RÖSLER-Interview für die "Rheinische Post"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Rheinischen Post" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte BIRGIT MARSCHALL:
Frage: Die Energiewende wurde vor zwei Jahren beschlossen. Wie viel Energiewende
haben wir bis heute schon geschafft?
RÖSLER: Wir sind gut im Zeitplan und arbeiten weiter mit Hochdruck daran. Der Umbau der Energieversorgung eines Industrielandes wie Deutschland geht aber nicht von heute auf morgen. Die Gesetzes‐ und Genehmigungsverfahren beanspruchen häufig viel Zeit. Wichtige Vorarbeiten haben wir dabei bereits umgesetzt. Nehmen Sie den Ausbau der neuen Stromnetze. Wir haben den Netzentwicklungsplan für Deutschland vorgelegt und ihn mit den Bürgern diskutiert. Auf dieser Basis haben wir den Bundesbedarfsplan beschlossen. Mit den Ländern ist vereinbart, dass der Bund die Planung für die großen,
grenzüberschreitenden Stromautobahnen übernimmt, um die Verfahren zu
beschleunigen. Und das alles ist innerhalb von eineinhalb Jahren gelungen.
Frage: Aber das sind ja nur Gesetze und Pläne, damit ist ja noch keine dieser sehr
umstrittenen Hochspannungsleitungen gebaut!
RÖSLER: Denken Sie etwa an den Bau von Straßen. Der dauert von der Planung bis zur Umsetzung in der Regel länger als ein paar Jahre. Beim Netzausbau hingegen ist es gelungen, diese Zeit von bisher zehn auf künftig vier Jahre zu verkürzen. Das ist ein großer Erfolg. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, die notwendigen 2800 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen bis 2022 zu bauen.
Frage: In der Klimapolitik wird Deutschland vorgeworfen, vom Antreiber zum Bremser
zu werden. Die von den Umweltministern mehrerer EU‐Länder geforderte Reduzierung der Verschmutzungszertifikate für die Industrie wird von Ihnen blockiert. Warum?
RÖSLER: In der Klimapolitik sind wir eindeutig Vorreiter. Wir haben in Europa das im Kyoto‐Protokoll vereinbarte CO2‐Reduktionsziel bereits erreicht: Die Treibhausgase sind gegenüber 1990 um 8 Prozent zurück gegangen. Deutschland hat bis heute seine Emissionen um 26 Prozent gemindert und damit Dreiviertel der europäischen Emissionsminderung geleistet. Der Emissionshandel stellt sicher, dass das EU‐weite Minderungsziel bis 2020 ebenfalls erreicht wird ‐ und das zu niedrigen Kosten. Deutschland hat sich sogar weitergehende Minderungsziele gesetzt, die bei anderen Staaten in diesem Umfang nicht zu sehen sind. Von einer Bremserfunktion kann also nicht die Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind gut beraten, dabei zu bleiben.
Wir dürfen nicht das Vertrauen und die Planungssicherheit für unsere Unternehmen erschüttern, indem wir jetzt politisch in ein funktionierendes Marktsystem eingreifen. Das würde am Ende viele Arbeitsplätze gefährden.
Frage: Sie waren gerade in Tschechien, das wie Deutschland eher industrielastig ist.
Wird Ihre Position von Tschechien gestützt?
RÖSLER: Auch in Tschechien, wie in vielen anderen europäischen Ländern, gibt es
unterschiedliche Auffassungen zwischen den beteiligten Ministerien. Eines muss jedoch klar sein: Die Staatsschuldenkrise in Europa hat ihre Spuren hinterlassen. Gerade jetzt kommt es darauf an, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken. Es hilft übrigens auch dem Klima nicht, wenn energieintensive Unternehmen mit ihren Arbeitsplätzen aufgrund gestiegener Energiekosten den Standort Europa verlassen, um dann außerhalb Europas völlig unkontrolliert noch mehr Treibhausgase auszustoßen. Das kann niemand wollen.
Frage: Die Bundesregierung sollte ehrgeizigere CO2‐Abbauziele der EU also blockieren?
RÖSLER: Die EU hat sich bereit erklärt, ihr Minderungsziel für 2020 auf ‐30 Prozent anzuheben, sofern die anderen großen Industriestaaten ähnliche Anstrengungen unternehmen. So kann auch vermieden werden, dass Emissionen lediglich in Staaten mit weniger anspruchsvollen Klimaanstrengungen verlagert werden.
Frage: Auch steigende Strompreise können die Wirtschaft schwächen. Was wollen Sie
gegen steigende Strompreise nach der Wahl tun?
RÖSLER: Wir brauchen eine grundlegende Reform des jetzigen Fördersystems für
erneuerbare Energien, denn das ist der Hauptkostentreiber. Die Vorschläge für eine Strompreisbremse waren ein erster guter Fortschritt. Die Umsetzung der Strompreisbremse ist bisher vor allem an den Grünen gescheitert, denn die Grünen haben notwendige Einschnitte bei der Ökostrombranche abgelehnt. Dabei ist es die üppige Vergütung der Ökostrombranche, die jeder mit der eigenen Stromrechnung bezahlt und die den Preis nach oben treibt. Damit ist klar: Die Grünen tragen die politische Verantwortung für hohe Strompreise.
Frage: Und wie soll die (grundlegende Reform) konkret aussehen?
RÖSLER: Im Endergebnis wollen wir aus dem jetzigen planwirtschaftlichen und
ineffizienten EEG‐Fördersystem der auf 20 Jahre garantierten Vergütungssätze
für Ökostrom heraus. Mit mehr Markt und Wettbewerb. Die FDP hat dazu Vorschläge gemacht. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss stärker mit dem Ausbau der Stromnetze verzahnt werden. Zudem muss die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stärker auf Nachfragesignale reagieren. Der Ökostrom sollte von den Produzenten direkt vermarkt werden. Ziel muss es sein, dass die Ökostromlieferanten einen größeren Anreiz bekommen, ihr Stromangebot stärker am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Wir wollen dahin kommen, dass etwa Solarstromanbieter nicht nur mittags
ihren Strom anbieten, wenn die Sonne besonders stark scheint. Mittelfristig müssen sich die erneuerbaren Energien gänzlich am Markt behaupten.
Frage: Was planen Sie nach der Wahl zur Steigerung der Energieeffizienz?
RÖSLER: Gerade im Gebäudebereich liegen hohe Einsparpotenziale. Ein Steuerbonus für Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, wie wir ihn geplant haben, bleibt auf der Tagesordnung. Es ist bedauerlich, dass Rot‐Grün dies bislang ablehnt.
Frage: Die USA haben große Erfolge mit der Förderung von Schiefergas, dem so
genannten Fracking. Die Gewichte auf den Energiemärkten haben sich daher bereits verschoben. Welche Wirkung hat das für die deutsche Energiewende?
RÖSLER: In den USA sinken die Energiepreise. Die Situation in Deutschland ist allerdings nicht mit der in den Vereinigten Staaten vergleichbar, auch weil die Vorkommen dort viel größer sind. Wir sollten uns auf den Umbau der Energieversorgung in Deutschland konzentrieren und das machen wir. Bezahlbarer Strom durch eine grundlegende Reform des EEG sowie der Ausbau der Netzstrukturen sind jetzt entscheidend.