RUPPERT und POSCH fordern Infrastruktur als Staatsziel:
Berlin. FDP-Bundesvorstandsmitglied DR. STEFAN RUPPERT und der frühere hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister DIETER POSCH, Vorsitzender des Bundesfachausschusses Verkehr der FDP, schrieben für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Infrastruktur als Staatsziel!
So wie der Umweltschutz
Seit Jahrzehnten übertreffen die Einnahmen aus KfZ- und Mineralölsteuer die Investitionen in die deutsche Infrastruktur deutlich. Deutschland lebt auch hier von der Substanz. Es fehlt am politischen Willen, der Infrastruktur den erforderlichen Rang einzuräumen. Viel zu lange Planungsverfahren mit zum Teil grotesken Standards verhindern, verzögern und diskreditieren Infrastrukturprojekte ohne die ein wirtschaftsstarkes Land seinen Wohlstand nicht erhalten oder mehren kann. Keiner unserer Finanzminister hat jemals Verantwortung im Wirtschafts- oder Verkehrsministerium getragen. Während für Konsum und vermeintliche Gerechtigkeitspolitik ausreichend Geld vorhanden zu sein scheint, fallen Verkehrshaushalte meist mickrig aus. Wahlkreisabgeordnete wiederum achten naturgemäß vor allem auf die Ortsumgehung im Wahlkreis. Das Ergebnis können wir besichtigen: Investitionsstaus, unterlassene Instandhaltung und sinnvolle Vorhaben, die zu Lebzeiten der Planer nicht gebaut werden.
Verkehrs- und Infrastrukturpolitik werden immer noch nicht ausreichend als Voraussetzung und Teil einer aktiven Wirtschaftspolitik verstanden. Ohne eine leistungsfähige Infrastruktur steigt die größte Volkswirtschaft mittelfristig unweigerlich ab. Politische Modeworte wie Nachhaltigkeit haben dazu beigetragen, die Bedeutung der Infrastrukturpolitik in den Hintergrund treten zu lassen.
1994 wurde in Artikel 20 a GG der Umweltschutz als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen und hat Positives bewirkt. Auf dem Fuße folgten aber auch eine Vielzahl nationaler und insbesondere europäischer Umweltschutznormen, welche die Infrastrukturkosten zum einen in die Höhe schnellen ließen, zum anderen zu einer Überfrachtung der Genehmigungsverfahren mit umweltpolitischen Anforderungen und einer unüberschaubaren Bürokratie führten. Wenn der Baukilometer Autobahn am Beginn einer Planung mit 8 Millionen Euro veranschlagt wird und daraus 30 Millionen werden, wenn zwischen 25 und 30 Prozent der Investitionskosten heute reine Bürokratiekosten sind, dann sollte das Anlass zum Umdenken und zur Verfahrensvereinfachung sein. Dass im Vordergrund der politischen Diskussion nach wie vor der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen steht, ist richtig, aber wir müssen heute feststellen, dass sich dies zum Nachteil der Infrastrukturpolitik ausgewirkt hat. Erst langsam dringen massive Brückenschäden und Schlaglöcher ins Bewusstsein der Politik. Für manche Strecke braucht die Bahn länger als noch vor Jahrzehnten. Aber erwacht die Politik wirklich?
In der Frage der Maut hat sich die große Koalition selbst Fesseln angelegt. Entweder scheitern die Pläne an EU-Recht oder wachsen sich zum bürokratischen Monster aus, das sich finanziell vor allem selbst ernährt. Es wird aber entscheidend darauf ankommen, nicht nur zu konsumieren, sondern in Infrastruktur zu investieren.
Warum also nehmen wir die Sicherung der Infrastruktur nicht auch als Staatsziel in unser Grundgesetz auf? Warum verankern wir nicht in der Verfassung, dass der Staat die Infrastruktur des Landes als Grundvoraussetzung einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung angemessen sicherzustellen hat. Das schafft Chancen und sichert auch die Zukunft kommender Generationen. Vom staatlichen Konsum heute erben unsere Kinder nur immer neue Schulden. Ohne verfassungsrechtliche Fundierung wird diese politische Selbstverständlichkeit weiter missachtet. Staatsziele sind Verfassungsnormen mit rechtlich eher indirekter Bindung. Sie waren und sind deshalb nicht unumstritten. Die Diskussion um die Einführung des Staatsziels Umweltschutz zeigt jedoch, welche positive Wirkung die damalige Diskussion und die Aufnahme als Staatsziel bewirkt hat. Politische Parteien und gesellschaftliche Gruppen berufen sich darauf. Abwägungen in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfolgen im verfassungsrechtlichen Licht dieses Staatsziels. Eine ebensolche Diskussion und Verankerung benötigen wir, um der Infrastruktur einen gleichwertigen Stellenwert einzuräumen! Umwelt und Infrastruktur müssen keine Gegensätze sein. Das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“, die „Verwirklichung eines geeinten Europas“, die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung“ und der „Umweltschutz“ sind die bisherigen Staatsziele. Die Infrastruktur verdient ebenfalls Verfassungsrang!