KUBICKI-Interview: Grexit auf Zeit wäre vernünftig
Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS KRÖTER:
Frage: Herr Kubicki, das griechische Parlament hat dem neuen Hilfspaket zugestimmt. Vorausgesetzt die FDP wäre im Bundestag – wie würden Sie entscheiden?
KUBICKI: Mit großer Wahrscheinlichkeit mit Nein. Denn die Voraussetzungen für eine Hilfe fehlen. Wir bewegen uns im Bereich politischer Hoffnungen, was die Fähigkeit Griechenlands zu Strukturreformen betrifft. Außerdem ist die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds nicht sichergestellt.
Frage: Aber Griechenland muss doch Schulden bedienen, was ohne die Hilfe nicht möglich ist.
KUBICKI: Das ist bedauerlicherweise so. Trotzdem bleibt die Frage entscheidend, ob wir Griechenland ohne Reformen helfen. Wenn es weiterhin keine funktionierende Steuerverwaltung gibt, wenn es keine vernünftige Justiz und Verwaltung gibt, dann verlängern weitere Kredite nur das Sterben der griechischen Wirtschaft und vergrößern die Probleme Europas.
Frage: Ihre Position würde das Ende einer Regierung mit Angela Merkel bedeuten.
KUBICKI: Es geht doch nicht um Angela Merkel oder ob eine bestimmte Regierungskoalition richtig ist oder nicht. Es geht darum: Halten wir uns an unsere eigenen Regeln? Wie sollen die Menschen noch Vertrauen in die Institutionen der Europäischen Union entwickeln, wenn kein Vertrag mehr eingehalten wird?
Frage: Höre ich richtig: Ich spreche nicht mit Bernd Lucke, sondern mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der FDP ...
KUBICKI: Bernd Lucke ist antieuropäisch eingestellt. Ich bin ein Proeuropäer. Ich fürchte nur, dass der europäische Gedanke Schaden leidet, wenn wir uns an unsere eigenen Regeln nicht mehr halten. Voraussetzung für Solidarität ist doch, dass der Empfänger sich selbst solidarisch verhält. Dieses Gefühl vermittelt Griechenland seinen Partnern nicht.
Frage: Diese Haltung wäre Ihnen wichtiger als eine Regierungsbeteiligung mit der Union?
KUBICKI: Die Menschen haben einen Anspruch darauf, politische Entscheidungsträger an ihren eigenen Aussagen zu messen. Die Bundeskanzlerin hat klare Bedingungen für eine weitere Hilfe gestellt. Die darf man nun nicht aufweichen. Sonst verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die eigene politische Führung. Wolfgang Schäuble hat einmal ein zeitweises Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro ins Gespräch gebracht. Ich war von dieser Idee anfangs nicht begeistert. Mittlerweile glaube ich: Das wäre wirtschaftlich die einzig vernünftige Lösung. Dabei müssen wir aber klar machen, dass wir so mit den Regierungen umgehen. Den Menschen in Griechenland wollen wir helfen.
Frage: Das hieße aber auch Geld für humanitäre Hilfe, wenn der griechische Staat pleite ist.
KUBICKI: Die ist doch sowieso fällig. Wenn wir uns anschauen, welche Flüchtlingsströme auf Griechenland zukommen, dann hat eine solche Hilfe mit der Eurofrage nicht einmal etwas zu tun. Aber dennoch muss klar bleiben: Ohne durchgreifende Reformen kann Griechenland keine weitere Hilfe bekommen, um in der Eurozone zu bleiben.