03.09.2013FDP

KUBICKI-Interview für das "Hamburger Abendblatt"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied WOLFGANG KUBICKI gab dem "Hamburger Abendblatt" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MATTHIAS POPIEN:

Frage: Herr Kubicki, die Presse hat für Sie den hübschen Titel "Orakel von der Förde" erfunden. Orakeln Sie doch mal: Wie viel Prozent bekommt die FDP bei der Bundestagswahl am 22. September?

KUBICKI: Bundesweit zwischen acht und neun Prozent, in Schleswig-Holstein wird es zweistellig.

Frage: Wird es dann erneut eine schwarz-gelbe Koalition geben?

KUBICKI: Davon bin ich vor einem Jahr schon ausgegangen. Das zeichnet sich jetzt auch in allen Umfragen so ab. Die schwarz-gelbe Koalition wird zwischen 47 und 48 Prozent der Stimmen bekommen, und das wird jedenfalls mehr sein, als rot-rot-grün auf die Waage bringt.

Frage: Und das würde für Sie persönlich bedeuten ...

KUBICKI: ... dass ich als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag einziehen werde. Wie sehr ich sicher bin, dass das passieren wird, können Sie daran sehen, dass ich bereits eine Wohnung in Berlin für die Zeit nach dem 22. September anmiete.

Frage: In Schleswig-Holstein sind Sie schon seit Jahrzehnten so etwas wie der unumschränkte Herrscher der FDP. Was wollen Sie dann in Berlin? Dort Fraktionsvorsitzender zu werden, sei ziemlich unwahrscheinlich, haben Sie gesagt. Wollen Sie also in Berlin die zweite Geige spielen? Können Sie das überhaupt?

KUBICKI: Ich habe noch nirgendwo die zweite Geige gespielt, sondern immer nur meine eigene Geige. Ich bin auch nicht der unumschränkte Herrscher der FDP in Schleswig-Holstein. Ich bin nur sehr lange schon im Parlament, 21 Jahre, und führe seitdem - bis auf eine kurze Pause - auch die Fraktion. Ich mache mir momentan noch keine Gedanken darüber, was ich nach dem 22.9. in Berlin an Funktionen anstrebe.

Frage: Vorletzte Woche haben Sie im Kieler Landtag einen ihrer letzten Auftritte als Debattenredner gehabt. Freut Sie das, oder gehen Sie mit Wehmut?

KUBICKI: Ich werde nach Einzug in den Bundestag meine letzte Rede im Landtag am 20. November halten und mit Ablauf dieses Tages mein Mandat im schleswig-holsteinischen Landtag zurückgeben. Wehmut beschleicht mich momentan noch nicht. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass es eine richtige Entscheidung war, mein politisches Betätigungsfeld in den Bundestag zu verlagern.

Frage: Mit Ralf Stegner, dem SPD-Fraktionschef, haben Sie sich im Landtag hörenswerte Rededuelle geliefert. Gibt es im Bundestag einen Stegner-Ersatz?

KUBICKI: Den gibt es reichlich. Ich bin mir sicher, dass Sigmar Gabriel und ich uns aneinander reiben werden. Gregor Gysi und ich: Darauf freue ich mich riesig. Aber das ist eine andere Qualität als Ralf Stegner. Der ist so unlustig.

Frage: Ist das Klima im Bundestag anders als im Kieler Landtag?

KUBICKI: Das Klima ist schon anders als hier. Ich möchte meinen Kollegen im Landtag nicht ihre Fähigkeiten absprechen, aber das Debattenniveau im Bundestag ist vergleichsweise höher.

Frage: 2002 waren Sie schon einmal für zwei Monate im Bundestag. Da hat es dann nicht so richtig geklappt, und Sie sind wieder nach Schleswig-Holstein zurückgegangen. Erfüllen Sie sich jetzt einen Traum, wenn Sie es noch einmal versuchen?

KUBICKI: Ich weiß nicht, woher Sie den Ansatz nehmen, es hätte damals nicht geklappt. Ich bin damals in den Bundestag gewählt worden und hätte da auch bleiben können. Aber dann ist mit dem Fall Möllemann etwas passiert, das mein Leben dramatisch beeinträchtigt hat. Abgesehen davon ging es auch darum, die schleswig-holsteinische FDP zu stabilisieren. Diesmal steht aber fest, dass ich für die volle Legislaturperiode in Berlin bleiben werde.

Frage: Haben Sie denn diesmal den Eindruck, in Berlin etwas bewirken zu können?

KUBICKI: Ich bin im März gegen den Widerstand eines Teils der Parteiführung ins Präsidium der FDP gewählt worden. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die aufgrund von Wahlentscheidungen der Parteibasis die Geschicke der Partei mitbestimmen. Ich stelle fest, dass aufgrund dieser Tatsache, aufgrund meiner überzeugenden Argumente und aufgrund meiner mir eigenen Medienscheu meine Parteifreunde meiner Meinung mehr Gewicht geben als früher. Das wird sich hoffentlich in den kommenden Monaten und Jahren noch weiter festigen.

Frage: Und das schreiben Sie Ihren zahlreichen Medienauftritte zu?

KUBICKI: Ja, auch. Die meisten waren ja so, dass man sich dafür nicht schämen musste. Deswegen lädt man mich ein. Offensichtlich treffe ich gegenwärtig den Geschmack vieler Menschen, die sich Politik-Talkshows angucken. Die exorbitant hohe Nachfrage nach Wahlkampfauftritten von mir bundesweit hat auch damit zu tun, dass aus den Medienauftritten eine gewisse Form von positiver Popularität erwachsen ist. Die in den Dienst der Partei zu stellen, halte ich für selbstverständlich.

Frage: Was wollen Sie im Bundestag erreichen?

KUBICKI: Es gibt zwei Gebiete, in denen ich von Natur aus zu Hause bin. Das ist zum einen alles, was mit Recht zu tun hat. Zum anderen ist es die Haushalts- und Finanzpolitik. Damit habe ich mich über 20 Jahre lang in Schleswig-Holstein beschäftigt. Aber als erstes will ich schnellstmöglich dafür Sorge tragen, dass mehr Verkehrsinfrastrukturmittel vom Bund nach Schleswig-Holstein gelangen. Wir sind mittlerweile dabei, unseren eigenen Wohlstand dadurch zu ruinieren, dass wir nicht mehr in der Lage sind, Güter und Dienstleistungen in vernünftiger Zeit in den Süden zu transportieren. Stellen Sie sich vor, das, was mit der Rader Hochbrücke passiert ist, stellen wir jetzt beim Elbtunnel fest. Gott gnade uns!

Frage: 7,2 Milliarden Euro braucht Deutschland allein schon, um die Verkehrswege zu sanieren. Wo soll das Geld herkommen?

KUBICKI: Aus dem Bundesetat. Wer mir erklärt, dass er bei einem 350-Milliarden-Euro-Haushalt kein Geld dafür hat, dem sage ich: Geh" nach Hause und hör" auf mit Politik.

Frage: Welche Ausgaben sollen gestrichen werden?

KUBICKI: Wir wollen eine Vielzahl von Subventionen wegnehmen.

Frage: Sagen Sie mal, welche das sein sollen.

KUBICKI: Herr Popien, ich weiß ja, was Sie wollen, das ist ja albern.

Frage: Für Subventionsempfänger ist es schon interessant zu wissen, ob nun gerade ihre Subvention wegzufallen droht.

KUBICKI: Diejenigen, die sich gerade ihre Solaranlage aufs Dach hauen, werden sich darauf einstellen müssen, künftig keine 20-Jahres-Garantie für ihre Stromproduktion mehr zu bekommen. Und diejenigen, die Windanlagen in die Landschaft knallen, ohne dass es dafür Stromanschlüsse gibt, und die dann Geld dafür bekommen, dass sie Strom nicht liefern, werden sich darauf einstellen müssen, dass das abgeschafft wird. Es gibt eine Liste der FDP-Bundestagsfraktion mit all den Subventionen, die wir abbauen wollen.

Frage: Nun hat es ja die jetzige schwarz-gelbe Koalition auch schon nicht geschafft, das zu streichen. Warum sollte es der nächsten gelingen?

KUBICKI: Das ist ja einer der Gründe, warum ich nach Berlin gehe: um zu dokumentieren, dass es funktionieren kann.

Frage: Ende 2012 haben Sie in einem Interview prognostiziert, dass die Kieler Regierungskoalition ihre Ein-Stimmen-Mehrheit verlieren wird. Begründung: Das Landesverfassungsgericht werde im September das Ergebnis der Landtagswahl 2012 quasi annullieren und eine neue Mandatsverteilung vornehmen. Glauben Sie das immer noch?

KUBICKI: Ich bin sicher, dass das Verfassungsgericht feststellen wird, dass die Mandatsverteilung verfassungswidrig ist, weil sie eine Überprivilegierung des SSW darstellt. Ich glaube aber, das Gericht wird eine salomonische Lösung finden. Das bedeutet: Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird die notwendige Neuregelung des Wahlrechts, die diese Überprivilegierung beseitigt, erst zur Landtagswahl 2017 gelten. Das ist politisch möglicherweise bedauerlich, aber juristisch auf jeden Fall vertretbar.

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