04.01.2014FDP

LINDNER-Interview für das „Offenburger Tageblatt“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab dem „Offenburger Tageblatt“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Christoph Rigling:

Frage: Herr Lindner, liberale Politiker sind doch optimistisch, oder?

Lindner: Das ist unser Menschenbild. Wir trauen den Menschen etwas zu und glauben an den Fortschritt. Ja, Liberale sind optimistisch.

Frage: Fehlt es an Optimismus?

Lindner: An Gestaltungswillen. Die Zukunft wird bestimmt sein von der Alterung der Gesellschaft, einem Fachkräftemangel und den digitalen Medien. Die Große Koalition und die linksgrüne Opposition haben darauf nur defensive Antworten parat – also Rente mit 63, Vorratsdatenspeicherung, Mindestlohn. Was fehlt sind offensive Antworten wie Schuldenabbau, Datenschutz, Entlastung junger Menschen und qualifizierte Zuwanderung, um die Zukunft zu gestalten.

Frage: Braucht es also die FDP als Gegenpol zu den Nörglern und Schlechtrednern?

Lindner: Ich will es so sagen: Die FDP wird wieder als seriöse Reformpartei gebraucht. Wir sind in der Vergangenheit nicht immer den eigenen Maßstäben gerecht geworden. Aber auch bei aller Unvollkommenheit ist es schon richtig zu sagen: bei dieser Großen Koalition und einer sozialistisch-ökologisch geprägten Opposition, fehlt die Stimme der FDP für Marktwirtschaft und Bürgerrechte.

Frage: Die Wähler haben das jetzt eben anders gesehen. Herr Lindner, Sie sind der Meinung, Ihre Partei müsse vom Fundament auf neu aufgebaut werden. Konnten Sie schon einige Steine bei diesem Bauvorhaben setzen?

Lindner: Der Bundesparteitag Anfang Dezember war der erste Schritt. Wir haben uns der Niederlage gestellt. Und jetzt ist auch die Selbstachtung wieder zurück. Wir haben uns völlig neu aufgestellt – auch im Team. Jetzt müssen wir wieder thematisch Akzente setzen, wie es sich für eine liberale Partei gehört.

Frage: An was denken Sie da?

Lindner: Handwerker und Mittelständler erwarten von uns, dass wir sie vor zu viel staatlicher Bürokratie und finanzieller Überforderung beschützen. Aber genauso erwarten diese Menschen zu Recht, dass die FDP in der Tradition von Ludwig Erhard die Regeln des marktwirtschaftlichen Spiels durchsetzt und beispielsweise Banken diszipliniert, die bei Zinsen- und Devisenkursen zum Schaden von Millionen Kunden manipuliert haben. Beides gehört zusammen: den Staat begrenzen und dort, wo man ihn braucht, zur Durchsetzung verhelfen.

Frage: Das haben Ihre Vorgänger so auch erzählt. Was ist zu kurz gekommen?

Lindner: Wir haben in der Vergangenheit mehr versucht, den Staat aus dem Markt zu drängen. Doch der Staat ist auch ein Instrument zur Ordnung der Märkte. Der Fleißige soll belohnt werden, nicht der Findige. Das gehört zur Tradition Erhards und Otto Graf Lambsdorffs. Die will ich wieder aufleben lassen.

Frage: Sind Parteien austauschbarer geworden?

Lindner: Die CDU hat sich in einem atemberaubenden Tempo von der Politik der vergangenen vier Jahre verabschiedet, so gesehen also ja.

Frage: Ich denke da jetzt an Hessen, dort koalieren sogar CDU und Grüne miteinander. Früher hätten die sich eher Gift ins Essen gemischt als zusammenzuarbeiten. Wie kommt so ein Wandel?

Lindner: Das müssen Sie die beiden Parteien fragen. Man muss natürlich abwarten, wie die Koalition arbeitet. Ich habe aber mit Sorgen gesehen, dass Schwarz-Grün die Grunderwerbssteuer in Hessen um ein Prozent-Punkt erhöhen möchte. Das trifft vor allem junge Familien, die sich Eigentum schaffen wollen. Die müssen jetzt zwei bis drei komplette Monatseinkommen mehr an Steuern zahlen. Ich finde, wer sich mit Fleiß und Sparsamkeit etwas aufbauen will, der hätte eher Unterstützung verdient.

Frage: Die Steuererleichterung für Hoteliers haftet der FDP ja wie Pech an. Ich habe Sie schon richtig verstanden, dass Sie nicht für Klientelpolitik zu haben sind?

Lindner: Ja. Die FDP will sich für Menschen einsetzen, die im Leben Vorwärtskommen wollen. Ich habe schon 2010 gesagt, dass man den Mehrwertsteuersatz für Hotels nicht ohne Gesamtreform hätte verändern dürfen. Allerdings hat die SPD vier Jahre lange dagegen polemisiert, um es jetzt in der Großen Koalition dabei zu belassen. Es scheint in der Sache eben doch etwas dafür zu sprechen.

Frage: Das Drei-Königs-Treffen in Stuttgart war einst ein Hochamt der Liberalen. Die FDP-Südwest hat sich auch gehäutet. Aber die CDU liebäugelt mit den Grünen. Ist die FDP so uninteressant geworden?

Lindner: Das müssen Sie die CDU fragen. Ich sehe das mit Gelassenheit. Ich finde, dass Lakritz und Spinat nicht gut zusammenpassen. Mal sehen, wie das den Bürgern so schmeckt.

Frage: Die frühere Nibelungentreue der FDP zur Union wird es mit Ihnen nicht geben, oder?

Lindner: Die FDP ist so eigenständig und unabhängig wie nie zu vor in ihrer Geschichte. Wenn die Gewerkschaft IGBCE Technologiefreundlichkeit kritisiert, hat sie unsere Unterstützung. Will ein Wirtschaftsverband Privilegien zulasten der Verbraucher, widerspricht die Partei der Marktwirtschaft. Wir sind nicht für einzelne Gruppen oder gar eine andere Partei da.

Frage: Welche Partei ist ihr Hauptkonkurrent bei den Europa- und Landtagswahlen?

Lindner: Wir werben um alle liberaldenkenden Menschen, unabhängig davon, wen sie vorher gewählt haben. Wir glauben, dass es eine Partei geben muss, die zuerst für die Eigenverantwortung der Bürger einsteht. Danach kann nach dem Staat gerufen werden. So sieht die liberale FDP aus. Und wie wichtig die ist, zeigt die aktuelle Situation: Große Koalition und Opposition wollen mehr Staat. Die FDP ist die wirkliche Opposition, momentan außerhalb des Parlamentes.

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