03.08.2015FDPBürgerrechte

LINDNER-Interview: Straftatbestand Landesverrat bei Journalisten abschaffen

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Passauer Neuen Presse“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ.

Frage: Angela Merkel will offenbar noch einmal 2017 für das Kanzleramt kandidieren. Eine richtige Entscheidung? Oder verpasst sie am Ende wie Helmut Kohl den richtigen Zeitpunkt für einen selbstbestimmten Abgang?

LINDNER: Es war davon auszugehen, dass sie noch einmal antritt. Die Frage ist nur, zu welchem Zeitpunkt der nächsten Wahlperiode wird sie an wen ihr Amt abgeben. Ich wette, sie zieht sich Mitte der nächsten Legislatur zurück. Bei den nächsten Bundestagswahlen 2017 wird sie von der SPD nicht zu schlagen sein.

Frage: Die Union bewegt sich laut Meinungsumfragen in Richtung absolute Mehrheit. Da wird die FDP am Ende gar nicht mehr gebraucht, oder?

LINDNER: Abwarten! Jedenfalls wären zwei Optionen nicht gut für unser Land: Eine Große Koalition auf Dauer, die als vereinigte Sozialdemokratie regiert oder eine absolute Mehrheit, die zu Abgehobenheit führt. Wir brauchen einen lebendigen Parteienwettbewerb.

Frage: Es hagelt Kritik am Generalbundesanwalt, nachdem er ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen Landesverrates eingeleitet hatte. Jetzt werden Rücktrittsforderungen gegen Harald Range laut. Muss es Konsequenzen geben?

LINDNER: Ja, aber nicht einseitig bei Herrn Range. Er ist ja nicht aus eigener Initiative tätig geworden, sondern nach einer Anzeige von Herrn Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dieser hatte auch den abwegigen Tatbestand des Landesverrats überhaupt erst ins Spiel gebracht.

Frage: Das sagen Sie jetzt, weil Herr Range einst von der FDP ins Amt geholt worden war…

LINDNER: Nein, hier geht es nicht um Parteipolitik. Herr Range übt sein Amt unter Aufsicht des Justizministers Heiko Maas von der SPD aus. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat seine Behörde nicht im Griff. Sie wird ihren Aufgaben an vielen Stellen nicht gerecht. Man denke nur an die jahrelange Ausspähung der Bundesregierung und vieler Bürgerinnen und Bürger durch amerikanische und sonst welche Geheimdienste. Die Anzeige wegen Landesverrates ist ein brutal-plumpes Ablenkungsmanöver. Der Generalbundesanwalt hat allerdings verkannt, dass es hier völlig abwegig ist, gegen Journalisten wegen des Verdachts auf Landesverrat zu ermitteln. Dieser Straftatbestand sollte bei Journalisten abgeschafft werden. Gut, dass er die Ermittlungen ruhen lässt. Er sollte sie ganz einstellen.

Frage: Und danach zurücktreten?

LINDNER: An der Spitze beider Behörden muss es einen Neustart geben, weil zu viel Vertrauen verloren gegangen ist. Der Verfassungsschutz hat zudem nicht erst in diesem Fall bei der Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte keine gute Figur gemacht. Die Bundesregierung will jetzt von ihrer unverständlich weichen Linie gegenüber der NSA ablenken, indem sie besonders hart gegen diejenigen vorgeht, die hier Licht ins Dunkel bringen wollen. Nicht Journalisten, die über Ausspähung berichten, sollten das Ziel der Ermittler sein, sondern die fremden Nachrichtendienste. Bundesinnenminister de Maizière muss klarmachen, dass er Grundrechte schützen und nicht aushöhlen will.

Frage: Aber als geheim eingestufte Papiere dürfen nicht einfach ohne Folgen veröffentlicht werden, oder?

LINDNER: Natürlich darf das nicht passieren. Das ist aber kein Problem der Journalisten von netzpolitik.org. Es ist ein Zeichen, dass Herr Maaßen teilweise die Kontrolle über seine Schlapphüte verloren hat. Da gibt es Durchstechereien, das Amt ist durchlässig wie ein Sieb. Herr Maaßen markiert jetzt den starken Mann, weil er von den eigenen Versäumnissen ablenken und einschüchtern will. Da versucht sich jemand aus der Verantwortung zu stehlen.

Frage: Thema Griechenland: Der Internationale Währungsfonds will sich nicht an einem dritten Hilfspaket beteiligen. Fehlen jetzt die Voraussetzungen für die Verhandlungen mit Athen?

LINDNER: Ja, jetzt zeigt sich, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels keinen Bestand haben. Frau Merkel ist mit ihrer Strategie gescheitert. Ehrlicher und besser für Griechenland und Europa wäre das Angebot eines Schuldenschnitts, allerdings dann außerhalb des Euro, aber weiter innerhalb der EU mit den nötigen Strukturhilfen. Das wäre ein besseres Paket als die Fortsetzung der Hängepartie und der Mauschelei.

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