BEER-Interview: Renten-Modell überzeugt noch nicht
Die FDP-Generalsekretärin, Nicola Beer, gab der Passauer Neuen Presse (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Schmidt:
Frage: Die FDP hat in den Jamaika-Sondierungen der von der CSU geforderten Ausweitung der Mütterrente eine klare Abfuhr erteilt. Bleibt es dabei?
Beer: Wenn wir uns überlegen, die Leistungen der Alterssicherung zu verbessern, müssen wir schauen, wo das Geld wirklich gebraucht wird. Sicherlich gehören viele ältere Frauen, die ihr Leben lang Kinder großgezogen haben, dazu. Das ist eine Lebensleistung, die auch ich persönlich anerkenne. Meine eigene Mutter gehört dazu. Die Mütterrente verteilt das Geld aber unabhängig von der Frage, wer bessergestellt werden muss und wer nicht. Die Maßnahmen der Mütterrente der Großen Koalition aus der letzten Legislaturperiode kosten sieben Milliarden Euro pro Jahr. Und das hilft insbesondere nicht, Altersarmut gezielt zu bekämpfen.
Frage: Der Argumentation der CSU, die Anerkennung von drei Erziehungsjahren für ältere Frauen sei eine Frage der Gerechtigkeit, folgen Sie nicht?
Beer: Auf Anhieb mag es erstmal nicht einleuchten, warum für Kinder, die vor 1992 geboren worden sind, ein Erziehungsjahr pro Kind bei der Rente angesetzt wird, und für die später Geborenen drei. Aber für Zeiten bis 1992 gilt auch eine sogenannte Mindestrente, die geringe Renten hochwertet. Als diese Mindestrente 1992 abgeschafft worden ist, hat man im Gegenzug die Kindererziehungszeiten für die Zeit danach ausgeweitet, weil von der Mindestrente oft viele Frauen profitiert haben. Dies liegt daran, dass Frauen früher oft wenig erwerbstätig waren und geringere Rentenanwartschaften hatten. Wir sollten nun nach vorn schauen und versuchen, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu verbessern, damit auch ihre Renten höher ausfallen. Und dort, wo das Alterseinkommen zu gering ist, müssen wir gezielte, bessere Ansätze finden, die allen zugutekommen und nicht auf die Gruppe der Mütter beschränkt werden.
Frage: Die Union ringt um einen Kompromiss. Steuerfreibeträge für Frauen mit sehr geringer Rente – wäre das ein Schritt in die richtige Richtung zur Bekämpfung der Altersarmut?
Beer: Das ist insofern ein Schritt in die richtige Richtung, weil dann endlich darüber nachgedacht werden würde, wie wir echten Bedürftigen helfen können. Wir haben immer kritisiert, dass die Mütterrente nicht gegen Altersarmut hilft, weil sie auf die Grundsicherung angerechnet wird. Das vorgeschlagene Modell überzeugt aber noch nicht, denn es ist noch keine Lösung der komplexen Frage.
Frage: Die Abschaffung des Solidaritätsbeitrages würde vor allem Besserverdienern nutzen. Wie wollen Sie erreichen, dass auch Bezieher mittlerer und geringerer Einkommen entlastet werden? Oder bleibt die Steuerreform auf der Strecke?
Beer: Der Solidaritätszuschlag muss in dieser Wahlperiode auf Null geführt werden! Das ist und war ein zentrales Versprechen aller Parteien, hier geht es also um die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Nun haben wir eine solide Finanzlage. Daher gehen wir den Abbau des Solidaritätszuschlages ambitioniert an. Zudem wollen wir Entlastungen beim Einkommensteuertarif erreichen. So schaffen wir es, dass alle Einkommensgruppen profitieren, vor allem aber auch die Mitte der Bevölkerung. Wir sprechen immer von einer Entlastung von der Krankenschwester bis zum Ingenieur. Das wäre eben nicht nur für Besserverdienende.
Frage: Die Grünen sind beim Klimaschutz kompromissbereit, die FDP bei Steuerentlastungen. Wo muss sich jetzt die Union bewegen?
Beer: Ohne Kompromisse auf allen Seiten, wird es nicht gehen. Welche Felder dies für die Union sind, wird vom weiteren Verlauf abhängen – und hier muss sie jetzt selbst erst einmal Angebote machen. Ich bin gespannt, ob wir hier Bewegung sehen werden. Am Ende werden sich jedoch alle Partner auch mit eigenen Punkten angemessen wiederfinden müssen.
Frage: Die Union fordert Rückführungszentren, in denen Asylbewerber bis zum Entscheid bleiben und von dort direkt abgeschoben werden sollen. Steht die FDP dahinter?
Beer: Politisch Verfolgte im Sinne des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten wie bisher Asyl. Wir wollen aber, dass Asylbewerber in zentralen Unterbringungseinrichtungen untergebracht werden, mit dem Ziel, das gesamte Asylverfahren dort durchzuführen und auch die Rückführung konsequent anzuwenden, sollte dem Antrag nicht stattgegeben werden. Dazu muss jedoch die Dauer der Verfahren erheblich verkürzt werden. Hier herrscht in der Sache mit der Union grundsätzlich Einigkeit. Etwas anderes ist auch der Bevölkerung nicht zu vermitteln