BEER-Rede: Europa muss wieder ein Kontinent der Neugier werden
Die FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl und stellvertretende Parteivorsitzende Nicola Beer hielt auf dem 70. Bundesparteitag der Freien Demokraten die folgende Rede:
Liebe Parteifreundinnen, liebe Parteifreunde, Europas Chancen nutzen. Darum wird es gehen in den nächsten vier verbleibenden Wochen bis zum 26.Mai.
Der Wahlkampf nimmt jetzt Fahrt auf. Bei uns, bei der Konkurrenz.
Und man sieht jetzt überall die Wahlplakate der anderen Parteien.
Ich muss sagen, ich bin vor kurzem fast vom Rad gefallen in der Luisenstraße, als ich am Plakat der Grünen vorbeigekommen bin.
Da stand nämlich schlicht: „Wer den Planeten retten will, fängt mit diesem Kontinent an“.
Drunter machen sie es nicht. Die Grünen. Die angebliche neue Volkspartei. Sie retten die Welt. Liebe Leute, was für eine Überheblichkeit.
(Applaus).
Ich meine, da war Karin Göring-Eckardt ja noch ganz bescheiden, als sie nur die Stimme der Bienen sein wollte. Aber ganz ehrlich, das ist kein grünes Selbstbewusstsein, das ist schlicht selbstgerechte Arroganz, die meines Erachtens kaum erträglich ist.
Eine Partei als Weltretter, als heutige Version „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, denn die Grünen kommen ja nur in Deutschland und in Österreich nennenswert vor. Das, liebe Freunde, hat unser liberaler Bundespräsident Theodor Heuss schon mal kritisiert, als er sagte, der Anspruch, dass ein Land besser sei als ein anderes, dem haben wir eine Absage zu erteilen. Das war in den fünfziger Jahren richtig und das ist auch heute noch richtig.
(Applaus).
Und ich meine, dass dann auf dem Plakat auch noch Frau Baerbok posiert statt der Spitzenkandidaten Keller oder Giegold, das spricht doch Bände. Diese beiden, sie müssen hinter der Parteispitze zurücktreten. Die verbreiten ja mittlerweile nicht mehr politische Ideen, sondern Religionsersatz. Und dem stellen wir uns als Partei der Vernunft,als Partei der Mitte entschieden entgegen. Wer die Welt retten will, der muss nicht grün wählen, liebe Freunde, ganz im Gegenteil.
(Applaus).
Na ja, und unser Europa, das verspricht die Union. Ja das klingt bescheiden, ist aber gelinde gesagt genauso anmaßend wie die grünen Weltretter. Europa gehört nicht der Union. Und in Wirklichkeit hat die Union nur ein Ziel: Weber soll Kommissionspräsident werden. Das ist alles. Ansonsten soll es weitergehen wie bei Juncker.
(Applaus).
Und liebe Freunde, das ist doch als politisches Programm kläglich und und deshalb sage ich Ihnen: Damit wird Herr Weber genauso sicher Kommissionspräsident wie ich Papst.
(Applaus).
Denn wir müssen es uns doch realistisch nur anschauen, die Mehrheit der Großen Koalition in Brüssel, sie ist weg. Diese Koalition des Stillstands seit Jahrzehnten. Und selbst mit den Grünen reicht es nach den Umfragen nicht. Wir als Liberale haben eine eigene Kandidatin, eine überzeugende Kandidatin, eine Kandidatin, die nicht nur ankündigt, was sie will, sondern die bereits gemacht hat, was sie will, Margrethe Verstager. Und dafür wollen wir kämpfen.
Dann haben wir da noch, Europa ist die Antwort, sagt und wirbt die Sozialdemokratie. Europa ist die Antwort, aber bitte ohne Wirtschaft. Denn die SPD will, so sagt zumindest Frau Barley, kein Europa der Wirtschaft. Das wird sie dann schon erklären müssen, was mit „der Wirtschaft“ denn gemeint ist. Die vielen tausenden kleinen und mittelständischen Betrieben, die Millionen beschäftigen, die Steuergelder erwirtschaften, damit wir sie auch für soziale und Bildungszwecke ausgeben, die Wählerinnen und Wähler beschäftigen und vor allen Dingen auch mit diesen Steuereinnahmen, das erwirtschaften, was ja gerade die Sozialdemokratie quer über den Kontinent verteilen will. Nein, liebe Freunde, Bürger gegen Wirtschaft auszuspielen, das ist schlicht infam und das ist aus der Mottenkiste des Sozialismus,Dagegen wehren wir uns.
(Applaus).
Und schaut man sich dann einmal die Spitzenkandidatin Barley an, die ja so gerne beim Thema „Uploadfilter“ irrlichtert. Sie ist dafür und sie ist dagegen. Sie stimmt in Brüssel anders ab als in Berlin. Klar gesagt, sie hat keine Linie. Und sie versucht es schlicht hinweg zu lächeln. Und außerdem liebe Freunde, kann man auch bemerken, Sabine Leutheuser-Schnarrenberger hätte gewusst, wie man in einem solchen Dilemma sich verhält, sie hat es 20 Jahre vorher beim Lauschangriff gezeigt. Wenn es Frau Barley ehrlich gewesen wäre, hätte sie diese Maßnahme ergriffen.
(Applaus).
Nein, Frau Barley dient nur als Aushängeschild für die Sozialdemokratie, die schlicht nicht mit Herrn Bullmann in die Schlacht ziehen wollte. Und deswegen eine erkennbar lustlose Justizministerin überredet hat, nach Brüssel zu ziehen. Das brauchen wir dort auch nicht.
Kommen wir zur AFD. Aber nur kurz, denn das wird immer noch unappetitlicher. „Damit aus Europa nicht Eurabien wird“ heißt es da. Ressentiments pur. Geschürte Überfremdungsängste, sonst nichts. Lediglich mehr aus der rechtsradikalen Mottenkiste, wie zum Beispiel: „Unser Geld für alle? Geht‘s noch Brüssel?“ Überhaupt, das scheint das Motto der Kampagne : „Gehts noch Brüssel“? Und ich sage ganz deutlich, wer das liest, der fragt sich doch, warum die unbedingt ins europäische Parlament gewählt werden wollen, wenn sie es dermaßen verachten? Da kann ihnen geholfen werden. Wir wollen keinen Wahlkampf ohne Maß und Ziel.
(Applaus).
Nein, liebe Freunde, denen allen überlassen wir Europa nicht. Wir wollen Europa verändern, weil wir es lieben und weil klar ist, Europa hat alles, aber keine Zeit mehr, wir müssen jetzt etwas verändern.
(Applaus).
Wenn wir uns umschauen, die Welt ist ungemütlich geworden. Für uns Deutsche, für uns Europäerinnen und Europäer. Da haben wir zunächst den Brexit. In meinen Augen eine Niederlage sondergleichen, sowohl für die Europäische Union als auch für Großbritannien. Ja er liegt momentan auf Halde. Aber er kommt demnächst mit aller Wucht zurück auf die Tagesordnung. So nimmt Großbritannien an einer Wahl zu einem Club teil, dem sie eigentlich nicht mehr angehören wollen. Ich kann das draußen Bürgerinnen und Bürgern kaum noch vermitteln, das ist doch absurdes Theater, wenn es nicht so ernst wäre. Und so wie bisher geht es auf keinen Fall weiter, Europa muss sich aufraffen, Europa muss besser werden.
(Applaus).
Und dann ist da der amerikanische Präsident Donald Trump. Für ihn gilt nur „ america first“ oder „ make america great again“. Und dafür opfert er – und das ist für uns fatal – 70 Jahre transatlantische Partnerschaft. Er behandelt seine engsten Partner wie Vasallen oder Rivalen und das Vertrauensverhältnis ist gestört. Ja - schon Obama hat außenpolitischen Prioritäten im Pazifik gesehen, aber trotzdem die Bindungen zu Europa gepflegt. Trump hingegen ist das egal. Auch – und da hat er sogar recht – weil die Bundesregierung ihre Versprechen nicht einhält. Man kann nicht 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben zusagen und dann unbekümmert wie die Bundeskanzlerin und der Außenminister jüngst in Washington tönen, wir erreichen 1,5 Prozent oder weniger. Wer so agiert, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er vorgeführt wird. Unsere gemeinsame westliche Stärke bröselt und zu glauben, dass wir wieder einfach zusammenkommen, wenn Trump weg ist, liebe Freunde, das ist naiv. Da müssen wir aktiv fdaür arbeiten, dass das wieder geschieht.
(Applaus).
Und allein schaffen wir da gar nichts – weder in der Verteidigung noch im Außenhandel. Da brauchen wir Europa. Ein gemeinsames, ein starkes Europa. Eine europäische Strategie, die die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik und die Entwicklungspolitik zusammen denkt und abgestimmt handelt. Eine starke europäische Stimme für Abrüstung und Frieden, für Menschenrechte und Perspektiven für Menschen weltweit. Das ist es, wofür wir als Freie Demokraten uns einsetzen.
(Applaus).
Und dann haben wir China. China ist bereits eine Weltmacht. Auch wenn die Chinesen es nicht ganz so demonstrativ zeigen wie die USA. Aber sie sind es. Ökonomisch ein Gigant. Militärisch wahrscheinlich auch. Hemmungslos beim Kopieren fremder Ideen und Talente. Bei Forschung und Wissenschaft geben sie Milliarden aus, unvorstellbare Summen, wenn wir das mit unseren Haushalten vergleichen. Und auch bei den Menschen haben sie ungeheur viel Nachwuchs, von mittlerweile sehr, sehr gut ausgebildeten Fachkräften, auf die sie zurückgreifen können. Und China greift an liebe Freunde. China greift überall an, wo es ihnen nutzt. In Afrika genauso wie in Europa. Mit geschickten Angeboten wie zum Beispiel bei den 5G-Versteigerung, wo wir das gesehen haben, oder einfach aufbauend durch Infrastruktur, mit der sie die Rohstoffe und seltenen Erden sichern. Und sie fragen niemals nach den Menschenrechten, die sie auch daheim nicht einhalten. Und damit ist China ein Konkurrent, auch eine Bedrohung, aber zugleich, und das wissen wir, ist China ein Markt und ein Partner. Mit beidem müssen wir zurechtkommen. Aber auch das können wir nur gemeinsam mit den Europäerinnen und Europäern, da müssen wir zusammenstehen, wenn wir dagegen ein Gewicht auf die Waage bringen wollen.
(Applaus).
Und dazu kommt Russland. Ich lasse jetzt einmal die mögliche und auch zu befürchtende und auch wahrscheinliche Beeinflussung der Wahl zum Europaparlament durch Russland beiseite. Obwohl ich sagen muss, dass mich das sehr beunruhigt. Unübersehbar ist, Russland will wieder zu alter Größe zurück. Putin träumt von der Renaissance der untergegangenen Sowjetunion. Und er sucht Einfluss. Er sucht Einfluss in Ost -und Mitteleuropa und in der Ukraine ist er Aggressor. Die Annexion der Krim und der Krieg im Osten der Ukraine sind schreckliche Belege hierfür. Und wie verhalten wir uns gegenüber Putin? Welche Perspektive auf Russland bestimmt die Richtung der Außenpolitik in Europa? Sind es die Deutschen, die in Teilen von einer neuen, auch antiamerikanischen Partnerschaft mit Russland träumen? Oder sind es die Polen und die baltischen Staaten, die mit ihren langen historischen Erfahrungen eine völlig andere, eine zutiefst kritische Perspektive auf Russland und seinen geostrategischen Appetit haben? Eine Antwort, liebe Freunde, müssen wir in Europa gemeinsam suchen und gemeinsam formulieren. Nationale Alleingänge wie North Stream müssen vorbei sein und das gilt gerade auch für uns Deutsche.
(Applaus).
Und schließlich gibt es neben den geostrategischen Herausforderungen auch andere. Zum Beispiel wie bleiben wir stark, wirtschaftlich stark in Europa? Verspielen wir unseren Standort durch eine abenteuerliche Energiepolitik? Ruinieren wir freiwillig sogar unsere Automobilindustrie, weil Ideologie mehr zählt als Technikoffenheit? Haben wir noch einen Sinn fürs das technisch Machbare und das wirtschaftlich Nötige? Oder verteilen wir einen Wohlstand, den wir gar nicht mehr erwirtschaften? Werden wir schlicht zum Museum im Wettbewerb der Globalisierung? Und vor allem vertrauen wir weiter dem Markt oder setzen wir – auch beeindruckt durch die ökonomischen Erfolge Chinas – auf den Staat? Wollen wir wirklich eine Industriepolitik a la Altmaier? In der selbst die Automobilindustrie das E Auto nur baut, wenn es Hilfen vom Staat gibt, also vom Steuerzahler, sowohl für die Konzerne als auch für die Käufer? Das kann doch nicht unsere Antwort sein, liebe Freunde.
(Applaus).
Doch Europa hat auf die meisten dieser Fragen und Herausforderungen zur Zeit keine oder keine schlüssige politische Antwort. Denn Europa ist in schlechter Verfassung. Der innere Zusammenhalt bröselt. Es gibt Gräben zwischen Nord und Süd, zwischen Kleinen und Großen, zwischen Ost und West. Der Brexit lähmt die Europäische Union. Die Populisten greifen an, von rechts und von links. Sie wollen zweitstärkste Kraft im Parlament werden, im Europäischen Parlament, um dann die Europäische Union lahmzulegen. Die Attraktivität dieser Europäische Union lässt bei ihren Bürgerinnen und Bürgern ja nach. Bei uns in Deutschland noch nicht so sehr, aber in vielen, vielen Mitgliedsstaaten. Die Kommission ist zu groß und zu aufgebläht. Die Außenpolitik, sie ist nicht aus einem Guss. Und die deutsch-französische Zusammenarbeit, ja sie humpelt, auch weil Berlin keine Antworten auf Macrons Reformideen hat. Weder zustimmende noch ablehnende. Schlicht gar keine. Diese Große Koalition, die Bundesregierung, die Kanzlerin, sie lassen Macron am ausgestreckten Arm verhungern. Und das wirkt sich auf die gesamte Europäische Union aus.
(Applaus).
Und was mich auch wirklich betrübt, ist dass sich das inzwischen auch auf die deutsch-französischen Beziehungen auswirkt. Macron jedenfalls ist nicht mehr bereit, das dröhnende Schweigen aus der Großen Koalition schlicht hinzunehmen. Doch liebe Freunde, wenn die deutsch-französische Achse nicht mehr rund läuft, dann hat das dramatische Auswirkungen und das können wir nicht länger ignorieren.
(Applaus).
Diese Große Koalition hat keine europapolitischen Ambitionen. Keine Ideen. Keine Ziele. Und so wie sie mit Deutschland wurschtelt, wurschtelt sie eben auch in der Europäische Union. Und das liebe Freunde, das ist zu wenig für das größte Land der Europäischen Union und das ist aber auch zu wenig für die Europäische Union.
(Applaus).
In einzelnen Ländern der Europäische Union gibt es immer mehr Kritik. Vor allem aber Abstriche an unserer gemeinsamen Idee einer offenen Gesellschaft, einer liberalen Demokratie, am Rechtsstaat. Wir – gerade wir als Freie Demokraten - hielten das immer für eine Selbstverständlichkeit. Aber sie ist es nicht mehr. Und deswegen müssen wir wieder für sie kämpfen, für unser gemeinsames Europa, das gemeinsame Wertefundament wieder wetterfest zu machen. Denn die Entwicklungen in Italien, in Ungarn, in Rumänien, in Polen, sie zeigen doch, was sich hier verändert. Das befremdet uns, das besorgt uns sehr. Aber der Aufstieg der rechten Parteien, er ist real. Er ist nahezu ein Schock, wenn man sieht, was da rechtsaußen passiert. Gerade erst wieder in Finnland. Da haben die rechtspopulistischen Finnen Platz zwei bei den Parlamentswahlen erobert. Bei den niederländischen Provinzwahlen wurde der Rechtsaußen Thierry Baudet Sieger. Und dann gibt es trotzdem noch Geert Wilders. Salvini führt doch sich in Italien so auf, dass man sich fast Berlusconi zurückwünscht. Und diese Ultrarechten, das müssen wir uns klarmachen, diese Ultrarechten sind in Europa auf Vormarsch. Auch in Frankreich, wo Marie Le Pen sich anschickt, stärker zu werden als Macrons Republique en Marche. Sie - diese Rechten – sie predigen einen autoritären Staat. Sie sind gegen Einwanderung, sie sind gegen den Euro, sie sind gegen die Europäische Union. Sie wollen, dass Brüssel weiter bröselt und damit gefährden sie das, was uns wichtig ist, nämlich die liberale Demokratie, eine offene Gesellschaft und genau dem werden wir uns entgegenstellen.
(Applaus).
Und dann liebe Freunde, gibt es Gott sei Dank eben die Liberalen. Die Liberalen, die Freien Demokratien quer durch Europa. Wir stellen in der Europäischen Union inzwischen acht Staats- und Regierungschefs. Und da habe ich Herrn Macron noch gar nicht mitgerechnet. Acht Staats- und Regierungschefs, liebe Freunde, das ist auf Augenhöhe mit der Europäischen Volkspartei und das ist wesentlich mehr als die Sozialdemokratie und genau mit diesem Pfund müssen wir wuchern, wenn nach den Europawahlen Entscheidungen getroffen werden.
(Applaus).
Und deswegen ist es auch unsere Aufgabe als Liberale, als Freie Demokraten, in der Union wieder über das scheinbar Selbstverständliche zu reden. Debatten in den Gesellschaften quer durch die Mitgliedstaaten anstoßen. Über das was uns ausmacht als Europäerinnen und Europäer. Was der Kern dieser Europäische Union ist. Die Europäische Union sichert Frieden. Die Europäische Union ist ein Zusammenschluss von Demokratien. Sie ist dem Rechtsstaat verpflichtet. Die Europäische Union garantiert eine offene, eine liberale Gesellschaft und sie sichert Freiheit und Freiheiten von Bürgerinnen und Bürgern quer durch die Mitgliedstaaten, das macht uns als Europäische Union aus.
(Applaus).
Und ich sage das auch bewusst, dass das uns ausmacht als Europäerinnen und Europäer. Eben nicht der gelegentliche Bürokratismus der Europäische Union. Nicht ihre gelegentliche Bürgerferne. Nicht ihre gelegentlichen auch absurd erscheinenden Entscheidungen. Nein, diese Europäische Union ist eine Union der freien Bürgerinnen und Bürger. Ein Kontinent mit einer reichen Tradition. Und diese Tradition gilt es zu sichern. Durch Reformen. Durch Mut für mutige Reformen. Und genau dazu sind wir bereit.
(Applaus).
Wir wollen schlicht, dass diese Europäische Union, dass Europa wieder leuchtet. Dass es die Menschen begeistert, dass es sie am Herzen abholt und nicht nur mit volkswirtschaftlichen Argumenten am Kopf. Dass dieses Europa seine Chancen nutzt. Wir wollen, dass Europa besser wird. Dass Bürgerinnen und Bürger sagen, wir können es besser mit Europa und in diesem Europa. Wir wollen als Freie Demokraten, dass Europa eine gemeinsame, eine starke Stimme hat. Denn die Europäische Union ist nur zusammen stark. Nur zusammen eine Macht. Nur zusammen eine Union, auf die man auch hört weltweit. Um aber zu verhindern, dass wir zu langsam sind, brauchen wir dringend Reformen. Wir brauchen mehr Mehrheitsentscheidungen gerade in der Außenpolitik. Da sollten wir uns das Zitat von Paul Henri Spaaks wirklich zu Herzen nehmen, dem früheren belgischen Außenminister. Er hat immer daran erinnert, es gibt in Europa nur kleine Staaten. Kleine und kleine die es noch nicht wissen. Und genau das gilt auch für Berlin, liebe Freunde.
(Applaus).
Und deshalb wollen wir eine gemeinsame, eine starke europäische Migrationspolitik. Das heißt, eine abgestimmte europäische Asyl-Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die Einwanderung ordnet und steuert. Und auch klar unterscheidet zwischen dem verfolgten Dissidenten, dem Bürgerkriegsflüchtling und dem qualifizierten Einwanderer. Und ich möchte vor allem eine gemeinsame Migrationspolitik in Europa, die nicht länger zulässt, dass Flüchtlinge im Mittelmehr ertrinken. Das ist inakzeptabel.
(Applaus).
Nach der Wahl müssen wir wirklich sofort an dieser Stelle ansetzen. Wir brauchen ein konsistentes System mit einer gemeinsamen Lastenteilung in der Europäische Union, ein System das human und fair ist. Das ordnet und steuert und das wir gemeinsam aufsetzen. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber ich glaube, das ist dringend nötig nach Jahrzehnten der Debatte.
Applaus).
Und wir brauchen wieder eine dynamische Wirtschaftspolitik in Europa. Wir müssen den Binnenmarkt vollenden. Bei der Digitalisierung und bei der Energie. Wir brauchen fairen Wettbewerb und weniger Bürokratie gerade für kleine und mittelständische Betriebe. Denn sie, liebe Freunde, sie sind der Motor für Wachstum und Innovation. Und wir müssen wieder, genauso in Brüssel wie in Berlin, wenn Altmaier von europäischen Champions träumt, weg von der Illusion, der Staat könnte alles regeln. Nein der Staat schafft nur die Rahmenbedingungen. Mehr kann er nicht. Mehr überlassen wir unserer Wirtschaft, gerade der mittelständischen in Europa.
(Applaus).
Und natürlich müssen wir eine stabile Währung mit klaren Regeln absichern. Der Euro muss robuster werden. Es muss automatische Sanktionen bei zu hoher Verschuldung geben und die politische Bewertung von Schulden durch die Kommission muss aufhören. Verstöße gegen Stabilitätskriterien sind Verstöße – von wem auch immer. Und sie müssen Folgen haben.
(Applaus)
Wir brauchen einen europäischen Währungsfonds, der in einer konkreten Notlage nach dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe ein Land unterstützt, aber ihm nicht die Eigenverantwortung für Reformen zu Hause abnimmt. Die Eigenverantwortung, sie ist bei den Staaten und sie bleibt Schlüssel für Stabilität. Und genau deswegen lehnen wir eine Vergemeinschaftung von Schulden strikt ab.
(Applaus).
Wir Freie Demokraten wollen ein Europa der Werte und des Rechtsstaats. Wir müssen unser Wertefundament sichern. Und wir brauchen hier einen automatischen, nicht einen politischen Mechanismus. Wir brauchen einen automatischen Mechanismus, der sofort greift, wenn in einem Land Grundrechte ausgehöhlt werden. Bei dem nicht abgewartet wird, bis die EVP sich im Walzerschritt zwischen Ausschluss, Suspendierung und sonst irgendetwas entscheiden hat. Ihr Rat der Weisen, er mag vielleicht ad hoc eine Lösung für die Probleme innerhalb der EVP bieten, aber es ist keine klare rechtsstaatliche Überprüfung in dieser Sache, wenn Meinungsfreiheit, wenn Pressefreiheit, wenn Wissenschaftsfreiheit oder die Unabhängigkeit der Justiz bedroht sind.
(Applaus).
Nein. An dieser Stelle muss sofort gehandelt werden durch die Europäische Union, nachhaltig. Durch eine gestärkte Grundrechteagentur, um die Blockaden im Rat zu endlich überwinden, um hier endlich wirksam dagegen vorzugehen. Und Europa ist für die großen Aufgaben zuständig. Nicht fürs Klein-Klein. Und deswegen brauchen wir Reformen, wir brauchen Tempo, wir brauchen Mut, wir brauchen Entschlossenheit. Die Kommission muss verkleinert werden. Das Parlament muss gestärkt werden, indem es das Recht bekommt, Gesetzesvorhaben anstoßen können. Und im Rat müssen Mehrheitsentscheidungen das Maß aller Dinge sein. Europa muss seine Möglichkeiten entdecken und nutzen. Wir müssen gemeinsam raus aus der Komfortzone. Wir müssen endlich handeln. Wir müssen liefern. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger.
(Applaus).
Und schließlich brauchen wir ein Europa der Bildung und des Austauschs. Ja. Wir haben kaum Rohstoffe. Aber wir haben die Talente unserer Bürgerinnen und Bürger. Die müssen wir nutzen. Europa muss ein Bildungskontinent werden. Ein Kontinent des Lernens. Des Forschens. Der Entdeckung. Die Jugend muss sich wieder stärker kennenlernen können, die Nachbarn, den Alltag, die Werte, die Kultur. Sehen, schmecken, riechen. Darin aufwachsen. Das kann die Sprachlosigkeit überwinden, das kann Fremdheit verhindern. Denn wer sich kennt, versteht sich. Jedenfalls in den allermeisten Fällen.
(Applaus).
Ein Europa der Ideen und Innovationen wollen wir als Freie Demokraten schaffen. Wir brauchen dringend digitale Freiheitszonen. Eine europäische Agentur für Sprunginnovation. Wir brauchen endlich wieder Freiräume, Platz für Kreativität. Wir brauchen Vertrauen in unsere Entdecker und Tüftler in den Garagen. Nicht nur in den Forschungsabteilungen der großen Konzerne. Wir müssen Disruption zulassen, den Bruch mit dem Gewohnten. Bahnbrechende Entwicklungen entstehen doch immer aus dem Bruch mit dem Vorhandenen. Lassen wir sie endlich zu in Europa. Unser Europa, das muss wieder ein Kontinent der Wissenschaft, der Forscher, der Neugier und der Entdeckung werden. Es muss es bleiben und wir dürfen nicht abgehängt werden.
(Applaus).
Und ich möchte auch ein Europa, das unser Klima schützt. Wir haben gestern sehr intensiv darüber diskutiert, aber wir brauchen auch eine europäische Energiepolitik. Eine europäische Umweltpolitik aus einem Guss. Schluss mit den Alleingängen. Auch den deutschen. Wir wollen vor allem eine Energiepolitik, die technologieoffen ist. Es ist nicht Aufgabe der Politik, die beste Technologie, den besten Weg für den Klimaschutz zu finden, das ist die Aufgabe der Ingenieure und Techniker. Wir vertrauen ihnen. Geben wir ihnen in Europa auch die Freiräume, die sie brauchen und die Ziele, die sie erreichen sollen, die setzen wir ihnen, aber sie bestimmen den Weg dorthin. Das wird erfolgreich und wirksam das Klima schützen.
(Applaus).
Und wir Freie Demokraten wollen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. Brüssel, das mus man schlicht zur Kenntnis nehmen, ist für viele zu oft zu weit weg. Wir brauchen neue Formen der Bürgerbeteiligung und nicht erst dann, wenn es um Referenden und Volksabstimmungen geht, sondern schon vorher Formate, bei denen die Bürgerinnen und Bürger ernsthaft mitreden können. Und die Digitalisierung bietet uns die Chance. Sie ist der Schlüssel für eine solche Art der neuen Kommunikation. Und wenn wir mit einem neuen Verfassungskonvent beginnen, um die Europäische Union auch wieder mit einem eigenen Grundgesetz, einer eigenen Verfassung auf eine gemeinsame Wertebasis zu setzen, dann möchte ich, dass wir Bürgerinnen und Bürger in dieser Diskussion beteiligen. Das soll ihre Diskussion, das soll ihr Wertefundament sein. Und am Ende soll eine gemeinsame Abstimmung über diese Verfassung stehen. Europäisch von allen Bürgerinnen und Bürgern in der Europäischen Union gemeinsam.
(Applaus).
Und deswegen liebe Freunde, Europa braucht mehr Tempo. Europa muss wieder seinen Kurs bestimmen. Europa darf nicht zur langsamen Flussfähre werden, sondern muss ein hochseetauglicher Segler sein. Europa muss sich dem Wettkampf stellen. Europa darf sich nicht abhängen lassen. Es darf insbesondere nicht permanent mit einem schlechten Platz 3 zufrieden sein. Europa darf nicht selbstzufrieden sein. Europa muss seine Chancen nutzen, indem es sich selbst reformiert. Denn ich bin überzeugt, Europa kann es besser.
(Applaus).
Und genau deshalb, lasst uns die Wahl am 26. Mai zu einer Abstimmung über den künftigen Kurs dieses wunderbaren europäischen Kontinents machen. Eine Abstimmung für ein liberales Europa. Für eine offene Gesellschaft. Eine Abstimmung für ein mutiges und schnelles Europa. Eine Abstimmung über ein gemeinsames Europa. Eine Abstimmung gegen die Populisten, egal ob von rechts und links. Eine Abstimmung für ein wettbewerbsfähiges Europa. Für ein Europa der Freiheit und Freiheiten. Für ein Europa das schützt unfrei zu sein, liebe Freunde. Letztendlich vor allem für eine Abstimmung für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. Dann – da bin ich sicher – wird dieses Europa wieder leuchten und genau dafür kämpfen wir in den nächsten Wochen.
(langer Applaus).
Leute, wir kämpfen. Lasst uns schlicht diese Leidenschaft mitnehmen mit den vielen tollen Kandidatinnen und Kandidaten quer durch unsere Landesverbände. Wir werden das Ding rocken.
(Applaus).