14.08.2014FDPBildung

BEER: Elternunabhängiges Bafög fördert Chancengerechtigkeit

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Größere Chancen für die Mitte

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Bundesausbildungsförderung moderat anzuheben. Neue Anträge mit umfangreichen Einkommensnachweisen, langwierige Verfahren, vorläufige Auszahlungen, vielerlei Bescheide und komplizierte Rückrechnungen werden wieder die Folge sein. Das ist teure Bürokratie – Studenten werden zu Anhängseln einer "elterlichen Bedarfsgemeinschaft", die Mittelschicht zur Risikogruppe. Ist das Kriterium "knapp über oder unter den Einkommensgrenzen" noch zeitgemäß?

Gut ausgebildete junge Menschen sind die Zukunft unseres Landes. Um sie geht es. Sie sollen sich an unseren Hochschulen neue Denkwelten erschließen, in die Forschung eingeführt werden, ihre Potentiale entwickeln, kurz: die Basis legen für persönlichen Erfolg, außerdem für Innovationskraft und Kreativität unserer Gesellschaft. Sie müssen daher im Mittelpunkt der Ausbildungsförderung stehen – als selbständige, mündige Bürger und als junge Menschen mit eigenen Vorstellungen, die Verantwortung für ihre Lebensgestaltung übernehmen. Es sind schließlich junge Erwachsene.

Warum behandeln wir sie dann nicht so, sondern schurigeln sie in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft? Mit einem elternunabhängigen Bafög könnte Ausbildungsförderung ohne Ansehen der finanziellen Situation der Eltern und ohne komplizierte Nachweispflichten gewährt werden. Unser Modell besteht aus zwei Säulen: Da ist erstens ein nicht rückzahlbarer Grundbetrag von 300 Euro, der jedem Studierenden zugutekommt. Zur Finanzierung dienen sämtliche staatlichen Leistungen und Vergünstigungen, die bisher den Eltern für ihre studierenden Kinder gewährt werden, sowie bisher schon nicht rückzahlbare Bafög-Zuschüsse. Im Gegenzug entfällt der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gegenüber den Eltern.

Die zweite Säule ist ein zinsgünstiges und -stabiles Darlehen von maximal 500 Euro im Monat. Das ist nach Studienende im Laufe des Erwerbslebens unter Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des ehemaligen Studenten zurückzuzahlen. Das elternunabhängige Bafög soll bei nur einer Stelle beantragt und bewilligt werden, etwa den Studentenwerken oder der KfW. Die Zuverdienstgrenzen wollen wir streichen; auf komplizierte Nachberechnungen kann so verzichtet werden. Beides spart Bürokratie und damit Geld, das besser in das Bafög investiert wird. Die Finanzierungszusage erfolgt für die Regelstudienzeit plus zwei Semester; am Ende muss der Erfolg des Studiums nachgewiesen werden. Das schafft Planungssicherheit und ist ein wichtiger Schritt, damit Deutschland im Wettbewerb um die klügsten Köpfe nicht das Nachsehen hat.

Die Einwände der Sozialbürokraten kann man erahnen: Ist es gerecht, wenn der Staat das Studium des Chefarztsohnes oder der Notarstochter fördert? Wahr ist, dass deren Eltern heute durch Steuerfreibeträge mehr erhalten. Uns geht es vor allem um die Mitte unserer Gesellschaft. 2,36 Milliarden Euro fließen bisher in das Bafög, doch nur für gut ein Drittel der Studierenden. Was ist mit dem Rest? Bislang sind gerade Studenten aus der breiten Mittelschicht von staatlicher Förderung ausgeschlossen, ohne auf (ausreichende) Unterstützung ihrer Eltern zählen zu können. Das ist kein böser Wille der Eltern, die für ihre Kinder in der Regel tun, was sie tun können. Es ist die Realität ganz vieler Familien, vor allem, wenn sich mehrere Geschwister in Ausbildung befinden. Das beeinflusst die Wahl des Studienortes; das führt zu einer Vielzahl von Nebenjobs.

So verlieren Studenten Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb des Elternhauses. Zudem geht wertvolle Zeit für das Studium verloren. Lange Studienzeiten bezahlt übrigens jeder Steuerzahler mit. Ein elternunabhängiges Bafög stellt sicher, dass alle Studenten die gleichen Chancen haben als selbstbestimmte Menschen, die sich eigenständig für ein Studium am Ort ihrer Wahl entscheiden und sich darauf auch konzentrieren können. Sie dabei zu unterstützen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir können es uns nicht leisten, dass aufgrund eines überkommenen bürokratischen Systems auch nur ein einziger Student auf der Strecke bleibt.

Deshalb sollten wir jetzt den Wechsel in ein System wagen, das auch den Studierenden ernst nimmt und ihn als selbständigen Menschen behandelt: weg von der "elterlichen Bedarfsgemeinschaft", hin zum eigenverantwortlichen und deshalb auch direkt und elternunabhängig geförderten Studierenden. Es kostet nicht mehr als das verkrustete System, setzt aber Mut zur Freiheit voraus.

 

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