11.03.2019FDPFDP

BEER-Interview: Frontex schneller ausbauen

Die FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl, Nicola Beer, gab der „Ostthüringer Zeitung “ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Fabian Klaus.

Frage: Wären Sie jetzt nicht lieber Ministerin in einer Bundesregierung mit FDP-Beteiligung, als für die Liberalen auf Stimmenfang für Europa zu gehen?

Beer: Es war die richtige Entscheidung, dass wir uns nicht als Stimmenbeschaffer hergegeben haben für eine Koalition, die keine Reformagenda gehabt hätte.

Frage: Und das trotz potenzieller FDP-Beteiligung?

Beer: Leider waren CDU/CSU und Grüne nicht mutig genug, eine solche Reformagenda der Freien Demokraten in der Bundesregierung umzusetzen. Jetzt spüren wir, dass in Deutschland vieles ins Stocken geraten ist. Bei Wettbewerbsfähigkeit und Bildungsqualität kommen wir nicht voran. Beim Thema Steuern und Abgaben müsste dringend Entlastung geschaffen werden. In der Energiewende fahren wir einen deutschen Sonderweg, der für Verbraucher extrem teuer ist. Doch wir arbeiten daran, dass sich die Möglichkeit für uns noch ergibt, dass wir diese Punkte irgendwann angehen können.

Frage: Vielleicht nach der nächsten Bundestagswahl. Aber dann wäre Europa für Sie nur eine Zwischenstation?

Beer: Das ist doch unabhängig von meiner eigenen Person. Ich bin überzeugt, dass wir bei diesen Europawahlen eine Richtungsentscheidung vor uns haben. Die EU befindet sich in einem schlechten Zustand. Es herrscht immer mehr Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten.

Frage: Warum?

Beer: In der Europäischen Union wird zu viel geredet und zu wenig gehandelt.

Frage: Wie wollen Sie das ändern?

Beer: Das Parlament soll ein Initiativrecht bekommen und dieser Wanderzirkus zwischen Brüssel und Strasbourg ein Ende finden. Eine Verkleinerung der Kommission erscheint uns wichtig. Außerdem brauchen wir deutlich mehr Mehrheitsentscheidungen, damit aus dem trägen Fährkahn EU ein hochseetauglicher Segler werden kann.

Frage: Gesprächsformate wie das „Weimarer Dreieck“ zu stärken, findet sich aber dennoch ganz konkret im Europawahlprogramm der Liberalen – also geht es wieder ums Reden. Ist das kein Widerspruch?

Beer: Keinesfalls. Zuhören stellt die Grundlage für Handlungen dar. Deshalb brauchen wir diese Gespräche, damit Lösungen kommen, die von den Mitgliedsstaaten in der Breite akzeptiert werden. Momentan krankt die europäische Politik daran, dass 27 Staaten ihre nationalen Konzepte exportieren wollen. Um hier Verständnis und Kompromissbereitschaft zu entwickeln, braucht es Gesprächsformate wie das Weimarer Dreieck.

Frage: In Ihrem Programm steht, dass das „Weimarer Dreieck“ gestärkt werden soll. Geht es etwas konkreter?

Beer: Das letzte Treffen auf politischer Ebene im Format des „Weimarer Dreiecks“ liegt schon viel zu lange zurück. Wir unterstützen zum Beispiel die Stärkung der deutsch-französischen Beziehungen über den Aachener Vertrag. Dort wird ein Programm installiert, mit dem deutsche und französische Parlamentarier in den Austausch treten. Mit dem Verein „Weimarer Dreieck“ haben wir besprochen, dieses Format zu ergänzen und polnische Kolleginnen und Kollegen dazu zu holen. Dann kann dieser Austausch auch auf der Regierungsebene wieder stärker in den Fokus rücken, damit Brücken wieder verstärkt werden, die momentan doch etwas wacklig geworden sind.

Frage: Die Sprachlosigkeit in Europa hängt eng mit der Flüchtlingskrise 2015 zusammen. In der Zeit sind viele Brücken eingerissen worden.

Beer: 2015 hat gezeigt, was passiert, wenn man sich europäisch nicht abstimmt. Deshalb hätten wir diese Situation viel stärker europäisch steuern und ordnen müssen. Dafür wäre es jedoch notwendig gewesen, vorher miteinander zu reden und nicht als Deutsche die anderen Länder vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das aber hat Angela Merkel mit ihrer Entscheidung, die Grenze zu öffnen, getan. Deshalb werben wir für den Dialog und klare gemeinsame Regeln. Sowohl für die Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, als auch für jene Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen einwandern wollen. Das kanadische Modell kann hier ein Vorbild sein.

Frage: In Deutschland gibt es die Blue-Card.

Beer: Das ist ein ungenügendes Instrument, weil es nur für akademische Berufe mit einem hohen zugesagten Jahresgehalt angewendet werden kann. Der Bedarf liegt aber in ganz anderen Bereichen. Deshalb benötigen wir hier eine Erweiterung auf Fachkräfte-Einwanderung mit hierzulande nachgefragten Qualifikationen. Gleichzeitig müssen wir die EU-Außengrenzen sichern. Denn das ist die Voraussetzung für Freizügigkeit im Schengen-Raum.

Frage: Ist „Frontex“ noch geeignet für die Grenzsicherung?

Beer: Ja, aber die Behörde müsste schneller und umfangreicher ausgebaut werden. Die Bundesregierung ist da zu ambitionslos. Wir müssen die Außengrenzen-Sicherung glaubhaft garantieren und nicht erst im Jahr 2027. Dafür müssen die entsprechenden Gelder fließen.

Frage: Von jetzt auf gleich wird der Ausbau nicht funktionieren.

Beer: Aber er muss schneller vonstatten gehen. Sonst bauen wir das Misstrauen der Länder an den EU-Außengrenzen nicht ab.

Frage: Wie stark muss die FDP werden, damit sie eine wahrnehmbare Stimme im EU-Parlament ist?

Beer: Wir möchten gern die Anzahl der FDP-Abgeordneten im Europaparlament verdreifachen auf wenigstens neun. Das würde zum Beispiel auch sicherstellen, dass unser ostdeutscher Spitzenmann Robert-Martin Montag aus Thüringen dabei ist.

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