IAB, privatisiert bzw. wie die Kindergeldauszahlungen auf andere Behörden übertragen werden.

Stärkung des Versicherungsprinzips in der Arbeitslosenversicherung

Es ist eine grundlegende organisatorische Neuausrichtung der Arbeitslosenversicherung und -vermittlung erforderlich. Um im Interesse der Beschäftigung im Ersten Arbeitsmarkt eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erreichen, ist es notwendig, das Versicherungsprinzip in der Arbeitslosenversicherung deutlich zu stärken. In der Arbeitslosenversicherung muß wieder eine Gesamtäquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen hergestellt werden. Die Arbeitslosenversicherung soll den Versicherten eine Wahlfreiheit bei den Tarifen einräumen. Damit kann die Arbeitslosenversicherung ihre Leistungen noch genauer auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Versicherten ausrichten und gleichzeitig diese möglich gewordenen Einsparungen in Form von niedrigeren Beiträgen an die Versicherten weitergeben. Der bisherige Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung wird dafür dem Arbeitnehmer zunächst steuerfrei ausgezahlt und der Gesamtbeitrag zur Arbeitslosenversicherung davon einbehalten. Damit kann sich auch die Inanspruchnahme beitragsändernder Optionen wie einer Karenzzeit für den Arbeitnehmer bei der Nettoentgeltberechnung unmittelbar positiv auswirken.

Arbeitsmarktpolitische Instrumente

Alle Instrumente der Arbeitsmarktpolitik sind auf Umfang, Wirksamkeit und Effizienz zu überprüfen, denn Arbeitsmarktpolitik ist nur dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, mit möglichst geringem Mitteleinsatz Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder möglichst rasch zu beenden. Die Maßnahmen sollten daher in wenigen Kategorien zusammengefaßt werden, über die die jeweils zuständige Kommune nach pflichtgemäßem Ermessen flexibel, effektiv und am Einzelfall orientiert entscheiden kann. Öffentlich subventionierte unfaire Konkurrenz für mittelständische Unternehmen und Existenzgründer durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs und Ich-AG muß zurückgefahren werden. Die Integration in den Ersten Arbeitsmarkt muß Vorrang haben.
Daneben brauchen wir eine Steuer-, Wirtschafts-, Tarif- und Arbeitsmarktpolitik, die zu mehr Wachstum und damit zu mehr Arbeitsplätzen führt. Kontraproduktive Schutzbestimmungen, z.B. im Kündigungsschutzgesetz, müssen beseitigt werden, um die Chancen Arbeitsloser auf eine Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern.

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