22.11.2016FDPFDP

BEER-Interview: Merkel hat keine Zukunftsvision für Deutschland

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER gab „n-tv.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTIAN ROTHENBERG:

Frage: Angela Merkel will bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr erneut antreten. Begrüßt die FDP ihre Kandidatur oder hätten Sie es lieber gesehen, dass jemand anders die Union in den Wahlkampf führt?

BEER: Frau Merkel hat sich für CDU und CSU offenbar alternativlos gemacht. Leider hören wir von ihr keine Zukunftsvision für Deutschland, sie ist sehr wolkig geblieben. Ein einfaches „Weiter so“ wird aber nicht ausreichen, um die Herausforderungen zu meistern. Wir müssen Menschen über Bildung wieder stark machen. Bildung ist der Garant, sich aus eigener Kraft den sozialen Aufstieg zu erarbeiten und zu verhindern, dass jemand in Armut abgleitet. Wir wissen leider nur wenig über die Vorstellungen, die die Christdemokraten für die Menschen in diesem Land haben.

Frage: Die FDP hat den Ruf einer Klientelpartei der Gutbetuchten. Hat sich die Partei in ihrer außerparlamentarischen Opposition seit 2013 neu ausgerichtet?

BEER: Ja, wir haben einen umfangreichen Neuaufstellungsprozess hinter uns. Trotzdem geht es uns nach wie vor um die Möglichkeit des Einzelnen, über sein Leben selbst bestimmen zu können und den Weg zu gehen, den er gehen möchte. In Deutschland gelingt das häufig nicht gut genug. Es wird immer schwerer, aufzusteigen. Gleichzeitig sehen wir, dass Menschen in der Mitte der Gesellschaft, die arbeiten und Steuern zahlen, zunehmend über das Steuersystem ausgenommen werden. Wir merken, dass sich dort Wut anstaut. Deshalb müssen wir an die Wurzeln dieser Probleme – mit Konzepten und nicht mit einfachen populistischen Antworten.

Frage: In Umfragen für den Bund liegt die FDP bei sechs bis sieben Prozent. Was ist die Zielmarke für die Bundestagswahl?

BEER: Das Ziel ist es, möglichst stark wieder in den Bundestag einzuziehen. Denn wir wollen endlich die Themen auf die Agenda zu setzen, die vernachlässigt worden sind. Viele Bürger haben das Gefühl, dass ihre Alltagsprobleme von der Politik nicht wahrgenommen werden. Wir haben natürlich die Hoffnung, dass wir die Zahlen in den Umfragen noch ein bisschen steigern können.

Frage: Es darf also gern etwas mehr sein als sieben Prozent. Ist die FDP im Herbst 2017 auch schon bereit für eine mögliche Regierungsbeteiligung?

BEER: Die Frage stellt sich, wenn das Wahlergebnis vorliegt und ausgelotet werden kann, was inhaltlich möglich ist. Daher beteiligen wir uns ungern an Regierungsastrologie. Das Parlament wird bunter, dadurch werden Regierungsbildungen schwieriger. Bei den meisten Parteien lässt sich zurzeit nur schemenhaft erahnen, wie es um ihre Inhalte bestellt ist. Jetzt eine Aussage zu machen, ist daher völlig unerquicklich.

Frage: Die komplizierte Regierungsbildung fordert den Parteien mehr Flexibilität ab. In Sachsen-Anhalt bildeten CDU, SPD und Grüne eine Dreierkoalition. Vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeigen sich CDU und FDP offen für eine Koalition mit den Grünen. Wäre dies auch im Bund denkbar?

BEER: In den Ländern gibt es teilweise andere Schwerpunkte der potenziellen Partner. Im Bund hängt es davon ab, ob mit den Partnern dort eine ausreichend große Menge an Inhalten verhandelbar ist, die uns wichtig ist. Wir wollen, dass Bildung wieder Priorität hat. Wir wollen klare Ordnungspolitik in einer sozialen Marktwirtschaft und wir wollen ein generationengerechtes Rentensystem. Wegen Kabinettsposten werden wir nicht unsere Inhalte verraten. Trotzdem sind wir uns natürlich unserer Verantwortung bewusst und schließen eine Regierungsbeteiligung nicht aus.

Frage: Die FDP ist also prinzipiell offen für Jamaika.

BEER: Das ist auf gar keinen Fall ausgeschlossen. In Rheinland-Pfalz haben wir eine Ampel-Koalition gebildet, weil es dort möglich ist, in Modernisierung, Bildung und Infrastruktur zu investieren und gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren. Der Koalitionsvertrag trägt eine große liberale Handschrift. In Baden-Württemberg wäre es rechnerisch auch möglich gewesen. Da wir inhaltlich von unseren Schwerpunkten hätten abweichen müssen, haben wir dort aber Nein gesagt. Genauso wird es auch im Bund laufen. Wenn unsere Themen umgesetzt werden, stehen wir auch dort in Dreierbündnissen wie einer Jamaika-Koalition zur Verfügung.

Frage: Zwischen FDP und Grünen gab es früher massive Vorbehalte. Stehen sich beide Parteien heute näher?

BEER: Das Problem der Grünen ist, dass es zwei Parteiflügel gibt. Auf dem letzten Parteitag gab es die Diskussion um die Steuerpolitik. Eine Mehrheit der Partei will eine Steuerpolitik, die noch mehr abkassiert, statt die arbeitende Bevölkerung und kleinere sowie mittlere Einkommen zu entlasten. Mit so einer Partei können wir nicht koalieren. Aber wenn sich der realpolitische Flügel durchsetzen sollte, sieht es wieder anders aus. Die Grünen müssen sich entscheiden. Da, wo sie sich bewegen, gibt es auch Möglichkeiten, über Inhalte und über eine Zusammenarbeit zu reden.

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