StiftungAushöhlung der Demokratie

Ausnahmezustand in der Türkei läuft heimlich weiter

Die Türkei entwickelt sich zur AutokratieDie Türkei entwickelt sich zur Autokratie
27.07.2018

Der türkische Präsident hat den Ausnahmezustand im Land (OHAL) nach zwei Jahren und sieben Verlängerungen endlich auslaufen lassen. In Wahrheit sei dieser allerdings lediglich umbenannt worden, konstatiert Aret Demirci, Projektkoordinator der Stiftung für die Freiheit in Istanbul. Der OHAL war wenige Tage nach dem vereitelten Putschversuch im Sommer 2016 eingeführt worden. Kurz danach sei klar geworden, dass Erdogan dieses Instrument ausnutze, um "oppositionelle Stimmen aller Couleur mundtot zu machen", erklärt Demirci. Inzwischen gehörten Entlassungen, Festnahmen, Inhaftierungen und die Verfolgung der Medien sowie das Regieren per Dekret zum Alltag. Und auch mit dem Auslaufen des Notstands verbessere sich die Lage nur auf dem Papier.

Knapp 130.000 Staatsbedienstete wurden nach offiziellen Angaben wegen Verbindungen zum Putschversuch oder zur Gülen-Bewegung entlassen. Die Zahl der Suspendierungen liegt bei über 118.000. Die Zahl der Inhaftierten lag im April 2018 laut Angaben des türkischen Innenministeriums bei über 50.000. "Nach Medienberichten und anderen Quellen waren darunter auch zahlreiche Menschenrechtler, Journalisten und Oppositionspolitiker", fügt Demirci hinzu. Unter dem Ausnahmezustand wurden bislang 70 Zeitungen, 20 Zeitschriften, sechs Nachrichtenagenturen, 18 Fernsehkanäle und 22 Radiostationen verboten. Zudem wurden 1.748 Stiftungen und Vereine geschlossen. Auch den Bildungs- und Gesundheitssektor traf der Ausnahmezustand hart.

"Dass mit dem Ende des OHAL auch die Verhaftungen und Entlassungen aufhören, zeichnet sich nicht ab, vor wenigen Tagen verloren nochmal ganze 18.000 Lehrer, Polizisten, Soldaten ihre Arbeit", berichtet der Stiftungsexperte. Die Regierung habe für die Zeit nach dem Ausnahmezustand bereits Anti-Terror-Gesetze vorbereitet. So wolle die Regierung mit neuen Regelungen den Ausnahmezustand unter einem anderen Namen permanent machen. (ch)

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