11.12.2013FDPLiberalismus

KUBICKI-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Das Ende der Willy-Brandt-SPD

Ja, die führenden Repräsentanten der Freien Demokratischen Partei haben in den vergangenen vier Jahren einiges falsch gemacht. Sicherlich nicht alles, jedoch zumindest so viel, dass es für ein Fortdauern im Bundestag nicht gereicht hat. Auf dem FDP-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende konnten wir dann auch viel Kluges darüber hören, was konkret schief gelaufen sei, wer vielleicht besser wie agiert hätte und wieso dies und jenes künftig anders gemacht werden müsse. So viel zur Introspektive.

Tatsache ist, „liberal“ ist weiterhin in Deutschland ein positiv besetzter Begriff. Selbst in der für die FDP schweren Zeit der abgelaufenen Legislaturperiode haben 54 Prozent der Befragten in einer Allensbach-Umfrage erklärt, sie verbänden mit diesem Begriff etwas Positives. Und knapp die Hälfte der Deutschen bezeichnete sich selbst als liberal. Dass sich jetzt führende Vertreter anderer Parteien daran machen, die FDP zu beerben und sich als vermeintliche Erbschleicher verdingen wollen, amüsiert mich.

Natürlich ist es für einen Liberalen ermutigend, wenn sich mehr Menschen der Idee des Liberalismus verschreiben, wenn sie sich für liberale Ziele einsetzen und dem freiheitlichen Lebensgefühl mehr Raum geben wollen. Schließlich geht es um die Freiheit des einzelnen Menschen. Neue Freunde hat der Liberalismus aber in Sigmar Gabriel, Olaf Scholz, Cem Özdemir oder einigen aus den Reihen der CDU nicht gefunden. Ganz im Gegenteil.

Denken wir an die grünen Bevormundungen aus dem Wahlkampf zurück, dann fällt es sicherlich auch dem glühensten Fan Özdemirs schwer, dessen kürzlich vorgebrachte steile These – die Grünen könnten die FDP inhaltlich verzichtbar machen – mit fester Stimme zu verteidigen. Veggie-Day, Nanny-Staat und Süßigkeitenwerbeverbote vor 20 Uhr lassen auch nicht gerade Freiheitsassoziationen sprießen. Die grünen Ideen haben nun einmal ein festes Weltziel, für dessen Erfüllung der Mensch ins selbst ausgedachte Schema hineingezwängt werden muss. Erst wenn dieses Weltziel am Ende erreicht sein sollte, dürfen die Menschen glücklich sein. Vorher nicht. Auch wenn Herr Özdemir mir hier widersprechen sollte: Genau das sind die Grünen. Wenn sie nicht so verbotsbereit und besserwisserisch wären, wären es keine Grünen.

Mit der SPD hingegen hat die FDP tatsächlich Teile eines liberalen Weges gemeinsam beschritten. Die sozialliberalen Jahre zwischen 1969 und 1982 waren mit
Sicherheit nicht die Schlechtesten für die Bundesrepublik. Die Sigmar-Gabriel-SPD von heute ist aber beim besten Willen nicht mit der Willy-Brandt-SPD von damals vergleichbar. Der außen- oder gesellschaftspolitischen Dynamik der damaligen SPD unter den Kanzlern Brandt und Schmidt können die heutigen Sozialdemokraten nichts Vergleichbares entgegensetzen. Vielmehr kann der politisch Interessierte den Eindruck bekommen: Hier befindet sich eine Partei, die die Benachteiligung von Menschen eher zelebriert, als dass sie sie wirksam bekämpft.

Der von den Sozialdemokraten nun mit der Union ausgehandelte Koalitionsvertrag gibt auch keinen Anlass für liberal gesinnte Menschen, hoffnungsfroh auf die kommenden politischen Entscheidungen der „GroKo“ zu blicken. Mietpreisbremse, Kalte Progression oder Vorratsdatenspeicherung – als Beispiele – werden in den nächsten vier Jahren nicht vom Menschen aus gedacht, sondern werden unter der Prämisse der Erfüllung ideologischer Sehnsüchte behandelt. Eine vernunftorientierte Auseinandersetzung mit drängenden politischen Fragen bleibt bedauerlicherweise aus. Die Menschen im Land können sich dies nicht leisten, müssen aber im Zweifel dafür bezahlen.

Scharfen Gegenwind aus dem Kreis der Opposition im Bundestag werden die Großkoalitionäre leider nicht zu befürchten haben. Denn im Grunde sind sich die dort vertretenen Parteien einig, dass die kostspieligen Wohltaten Vorrang haben müssen vor dem Erwirtschaften. Sie sind sich darin einig, dass der Mensch für ein höheres Ziel mit Einschränkungen zu leben habe. Sie teilen die Auffassung, dass ein höheres Gut durch individuellen Freiheitsentzug erreicht werden könne. Dies trennt Union, SPD, Grüne und Linke von der FDP fundamental.

Zugegeben, die Ausgangslage für die FDP im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl ist recht gut. Die Wählerinnen und Wähler werden schnell merken, dass die große Koalition den Spagat zwischen Ausgabenwünschen und dem Verzicht auf aktive Steuererhöhungen dauerhaft nicht wird leisten können. Sie werden erleben, dass sich Union und SPD dann für die Erhöhung von Steuern aussprechen werden, anstatt die Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum zu schaffen. Und es zeigt sich ja schon jetzt, dass den Bürgerinnen und Bürgern eine starke liberale Stimme fehlt: Der „Deutschlandtrend“ brachte jüngst zutage, dass 62 Prozent der Deutschen die Aussage ablehnen, die FDP werde nicht mehr gebraucht.

Doch allein günstige äußere Umstände werden nicht reichen, um die FDP für die kommenden Wahlen wieder in Stellung zu bringen. Die FDP muss ihre Themen – vor allem im Bereich der Bürgerrechts-, Wirtschafts-, Bildungs- oder Europapolitik – mit überzeugenden Köpfen besetzen, muss ihre Ideologiefreiheit nutzen, um die besseren Ideen zu entwickeln, muss Demut gegenüber dem Wähler und Mut gegenüber dem politischen Gegner beweisen.

Am vergangenen Wochenende hat die Partei hierzu den ersten Schritt getan. Sie wird weitere tun müssen, um wieder erfolgreich zu sein. Dass dies gelingt, darüber mache ich mir keine Sorgen.


 

 

 

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