LINDNER: Deutschland muss Schutzverantwortung übernehmen - Waffen lösen das Problem nicht
Berlin. Zu den deutschen Waffenlieferungen in den Irak erklärte der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER vor Journalisten:
„Die Weltgemeinschaft darf nicht erlauben, dass es ein zweites Srebrenica oder Ruanda gibt. Es wäre zivilisatorisches Versagen, wenn wir tatenlos zusähen, wie im Irak Menschen zu tausenden ihr Leben verlieren könnten, weil es keine schützenden staatlich Strukturen mehr gibt. Die damalige Entscheidung der auch von der FDP mitgetragenen Bundesregierung, sich beim Libyen-Einsatz im Weltsicherheitsrat zu enthalten, war falsch. Wir dürfen nicht an der Seitenlinie stehen, sondern wir müssen die Schutzverantwortung auf internationaler Ebene wahrnehmen, damit es eben nicht zu einem Zivilisationsversagen kommt.
Aber der Weg der heutigen Bundesregierung, tödliche Waffen in den Irak zu liefern, ist falsch. Denn niemand weiß, in wessen Hände diese Waffen geraten könnten und gegen wen sie irgendwann gerichtet werden. Das ist der Versuch der Bundesregierung, jetzt Waffen zu liefern, damit man morgen nicht gefragt wird, ob man sich auch beteiligt an internationalen Einsätzen im Nordirak. Diese Taktik ist hochgefährlich – und sie wird nicht aufgehen.
Aus unserer Sicht wäre notwendig, in einem internationalen Format – insbesondere also im Format der Vereinten Nationen – über international koordiniertes Vorgehen im Nordirak zu sprechen. IS ist mit Entschlossenheit militärisch zurückzudrängen – etwa durch Luftschläge nach dem Vorbild des Einsatzes in Libyen. Das was jetzt passiert, löst das Problem nicht, sondern schon in wenigen Wochen oder Monaten könnten die Probleme und Bedrohungen größer sein, als sie es heute sind. Und das wollen wir nicht hinnehmen. Deshalb halten wir diese politische Positionierung der Großen Koalition für falsch. Das ist kein Radikalpazifismus à la Gregor Gysi, sondern die Forderung, dass Deutschland wirkliche Schutzverantwortung übernimmt.
Dass entscheidende Veränderungen der außenpolitischen Linie unseres Landes erst nach langem Zögern von der Bundeskanzlerin eingeordnet werden, halte ich für besonders bemerkenswert. Eine solche Verschiebung außenpolitischer Strategien müsste eigentlich Gegenstand einer umfänglichen Debatte in Deutschland sein – nicht nur einer Aussprache zu einer Regierungserklärung. Man würde gerne wissen, was eigentlich die langfristigen Interessen und Werte deutscher Außenpolitik sind, die nicht situativ entschieden werden können. Wir fragen uns, welche Konzeption dahinter steht. Das ist unterblieben – Interviews von Frau von der Leyen und Fotografien in Top-Gun-Pose reichen nicht.“