LAMBSDORFF: Syriza präsentiert alten Wein in neuen Schläuchen
Berlin. Zum Sondertreffen der Eurogruppe und dem EU-Gipfel erklärt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF:
„Beim EU-Gipfel wird sich zeigen, ob Alexis Tsipras es mit der Zusammenarbeit ernst meint. Seine Rede vor dem griechischen Parlament lässt nichts Gutes erahnen. Das ist das Syriza-Paradox: Was vordergründig wie eine Revolution daherkommt – ein Finanzminister auf dem Motorrad und ein Premier ohne Krawatte – ist in Wahrheit alter Wein in neuen Schläuchen.
Syriza steht für die Fortsetzung des alten Systems aus Klientelismus, Ineffizienz und Verschwendung. Die Partei ist dabei ihr Volk einmal mehr durch süße Geschenke zu korrumpieren, genau, wie es frühere griechische Regierungen getan haben. Statt einen Neuanfang mit Wirtschaftsreformen und soliden öffentlichen Finanzen zu wagen, verschreibt Tsipras dem griechischen Patienten heute exakt dieselben Rezepte, die früher Pasok und Nea Demokratia angewendet haben: Aufblähung des öffentlichen Dienstes, Dauerbeatmung ineffizienter öffentlicher Betriebe und Verteilung sozialer Wohltaten trotz leerer Kassen.
Doch ohne weitere Strukturreformen und neue Investitionen wird Griechenland der kranke Mann Europas bleiben. Die ökonomische Gesundung Griechenlands gelingt nicht durch bloße Umverteilung. Unter anderem deshalb lehnen wir einen Schuldenschnitt ab, da dieser an der aktuellen Lage Griechenlands nichts ändern würde. Die Gläubiger sind den Griechen bei Zinssätzen und Rückzahlungsfristen bereits so weit entgegen gekommen, dass der Schuldendienst heute keine große Belastung für den griechischen Haushalt darstellt.
Es gibt keinen Grund für die anderen Mitglieder der Eurozone, Athen auf diesem nur scheinbar neuen Weg ein weiteres Mal zu begleiten. Wenn Tsipras mit der Eins-zu-eins-Umsetzung seiner Wahlversprechen ernst macht, schlägt er den Partnern die Tür zu – nicht umgekehrt. Die Euro-Länder haben mit Griechenland geltende Verträge, die Hilfe gegen Reformen vorsehen. Die FDP steht zu diesen Verträgen. Aber Verträge sind einzuhalten, und zwar von beiden Seiten. Dazu ist Griechenland aufgefordert. Die Freien Demokraten werden darauf bestehen, dass hier weder EU-Kommission noch Bundesregierung anfangen zu wackeln.
Dass Tsipras in seiner Rede zudem Reparationszahlungen von Deutschland gefordert hat, macht ihn nicht nur finanz-, sondern auch europapolitisch zu einem Geisterfahrer. Europa hat nach dem Zweiten Weltkrieg die mit den Kriegsfolgen zusammenhängenden zwischenstaatlichen Fragen sämtlich geregelt, zuletzt und abschließend mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag. Statt Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, sollte die neue griechische Regierung lieber den Kampf um die Zukunft aufnehmen.“