15.06.2014FDPFDP

LINDNER-Interview für die „B.Z. am Sonntag“ und „bz-berlin.de“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „B.Z. am Sonntag“ (heutige Ausgabe) und „bz-berlin.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte ULRIKE RUPPEL:

Frage: Herr Lindner, warum geht es für die FDP nicht voran?

LINDNER: Es braucht seine Zeit, die FDP wieder spannend und attraktiv zu machen. Wir stehen am Anfang. Viele Menschen teilen zwar viele unsere Positionen, glauben aber noch nicht wieder an die Liberalen als Partei. Darüber denken wir nach.

Frage: Wie frustriert sind Sie?

LINDNER: Gar nicht. Mir macht die Pionierarbeit sogar Freude. Dass es schwierig wird, habe ich allen im Dezember gesagt. Die Selbstdenker und Selbermacher sollen sich aber bald wieder bei uns zu Hause fühlen. Zumindest eine Partei muss auf Eigenverantwortung und Marktvertrauen setzen. Klaus Wowereit zeigt doch jeden Tag, dass der Staat eben nicht besser als der Markt ist.

Frage: Warum wird die FDP offenkundig nicht vermisst?

LINDNER: Die FDP ist aus dem Parlament raus, aber was wir erreicht haben, ist noch da. Ich denke insbesondere an Wachstum und volle Staatskassen. Die haben mit Sparsamkeit und wirtschaftlicher Freiheit zu tun. Die große Koalition geht damit nicht gut um, wenn sie das Geld jetzt verprasst. Stattdessen sollte man die Stärke nutzen, um mehr für Bildung und Infrastruktur zu tun und um den Facharbeitern ihren Anteil am Aufschwung durch Entlastung zu geben.

Frage: Muss es Deutschland erst schlecht gehen, damit es der FDP wieder gut geht?

LINDNER: Das meine ich damit nicht. Aber es muss eine Partei geben, die auf Maß und Mitte achtet. Eine Partei, die Vertrauen in die Menschen setzt, statt immer nur nach dem Staat zu rufen.

Frage: Auch die AfD gibt sich marktliberal.

LINDNER: Die AfD ist eine Projektionsfläche, wie es zweitweise auch die Piraten waren. Mit Sicherheit ist sie keine liberale Partei. Liberalität heißt: solide Finanzen, Haftung in der Wirtschaft – aber auch Freiheit von Vorurteilen und Ja zu einer offenen und toleranten Gesellschaft. Das erkenne ich bei der AfD nicht.

Frage: Die Grünen bieten sich als neue Liberale an.

LINDNER: Worte und Taten fallen da weit auseinander: Manche Grüne parlieren über Freiheit, in Hessen war die erste Tat von Schwarz-Grün den Familien, die sich eine eigene Wohnung auf Kredit kaufen wollen, die Steuern zu erhöhen. Wer sich mit Fleiß etwas aufbauen will, der sollte unterstützt werden. Die werfen denen Knüppel zwischen die Beine. Das liberale Gerede der Grünen ist ein Marketing-Gag, um das Image der Verbots- und Abkassierpartei abzustreifen.

Frage: Mit welchen Themen streben Sie in die Offensive?

LINDNER: Der Blick auf die monatliche Stromrechnung macht die Energiepolitik zu einem wichtigen Thema. Wirtschaftsminister Gabriel selbst weist ja auf die hohen Strompreise hin. Aber seine Schmalspurreform ändert nichts an dem Problem. Ich fordere daher: So schnell wie möglich weg mit dem EEG und den neuen Dauersubventionen! Dazu als Sofortmaßnahme die Stromsteuer senken, damit Energie für alle bezahlbar bleibt. Und wir müssen weg von der einseitigen Orientierung auf den Klimaschutz. Die Bezahlbarkeit der Energie und die Sicherung der Versorgung sind genauso wichtig.

Frage: Also weniger Klimaschutz?

LINDNER: Klimaschutz ist ja inzwischen fast zu einer Religion geworden. Dabei hat der Weltklimabericht gerade belegt, dass die deutsche Klimapolitik mehr schadet als hilft, weil die hohen Subventionen neue Ideen ausbremsen. Mehr Wettbewerb wäre die Lösung für neue Technologien und niedrigere Preise. Warum kann ich im Internet ein Buch aus den Niederlanden bestellen, aber nicht günstigen Strom aus Finnland bestellen? Ein europäischer Binnenmarkt für Energie würde die Strompreise zum Purzeln bringen – durch Wettbewerb statt Subventionen. Das ist eine marktwirtschaftliche Energiepolitik, die keine andere deutsche Partei vertritt.

Frage: Und sonst?

LINDNER: Wir wollen faire Bildungschancen, aber nicht zulasten der Qualität. In Berlin wird ja das Gegenteil gemacht: Die Hürden werden niedriger gestellt, damit jeder drüber kommt. Es hilft doch den schwächeren Schülern selbst am wenigsten, wenn man sie zum Abi trägt. Außerdem stehen wir für solide öffentliche Finanzen – im Staatshaushalt und beim Rentensystem. Ich gönne jedem seine Rente, der hart gearbeitet hat. Aber das gleiche Recht haben auch die heute Jüngeren, wenn sie einmal älter werden. Deshalb muss die Rentenpolitik auch 2040 noch funktionieren. Die große Koalition sagt ja selbst, dass wegen ihrer Politik die Kassen 2017 leer sind.

Frage: Wundern Sie sich über Ihren Ex-Koalitionspartner, der alles abnickt?

LINDNER: Natürlich wundert es mich, dass die Union inzwischen die gesamte SPD-Politik widerstandslos mit umsetzt. Aber wahrscheinlich wundern sich darüber noch viel mehr die zwei Millionen Wähler, die von der FDP zur Union gegangen sind und jetzt dort mit Mindestlohn, Frauenquote und Rente mit 63 aufwachen.

Frage: In der Union gibt es jetzt lautstarken Widerstand gegen den Mindestlohn. Glauben Sie, dass sich die Union bei den Ausnahmen zum Mindestlohn durchsetzt?

LINDNER: Hunde, die bellen, beißen ja bekanntlich nicht. Auch beim Rentenpaket haben die Wirtschaftspolitiker lautstark protestiert, aber am Ende kleinlaut zugestimmt. Das wird beim Mindestlohn nicht anders sein. Der Hausfrieden in der Union ist wohl leider wichtiger als der marktwirtschaftliche Kompass. Das Kapitel Wirtschaftspolitik im Koalitionsvertrag wurde mit der roten Tinte der SPD geschrieben.

Frage: Wann haben Sie das letzte Mal Philipp Rösler gesehen?

LINDNER: Auf unserem Bundesparteitag.

Frage: Und gesprochen?

LINDNER: Auf unserem Bundesparteitag.

Frage: Haben Sie noch Kontakt?

LINDNER: Ja, zuletzt auf unserem Bundesparteitag.

Frage: Wie hat sich Ihre einstmalige Freundschaft entwickelt?

LINDNER: Es freut mich für Philipp Rösler, dass er eine neue Aufgabe in der Schweiz gefunden hat. Für die wünsche ich ihm Fortune.

Frage: Ihr neuer Vize Wolfgang Kubicki ist sehr präsent. Keine Angst, dass er Ihnen die Schau stiehlt?

LINDNER: Ich bin froh, dass ich Wolfgang Kubicki habe! Er strahlt persönliche Unabhängigkeit aus, und verkörpert so das FDP-Lebensgefühl: die Freiheit im Urteil, Freude, Humor.

Frage: Wie ernst ist die finanzielle Lage der FDP?

LINDNER: Unsere Finanzen sind nicht üppig, aber stabil. Wir machen jetzt genau das, was wir ansonsten dem Staat verordnen: Mit weniger Geld wirksamer arbeiten. Wir haben zwar die Belegschaft verkleinert, aber in Absprache mit unserem Betriebsrat und ohne soziale Härten.

Frage: Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen?

LINDNER: Seit der Bundestagswahl sind mehr als 4.000 Bürgerinnen und Bürger bei uns neu eingetreten. Sie alle sind der Meinung, dass es eine Stimme für Marktwirtschaft und Bürgerrechte braucht. Und wir alle gemeinsam kämpfen für den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag.

Frage: Verfolgen Sie die Fußball-WM?

LINDNER: Ich begeistere mich ja sonst eher für Motorsport. Aber zu WM-Zeiten wächst natürlich auch mein Fußball-Interesse. Das Eröffnungsspiel habe ich mit einem halben Dutzend Freunden bei mir zu Hause geschaut. Mit Bier aus der mit Eis gefüllten Badewanne.

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