FDPDas aktuelle Interview

Wir empfehlen unserem Land mehr Mut

Christian LindnerChristian Lindner empfiehlt mehr Mut
18.05.2015

Im Interview mit der "Rheinischen Post" spricht FDP-Chef Christian Lindner über die BND-Affäre, die Zukunft der FDP und deren Wettbewerber. Mit Blick auf den dreitägigen Bundesparteitag, der ihm den Rücken als Bundesvorsitzender gestärkt hat, bilanziert er:  "Das ist ein starkes Signal, dass die FDP zum Teamwork zurückgefunden hat. Es freut mich sehr, dass wir mit überzeugenden Voten auch unseren inhaltlichen Kurs festgelegt haben. Wir empfehlen unserem Land mehr Mut bei den Zukunftsherausforderungen digitaler Wandel und Globalisierung." Er verspricht: "Wir werden unsere Prioritäten in Zukunft klar verfolgen."

Frage: 92 Prozent für Sie, 94 für Ihren Vize Kubicki – erkennen Sie Ihre Partei noch wieder?

LINDNER: Das ist ein starkes Signal, dass die FDP zum Teamwork zurückgefunden hat. Es freut mich sehr, dass wir mit überzeugenden Voten auch unseren inhaltlichen Kurs festgelegt haben. Wir empfehlen unserem Land mehr Mut bei den Zukunftsherausforderungen digitaler Wandel und Globalisierung. Und wir wollen in der Bildungspolitik mehr gesamtstaatlicher Verantwortung, um die Modernisierung der Schulen zu finanzieren und den Wechsel zwischen Bundesländern zu erleichtern. Dieser Parteitag war ein guter Zwischenschritt auf dem Weg Richtung 2017.

Frage: Was ist das Neue an der neuen FDP?

LINDNER: Wir haben generell die Dosis an Liberalismus im Programm erhöht. Im Zentrum steht der Einzelne, den wir stark machen wollen. Durch beste Bildung, Bürokratieabbau und den Schutz vor Abkassieren und Bespitzelung. Das ist eine Rückbesinnung auf klassische Werte als Antwort auf Fragen der Zeit.

Frage: Die CDU sagt, Sie seien ihr natürlicher Koalitionspartner. Gilt das umgekehrt auch?

LINDNER: Wir schauen auf unser eigenes Programm. Ehrlich gesagt, kann ich zwischen den einzelnen Parteien im Bundestag keine großen Unterschiede mehr ausmachen. Das sind alles mehr oder weniger Spielarten von Sozialdemokratie. Wir sind eben anders, wir orientieren uns nicht am Staat, sondern am Einzelnen.

Über Farbenspiele und die Eigenständigkeit der FDP

Frage: Vor der Bundestagswahl kommt die NRW-Landtagswahl, ist Schwarz-Gelb für NRW noch eine Option?

LINDNER:  Das müssen wir dann sehen. Wir werden jedenfalls keine Koalitionsaussage machen. Aus unserem Programm ergibt sich eine Nähe oder Ferne zu anderen Parteien.

Frage: Wie sympathisch sind Ihnen Ampeln?

LINDNER: Ich habe lieber freie Fahrt.

Frage: Wären denn Ampelkoalitionen aus SPD, FDP und Grünen eine Alternative zu großen Koalitionen und schwarz-grünen Bündnissen?

LINDNER: Ich sehe keine größeren Gemeinsamkeiten. Die Grünen haben bisher ihre Ankündigung, liberaler werden zu wollen, nicht umgesetzt. Die SPD weiß nicht, wie sie sich aufstellen will. Herr Gabriel spricht von Ludwig Erhard und Bürgerrechten, gefährdet durch seine Energiepolitik dann aber Arbeitsplätze und macht den Weg für die Vorratsdatenspeicherung frei. Insofern sehe ich wenig Berührungspunkte.

Frage: SPD-Fraktionschef Oppermann empfiehlt Ihnen mehr soziale Verantwortung, um von der SPD ernst genommen zu werden.

LINDNER: Wir verstehen unter sozialer Politik vor allem beste Bildung und nicht Umverteilung. 80.000 junge Menschen ohne Schulabschluss in jedem Jahr können uns nicht ruhen lassen. Ich möchte mich für den Ratschlag von Herrn Oppermann aber gerne revanchieren: Die SPD sollte sich an ihre wirtschaftlich vernünftigen Zeiten unter Schröder und Clement erinnern, um vielleicht wieder Richtung 30 Prozent zu kommen.

Frage: Können Sie sich Sigmar Gabriel als Kanzler vorstellen?

LINDNER: Ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel uns auf der internationalen Bühne vertritt. Das macht sie gut. Ich bemängele allerdings, dass sie die Innenpolitik komplett ihrem Koalitionspartner geopfert hat und ihrer eigenen Partei untersagt, wirtschaftspolitisch in die Offensive zu kommen.

"Wenn die Kanzlerin nicht für rückhaltlose Aufklärung sorgt, kann diese Affäre ein Ausmaß annehmen wie seinerzeit die...

Posted by Christian Lindner on Montag, 18. Mai 2015

BND-Affäre erinnert an Watergate

Frage: Gilt Ihr Lob für die internationale Kanzlerin auch für ihre Behauptung im Wahlkampf 2013, es werde ein No-Spy-Abkommen mit den USA geben?

LINDNER: Ich zweifele nicht an der Integrität der Bundeskanzlerin Merkel. Die FDP fühlt aber von ihrem Kanzleramt getäuscht. Es wurde öffentlich der Eindruck erweckt, ein Anti-Spionage-Abkommen stünde kurz vor dem Abschluss. Nach Offenlegung der Korrespondenz erkennen wir: Das war niemals der Fall. Generell empfehle ich der Kanzlerin, einen Sonderermittler einzusetzen, der völlig unabhängig und ohne politische Weisungen Licht ins Dunkle bringt. Wenn die Kanzlerin nicht für rückhaltlose Aufklärung sorgt, kann diese Affäre ein Ausmaß annehmen wie seinerzeit die Watergate-Affäre in den USA.

Frage: Kann die Kanzlerin Vertrauen zurückgewinnen, indem sie auch gegen den Willen der USA die Liste mit den US-Abhör-Selektoren den Bundestags-Kontrolleuren übergibt?

LINDNER: Diese Regierung ist nur deutschen Gesetzen unterworfen. Der BND darf kein Eigenleben entwickeln. Aber ein unabhängiger Sonderermittler könnte auch hier die Dinge vertraulich prüfen.

Wir werden rote Linien markieren

Frage: Welche Fehler würden Sie in einer neuen Koalition nicht noch einmal machen?

LINDNER: Wir werden unsere Prioritäten in Zukunft klar verfolgen und die roten Linien markieren. Wer zehn Jahre die Entbürokratisierung des Steuerrechts fordert, muss dann auch das entsprechende Ressort beanspruchen. Löst der Koalitionspartner sich dann von diesen Plänen, ist auch die Geschäftsgrundlage für eine Koalition entfallen. Das haben wir 2009 bis 2013 nicht richtig gemacht.

Frage: Sie würden für eine neue Koalition also das Finanzministerium zur Bedingung machen?

LINDNER: Ich werde jetzt nicht die Prioritäten für 2017 nennen, erst Recht keine Koalitionsverhandlungen führen. Aber im Rückblick muss ich sagen, dass ich als Generalsekretär geschwiegen habe, als die Bundeskanzlerin 2010 die Steuerreform absagte. Das passiert mir in meinem Leben kein zweites Mal. In einem solchen Fall wäre eine Koalition beendet.

Frage: Wie geht es weiter mit dem Euro-Land Griechenland?

LINDNER:Der Vorstoß der SPD für ein drittes Griechenland-Paket ist katastrophal falsch. Das ermutigt Ministerpräsident Tsipras ja geradezu, seine unfinanzierbaren Wahlversprechen von Europa bezahlen zu lassen. Das ist ein Konjunkturprogramm für alle Linkspopulisten in Europa, sich vom Reformpfad noch weiter zu entfernen. Das Gegenteil ist richtig: Statt jetzt über ein drittes Hilfspaket zu sprechen, müssen wir Athen klar machen, dass es ohne konkrete Reformzusagen auch keine weiteren Auszahlungen aus dem zweiten Hilfspaket geben kann. Ohne 180-Grad-Wende in der griechischen Politik verabschiedet sich das Land selbst aus dem Euro. Das wäre weniger gefährlich als das, was die SPD jetzt vorschlägt.

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