BEER-Interview: Klare Haltung zahlt sich aus
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ralf Euler.
Frage: Woran sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert?
Beer: Die Sondierungsgespräche sind vor allem aus zwei Gründen gescheitert. Zum einen an der Unvereinbarkeit der Positionen. Kompromisse gehören zum Wesen der Demokratie. Sie dürfen aber die Grundüberzeugungen nicht schreddern, und das wäre hier für die Freien Demokraten der Fall gewesen. Zum anderen mangelte es an einer soliden Vertrauensbasis: Permanent wurden neue Forderungen nachgeschoben oder bereits gefundene Kompromisse wieder aufgemacht. So kann man auch später nicht vernünftig regieren.
Frage: Hatten Sie bis zuletzt Hoffnung, oder wann war Ihnen bewusst, dass das nichts mehr werden konnte?
Beer: Wir sind vorurteilsfrei in die Gespräche gegangen. Wir waren konstruktiv, wir haben vielfältige Angebote gemacht, Schmerzgrenzen erreicht. Seit Donnerstagnacht wurde es immer schwieriger. Wir haben trotzdem sehr ernsthaft weiterverhandelt. Am Sonntag sah es am frühen Abend erst noch so aus, als ob es doch noch etwas werden könnte, am späten Abend war dann leider klar: Es wird nichts.
Frage: Wie viel Schuld hat die Kanzlerin am Scheitern der Gespräche? Manche behaupten, Angela Merkel sei für die FDP ein Haupthinderungsgrund für Jamaika gewesen.
Beer: Die Gespräche sind gescheitert. Wir weisen niemand Schuld zu. Wir haben für uns die Konsequenzen gezogen.
Frage: Mangelt es der FDP nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition an Mut und Expertise zum Regieren?
Beer: Es mangelt uns selbst nach vier Jahren in der Apo weder an Mut noch an Expertise. Wir haben aber das Selbstbewusstsein, uns nicht verbiegen zu lassen, zu unseren Überzeugungen zu stehen. Das haben wir aus 2009 gelernt. Wir haben im Wahlkampf für Trendwenden geworben. Sie hätten in einem Koalitionsvertrag sichtbar sein müssen. Waren sie jedoch nicht.
Frage: Ihre Partei hat der SPD Mangel an staatspolitischer Verantwortung vorgeworfen. Wie sieht es mit der staatspolitischen Verantwortung der Liberalen aus?
Beer: Die Freien Demokraten stehen seit 70 Jahren zu ihrer staatspolitischen Verantwortung. Alle Parteien dienen zuerst unserem Land. Das tun wir auch. Und anders als die SPD haben wir ernsthaft und lange um ein Bündnis gerungen. Nur muss die Politik aus unserer Sicht vernünftig sein. Das war nicht erreichbar. Plakativ gesagt: Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auch das ist staatspolitische Verantwortung.
Frage: Muss die nun anstehende Hängepartie nicht zwangsläufig die Linkspartei und die AfD stärken?
Beer: Nein. Warum auch? Die Menschen schätzen klare Haltungen. Am Ende werden sich Konsequenz und Glaubwürdigkeit auszahlen.
Frage: Wird das Scheitern in Berlin Auswirkungen auf die Politik in Hessen haben, wo die FDP ja in einem Jahr möglicherweise auch mit den Grünen über eine gemeinsame Regierung sprechen muss?
Beer: Wir haben unter Beweis gestellt, dass wir in unterschiedlichsten Konstellationen arbeiten können. Jamaika in Schleswig-Holstein, Ampel in Rheinland-Pfalz oder auch Schwarz-Gelb in NRW. Das unterstreicht noch mal: Es kommt uns auf die Inhalte an, ob mit den jeweiligen Partnern eine gemeinsame Zukunftsperspektive für die Menschen entwickelt werden kann. Und darauf, dass es gelingt, Vertrauen zwischen den Partnern zu entwickeln. Das wird auch nach der Landtagswahl in Hessen gelten. Da kann uns die jetzt gezeigte konsequente Haltung nur helfen.