FDPSchuldenkrise

Athen entfremdet sich von der EU

Alexander Graf LambsdorffDer Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, sieht die Vorgehensweise der griechischen Regierung im Schuldenstreit kritisch.
20.02.2015

Ende Februar läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus. Die anderen EU-Länder wollen das Programm verlängern, streiten sich allerdings mit Athen über die Konditionen. Mit ihrem Verhalten strapaziere die griechische Regierung die Nerven, die Geduld und den guten Willen all ihrer Partner, kritisierte der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk".

Im "NDR"-Interview betonte der Freidemokrat, dass es gegenüber anderen EU-Ländern wie Portugal und Irland, die schmerzhafte Reformen umgesetzt hätten, zutiefst unfair wäre, "wenn wir bei Griechenland einen Schuldenschnitt machen würden". Er mahnte, die Wahlversprechen der neuen Regierung in Athen gingen in genau die Richtung, die das Land erst in seine schwierige Lage gebracht habe. "Die einzige Chance, die Griechenland hat, ist, dass Wirtschaftswachstum entsteht. Dann entstehen Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Perspektiven für die Menschen im Land."

Interview mit Alexander Graf Lambsdorff

Wie schätzen Sie die Ankündigungen der griechischen Regierung ein?

Diese Ankündigungen bewegen sich zurzeit auf der Ebene von Gerüchten. Die griechische Regierung hat in einem Hintergrundgespräch erklärt, sie könnte sich vorstellen, heute eine Verlängerung des Kreditprogramms zu beantragen. Aber gleichzeitig hat sie deutlich gemacht, dass, wenn sie das täte, sie parallel nicht die Verlängerung der Sparauflagen mitbeantragen würde, sondern stattdessen ein Moratorium verlangt für Gesetzgebung, die unter Umständen schwierig sein könnte für die Kreditgeber. Das Ganze ist so nebulös im Moment noch, dass es sehr schwer ist zu sagen, ob das Ganze wirklich substanziell ist und belastbar, zumal Premierminister Tsipras parallel dazu gestern angekündigt hat, eine ganze Reihe von Gesetzesentwürfen im griechischen Parlament einzubringen, die zum Teil jedenfalls definitiv den Auflagen des Sparprogramms widersprechen.

Welchen Reim machen Sie sich auf diesen Gesprächsdeal? Man saß gestern ja den ganzen Tag in Brüssel zusammen und jetzt gibt es diese Informationen, gestreut an die griechische Presse. Was sind das für Gespräche?

Diese griechische Regierung – das muss man so deutlich sagen – strapaziert die Nerven, die Geduld und auch den guten Willen all ihrer Partner in einer Art und Weise, wie das in dieser Form in Brüssel im sogenannten Ecofin, also im Rat für Wirtschafts- und Finanzfragen, noch nie der Fall war. Und das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Finanzminister gestern in Brüssel war in der Tat bei dieser Ratsformation, dort nichts Vernünftiges erklären konnte – auch sein Ruf als großer Ökonom hat dort sichtbar gelitten, wie man von Teilnehmern hört –, aber gleichzeitig in Athen in Hintergrundgesprächen Dinge gestreut werden, die im Grunde in Brüssel auf den Tisch, und zwar in belastbarer Form auf den Tisch gehört hätten. Also mit anderen Worten: Alle anderen Partner sind inzwischen wirklich mit den Nerven sehr angespannt und warten jetzt auf einen substanziellen belastbaren Vorschlag.

Aber gleichzeitig ist es doch so, dass es Syriza offensichtlich auch um das Eingeständnis zu gehen scheint, dass der Sparkurs, so wie er Athen aufgedrängt wurde in den letzten Jahren, dass der eine Sackgasse war. Warum tut sich die Eurogruppe so schwer mit diesem Eingeständnis?

Das Problem ist ja, dass das Ganze, was Syriza da vertritt, vorne und hinten nicht richtig zusammenpasst. Syriza kommt sehr neu, frisch, modern, linksextrem, wenn man so will, auch rüber, aber ist ja gewählt worden wegen Versprechungen. Genau die gleichen Versprechungen haben die Vorgängerregierungen auch immer gemacht, also die Sozialdemokraten und die Christdemokraten, Pasok und Nea Dimokratia, einen riesigen öffentlichen Dienst zu erhalten, ineffiziente Staatsbetriebe auf Dauer zu beatmen, keine Privatisierungen durchzuführen. All diese Versprechungen haben ja Griechenland in diese Krise hineingeführt. Das Sparprogramm ist der Versuch, der Krise Herr zu werden. Das Sparprogramm ist ja nicht die Ursache der Krise, sondern der Versuch, diese Krise zu bewältigen. Insofern passt das vorne und hinten nicht zusammen, was Syriza hier erklärt, und das sehen wirklich alle Partner so, unabhängig davon, wer jeweils die Regierung stellt.

Aber die Arbeitslosigkeit und auch die Wirtschaftsleistung, die sind doch erst mal - also Arbeitslosigkeit sprunghaft gestiegen – Wirtschaftsleistung in den Keller gegangen. Kann man das als Erfolg bezeichnen?

Na ja, natürlich kann man das zunächst einmal nicht als Erfolg bezeichnen, wenn das Wachstum einbricht. Aber das Wachstum, dass das eingebrochen ist, hat natürlich auch damit zu tun, dass zunächst im öffentlichen Dienst Entlassungen vorgenommen worden sind, dass dort keine Neueinstellungen vorgenommen worden sind, wie das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer der Fall war. Hier findet gerade etwas statt; das ist eine Strukturanpassung, die ist sehr schmerzhaft. Und da verschließen wir auch die Augen nicht davor, dass das gewisse Härten mit sich bringt. Nur wenn Sie sich in die Sitzung hineinbegeben mal geistig und sich vorstellen, was sagt denn der portugiesische Finanzminister, was sagt der irische Finanzminister oder der spanische, dort hat man solche Programme gemacht, dort hat man diese Anpassungsprogramme durchgezogen, umgesetzt, das war auch sehr schmerzhaft, und dort wächst die Wirtschaft wieder und das ist letztlich die einzige Art und Weise, wie sie nach vorne kommen, nämlich durch Wachstumsimpulse, durch einen selbsttragenden Aufschwung. Aber das, was Syriza vorschlägt an wirtschaftspolitischen Maßnahmen – und da kommt ja die Skepsis der anderen auch her –, ist das exakte Gegenteil. Das ist Umverteilungspolitik, das ist eine Stärkung des Staatssektors, das ist genau das Gegenteil dessen, was erforderlich ist.

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