RÖSLER-Interview für die "Augsburger Allgemeine"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte STEFAN STAHL: Frage: Herr Rösler, die harte Wahlkampfzeit mit vielen Terminen beginnt und Sie wirken entspannt wie lange nicht mehr, sind braun gebrannt. Woher rührt diese neue Gelassenheit? RÖSLER: Ganz einfach: Ich habe gerade mit meiner Frau und meinen Kindern im deutschen Ostseebad Boltenhagen zwei Wochen Urlaub gemacht. Es war wunderschön. Aber jetzt geht es wieder richtig los. Frage: Und was denken die Wähler im Strandkorb, etwa über die Tatsache, dass wir systematisch vom US-Geheimdienst ausspioniert werden? RÖSLER: Die Bürger im Strandkorb an der Ostsee, mit denen ich gesprochen habe, sehen das realistisch: Sie zeigten sich nicht überrascht, dass Geheimdienste abhören. Wir als FDP verlangen aber, dass dabei Recht und Gesetz gewahrt werden. Und wir setzen uns dafür ein, dass auf europäischer wie auch auf UN-Ebene die Privatsphäre der Menschen besser geschützt wird. Die Amerikaner definieren leider die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit anders, als wir Liberale das tun. Für uns heiligt der Zweck nicht alle Mittel. Frage: Wie empört sind Sie über das Verhalten der Amerikaner? RÖSLER: Ich halte nichts von der Empörungshaltung, die jetzt die Opposition an den Tag legt. Die ist gerade von Rot-Grün heuchlerisch und überzogen. Frage: Vielleicht gelingt es ja, Ihnen zumindest beim Thema Solidaritätszuschlag trotz der im Urlaub gewonnenen Gelassenheit ein wenig Empörung zu entlocken. Hat FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle recht, wenn er den Soli einen "Fremdkörper" nennt? RÖSLER: In unserem Steuer- und Abgabensystem ist der Solidaritätszuschlag ein Fremdkörper, wie Rainer Brüderle richtig sagt. Wann sollen wir beim Solidaritätszuschlag den Anfang aus dem Ausstieg wagen, wenn nicht jetzt in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen. Wir sollten den Soli auslaufen lassen. Es war ja auch von vorneherein klar: Es gibt für den Soli keine Ewigkeitsgarantie. Frage: Hier liegt ein handfester Konflikt in der Koalition vor. Kanzlerin Angela Merkel will am Soli festhalten. In ganz Deutschland seien dringend weitere Investitionen nötig. Wie wirkt sich das auf das Regierungsklima aus? RÖSLER: (lacht): Das gute Klima in der Koalition wird durch diese sachliche Debatte nicht berührt. Die FDP steht als einzige Partei in Deutschland dafür, dass Steuern nicht erhöht werden. Im Gegenteil. Wir erarbeiten uns gemeinsam Spielräume, und dann wollen wir die Menschen entlasten. Irgendwann muss man sich daran erinnern, wozu der Soli eingeführt wurde, nämlich vor allem dazu, die Deutsche Einheit mitzufinanzieren. Im Übrigen gibt es bereits mit dem Länderfinanzausgleich ein Instrument der Solidarität in Deutschland. Frage: Merkel will die Deutschen nach der Wahl mit finanziellen Wohltaten bedenken. Und Grüne und SPD träumen von Steuererhöhungen. Mit was will die FDP die Wähler beglücken? RÖSLER: Mit Haushaltskonsolidierung. Alles hat sich diesem Ziel unterzuordnen. Unsere Strategie lautet: Nach einem strukturell ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2014 wollen wir 2015 keine neuen Schulden machen und 2016 Überschüsse erzielen. Dann stellt sich die Frage, wie wir die Bürger zusätzlich entlasten können. Hier unterscheiden wir uns von unserem Koalitionspartner. Rot-Grün aber will die Steuern erhöhen, um damit die Schulden der anderen Staaten in der EU zu bezahlen. Das ist mit uns nicht zu machen. Frage: Damit der Bund Überschüsse erzielt, muss auch die Konjunktur mitspielen. Die Experten der Bundesbank zeigten sich zuletzt verhalten optimistisch. Kann Deutschland weiter der Krise trotzen? RÖSLER: Es geht weiter aufwärts. Für das kommende Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum von 1,6 Prozent. Die Finanzmärkte haben wieder mehr Vertrauen gewonnen. Und auch die Unternehmer bleiben zuversichtlich. Derzeit könnte die Wirtschaft aber noch besser laufen. Wir könnten bessere Wachstumszahlen haben, wenn die Firmen wegen der Krise im südeuropäischen Euro-Raum nicht viele Investitionen zurückhalten würden. Das liegt an der Ungewissheit. Dabei erhalten die Firmen dank historisch niedriger Zinsen günstige Kredite für Investitionen. Frage: Die EZB hat die Zinsen massiv nach unten geschraubt. Dennoch ist der Druck aus Ländern wie Frankreich groß, die Märkte mit noch mehr billigem Geld zu fluten. Wohin führt das? RÖSLER: Es gilt die Unabhängigkeit der EZB. Dessen ungeachtet halte ich eine Politik des immer billigeren Geldes für falsch. Leider ist Deutschland mit noch wenig verbliebenen Verbündeten die letzte Bastion einer konsequenten Stabilitätspolitik. Billiges Geld ist wie süßes Gift. Anstatt diese leichtfertige Politik zu verfolgen und Geld zu drucken, sollten wir lieber europaweit unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Frage: Und wie sieht es mit der Wettbewerbsfähigkeit der FDP aus, etwa auf dem harten liberalen Pflaster in Bayern? RÖSLER: Sie sehen uns vor der Landtagswahl optimistisch. Wir sind nicht ins Scheitern, sondern ins Gelingen verliebt. Mir ist um den Wiedereinzug der FDP in den bayerischen Landtag und um den Erhalt der Regierungsverantwortung nicht bange, gerade mit einem Spitzenkandidaten Martin Zeil.