BEER-Interview: Wir haben im Osten eine ordentliche Basis
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab der „B.Z.“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sebastian Beug.
Frage: Frau Beer, die FDP ist in keinem ostdeutschen Landtag vertreten. Wie wollen Sie das ändern?
Beer: Wir haben eine Reihe kommunalpolitischer Erfolge gehabt, stellen unter anderem die Oberbürgermeister in Jena und in Dresden. Das ist eine ordentliche Basis, um in Brandenburg, Thüringen und Sachsen wieder erfolgreich zu sein. Wir haben in den Umfragen zwischen fünf und sieben Prozent.
Frage: Mit welchen Themen wollen sie überzeugen?
Beer: Wir wollen mit den Themen punkten, mit denen wir auch sonst im Land punkten. Bessere Bildung, Chancengleichheit, eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, eine andere Steuerpolitik, die kleine und mittlere Einkommen entlastet und auch mit einem Einwanderungsgesetz.
Frage: In Ostdeutschland ist die FDP mit wirtschaftsfreundlichen Themen nie stark gewesen. Glauben Sie wirklich, dass Sie eine Chance haben?
Beer: Ja. In Sachsen waren wir auch schon in der Regierung und haben ordentliche Arbeit abgeliefert. Ostdeutschland ist für uns kein einfaches Terrain, aber ich glaube, dass gerade vor der Herausforderung, Populisten am linken und am rechten Rand kleinzuhalten, es wichtig ist, dort eine Reformkraft anzubieten.
Frage: Sie werden voraussichtlich Ende Januar vom Parteitag zur Spitzenkandidatin für die EU-Wahl gekürt. Welche Reformen wollen Sie für Europa?
Beer: Wir möchten, dass es mehr Mehrheitsentscheidungen in der EU gibt. Dann kann es auch sein, dass einzelne Länder, darunter auch Deutschland, überstimmt werden. Aber wir glauben, dass wir zügiger voranschreiten müssen, und da sind einstimmige Entscheidungen schlichtweg zu schwerfällig. Wir wollen die Kommission verkleinern. Es ist völlig überbesetzt, für jeden Mitgliedsstaat einen Kommissar zu haben. Und wir wollen den Wanderzirkus zwischen Straßburg und Brüssel beenden und nur noch einen ständigen Sitz für das Parlament festlegen.
Frage: Sind sie eigentlich erleichtert, dass Annegret Kramp-Karrenbauer die Führung in der CDU übernommen hat?
Beer: Das ist eine Entscheidung der Christdemokraten. Da gibt’s bei uns weder Erleichterung noch Jubel.
Frage: Friedrich Merz wäre doch für die FDP der schwierige Parteichef gewesen, weil er wirtschaftsfreundliche Wähler und ehemalige CDU-Wähler wieder von der FDP weggelockt hätte.
Beer: Beide Kandidaten bieten Möglichkeiten der Auseinandersetzung und Profilierung. Es wäre in einigen Bereichen wie Wirtschaft und Finanzpolitik sogar einfacher gewesen, mit Friedrich Merz in Deutschland endlich voranzubringen, was uns am Herzen liegt. Gleichzeitig hat er in der Europapolitik Ideen, die mit der FDP so nicht zu machen sind. Bei Annegret Kramp-Karrenbauer sehen wir wenig Verständnis für eine Soziale Marktwirtschaft und eine Gründerkultur. Sie hat ein sehr konservatives Gesellschaftsbild. Im Hinblick auf eine offene und tolerante Gesellschaft haben wir Freidemokraten dort andere Vorstellungen.
Frage: Die GroKo kommt bei vielen Themen nicht voran: Diesel und Verkehr, Breitbandausbau und Digitalisierung, Mieten- und Wohnungsbau – ärgert sie es, dass die FDP damals bei den Verhandlungen für Jamaika „Nein“ gesagt hat?
Beer: Das Ergebnis der Sondierung war ja, dass wir an die notwendigen Veränderungen bei diesen Themen nicht herangekommen sind. Eine Reform in der Rentenpolitik und im Unternehmens-Steuerrecht, auch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags war vor einem Jahr mit der CDU nicht zu erreichen. Deshalb war es eine richtige Entscheidung, Jamaika nicht weiter zu verfolgen.
Frage: In Deutschland ist die LTE-Abdeckung schlechter als in Albanien. Dass muss sie als Digital-Politikerin doch aufregen!
Beer: Darauf weisen wir seit Jahren hin. Deshalb sollen alle Kompetenzen um Digitalisierung in einem Ministerium gebündelt werden. Es ist lächerlich, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU, Anm.) jetzt auf die Telekommunikationsunternehmen schimpft. Verkehrsminister Andi Scheuer (CSU) führt eine missglückte Versteigerung der Funklizenzen durch, weil Olaf Scholz (SPD) bei der Ausschreibung der Lizenzen nur versucht, das Ergebnis für die Steuerkasse zu optimieren. Das geht nicht zusammen. Wir brauchen endlich ein Digitalisierungsministerium.
Frage: Medien ist auch eines Ihrer Themen: Sie lehnen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab, fordern eine radikale Reform. Was stellen Sie sich vor?
Beer: Wir sehen, dass die Akzeptanz und Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung zurückgeht. Wir möchten eine Konzentration auf den eigentlichen Auftrag: Information, Bildung, Kultur. Es geht darum, Doppelstrukturen in Produktion, Einkauf und Verwaltung abzubauen.
Frage: Könnte das auch weniger Sender bedeuten?
Beer: Das könnte auch das Zusammenlegen von Sendern bedeuten oder auch die Abschaffung von Senderketten, also der Vielzahl an Hörfunkprogrammen und Fernsehkanälen zum Beispiel. Wir wollen eine ordentliche Versorgung mit Information, Bildung und Kultur, aber keine Bestandsgarantie für jede Kleinigkeit, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat und die den Beitragszahler viel Geld kostet.