LAMBSDORFF-Interview: Reformdruck auf Krisenländer könnte sinken
Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab der „Nordwest-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RASMUS BUCHSTEINER:
Frage: Die Europäische Zentralbank flutet die Märkte mit Geld. Ist Deutschland der große Verlierer?
LAMBSDORFF: Das wäre dann der Fall, wenn ein Mitglied der Eurozone zahlungsunfähig würde. Diese Gefahr besteht außer bei Griechenland aber sonst nicht. Das Risiko ist ein anderes: Durch das EZB-Programm könnte der politische Druck, zu konsolidieren und die Sozialsysteme zu reformieren, in allen Krisenländern sinken. Für die FDP sind solche Reformen aber untrennbar mit den Stabilisierungsmaßnahmen verbunden.
Frage: Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist bei der Entscheidung überstimmt worden. Kann man hinnehmen, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft nur eine Stimme hat?
LAMBSDORFF: Das ist die Lieblingsdebatte von Peter Gauweiler, aber da liegt er völlig falsch. Denn wenn im EZB-Rat nach Kapitalanteilen abgestimmt würde, wäre die Mehrheit der Südländer geradezu festgemauert. Davor kann ich nur warnen. Wir dürfen nicht vergessen, dass mit Frankreich, Spanien und Italien drei große Volkswirtschaften eher für einen weichen Euro stehen. Die jetzigen Stimmrechte geben uns viel öfter die Möglichkeit, zusammen mit kleineren Ländern wie Finnland und Österreich entscheidend Einfluss zu nehmen.
Frage: Könnte sich die EZB-Entscheidung am Ende doch positiv auswirken?
LAMBSDORFF: Ausgeschlossen ist das nicht. Das Programm soll ja dazu führen, dass wieder mehr Kredite an Investoren ausgereicht werden. Ich fürchte nur, dass das solange nicht passiert, wie es nicht zu marktwirtschaftlichen Reformen auf den Dienstleistungs-, Güter- und Arbeitsmärkten in Europa kommt, vor allem in Frankreich und Italien. Niemand wird ohne die Erwartung einer Rendite investieren. Liquidität ist bereits jetzt genügend da.
Frage: Am Sonntag wird in Griechenland gewählt: Die Linkspartei scheint vorne zu liegen. Schon droht Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem mit einem Ende der Unterstützung für Athen…
LAMBSDORFF: Jetzt lassen wir die Griechen erst einmal wählen, wie sich das in einer Demokratie gehört. Auch Syriza-Chef Alexis Tsipras sagt ja, dass er nicht aus dem Euro raus möchte. Und man darf nicht alles, was im Wahlkampf gesagt wird, auf die Goldwaage legen.