FDP100. Jahre Attentat von Sarajewo

Deutschland hat Verantwortung übernommen

Hans-Dietrich GenscherHans-Dietrich Genscher widerspricht Gauck: "Die Waffe muss das letzte Mittel bleiben"
27.06.2014

Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat sich in die von Bundespräsident Joachim Gauck angestoßene Debatte über die militärische Rolle Deutschlands eingeschaltet. Wichtig sei der Vorrang der Politik, erklärte er im Interview mit dem Deutschlandfunk anlässlich des 100. Jahrestages des Attentats von Sarajewo. Deutschland habe längst Verantwortung übernommen, die Waffe müsse dabei "das letzte Mittel bleiben, sie darf nicht sozusagen als eines neben anderen Mitteln betrachtet werden.“

Entwicklungen wie sie nach der Juli-Krise 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten, ließen sich zukünftig verhindern, glaubt der FDP-Politiker. Im Deutschlandfunk sagte er, notwendig dafür sei ein "Konzept von der Zukunft Europas". Er nannte den KSZE-Prozess und einen seiner Vorläufer, den Harmel-Bericht von 1967 zu den Hochzeiten des Kalten Krieges, als gutes Beispiel dafür. Die damalige Idee des westlichen Bündnisses, eine gesamteuropäische Friedensordnung zu schaffen, habe sich als "erstaunliches und weit in die Zukunft weisendes Konzept" erwiesen.

Wir brauchen ein Konzept von der Zukunft Europas

Der langjährige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher fordert von westlichen und russischen Politikern eine Verständigung über gemeinsame Ziele. Für manche sei die Teilung Europas 1989 nicht geendet, sondern nur nach Osten verlagert worden. Es sei wichtig, „dass wir uns darüber verständigen, was ist unser Ziel und gibt es ein gemeinsames Ziel.“ Wie sei das westliche Ziel über eine Kooperation mit Russland und wie stelle sich Russland auf eine ebenbürtige und gleichberechtigte Kooperation mit den westlichen Staaten ein, sei die Frage.

Mit Blick auf die von Bundespräsident Joachim Gauck angestoßene Debatte um eine stärkere militärische Rolle Deutschlands in der Welt, sagte Genscher, Deutschland habe bereits in der Vergangenheit Verantwortung übernommen. Dazu zähle nicht nur die Westbindung der Bundesrepublik, sondern auch das Anstoßen des Verständigungsprozesses und der Öffnung gegenüber dem Osten. Damit habe Deutschland auch erreichen können, dass wir über die friedlichen Freiheitsrevolutionen die Menschenrechte durchsetzen konnten. „Das war die wichtigste Menschenrechtsinitiative, die ich mir vorstellen kann, die KSZE-Schlussakte.“

Die Waffe muss das letzte Mittel bleiben

Davon abgesehen sei über den Einsatz militärischer Mittel zu entscheiden, wenn solche Entscheidungen anstünden. Er glaube nicht, dass die Haltungen jetziger oder vergangener Bundesregierungen in dieser Frage einer Korrektur bedürfen. „Die Menschenrechtsinitiative KSZE ist ein Beispielfall dafür, wie man mit einer klugen, verantwortungsvollen Politik das durchsetzen kann, und darauf würde ich auch in Zukunft das Gewicht unserer Außenpolitik legen.“

Im Übrigen glaube er, dass der Vorrang der Politik wichtig sei. „Dass schnelle Entscheidungen für militärische Einsätze - die US-Invasion von 2003 - zu verheerenden Folgen führen können, erleben wir ja gerade im Irak“, verweist er auf die  jüngste Entwicklung. „Und ähnliches Lehrgeld haben ja auch andere zahlen müssen. Man darf ja nicht, wenn man über so etwas redet, nur die Vereinigten Staaten sehen. Andere haben auch so etwas erlebt. Die Waffe muss das letzte Mittel bleiben, sie darf nicht sozusagen als eines neben anderen Mitteln betrachtet werden.“

Die Welt wird verändert durch die Durchsetzung von Menschenrechten

Mit Blick auf den EU-Gipfel, wo die Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsländer die Opfer des 1. Weltkrieges gewürdigt haben, sagte Genscher: „Wir müssen immer wieder den Menschen ins Bewusstsein rufen, wie leicht es ist, den Übergang aus einer friedlichen Umwelt in eine kriegerische Entwicklung zu bewirken, und wie schwer es ist, einen Zug im letzten Moment noch zum Halten zu bringen oder umzulenken.“

Die Zeit der Vorherrschaft großer Staaten sei ebenso vorbei wie der Versuch, mit militärischer Macht die Welt zu verändern. „Die Welt wird verändert durch die Durchsetzung von Menschenrechten und Menschenwürde und ihrer glaubwürdigen Vertretung.“

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