FDPDigitale GesellschaftKeine Angst vor Uber & Co
Alexander Graf Lambsdorff über die nächste Welle der Digitalisierung25.06.2015Die Digitalisierung verändert unser Leben. Damit in Europa viele Jobs entstehen, braucht es Innovationen und Regeln. Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, beschäftigt sich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" mit der Debatte über die nächste Welle der Digitalisierung. Er meint: "Die Regierungen der EU müssen endlich handeln, wenn Europa im internationalen Vergleich nicht zurückfallen will." Auch mit Blick auf den EU-Gipfel zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schlägt er vier Sofortmaßnahmen als Startschuss für eine Start-up-freundliche Wirtschaft vor.
Der Freidemokrat fasst in seinem Gastbeitrag zusammen: "Zunächst brauchen wir eine rasche Verabschiedung des Telekom-Pakets, eine europäische Rahmengesetzgebung für Telekommunikationsnetze." Er plädiert zudem für eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation. Er hält auch die Anwendung des „Cassis-de-Dijon“-Prinzips auf den digitalen Binnenmarkt für wichtig. Seine vierte Forderung lautet: "Die Mitgliedsstaaten müssen auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten."
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag:
Digitale Technologien und innovative Apps schaffen neue Jobs in Europa. Firmen wie Uber, AirBnB und Spotify verändern unsere Einkaufsgewohnheiten und die Art und Weise, wie wir Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Mit ein paar Klicks ein Taxi bestellen, die Anfahrt live verfolgen und direkt digital bezahlen – vor wenigen Jahren war das kaum vorstellbar. Mittlerweile sind Dienste wie Uber jedoch im Alltag der Menschen angekommen. Dabei ist diese Entwicklung nur der Auftakt zu einer viel tiefer gehenden Debatte über die nächste Welle der Digitalisierung.
Europa hat die erste Online-Welle bereits verpasst
In den kommenden Jahren werden tausende von vergleichbaren Apps auf den Markt drängen und bestehende Geschäftsmodelle herausfordern. Die Situation ist mit den wirtschaftlichen Machtkämpfen des 19. Jahrhunderts vergleichbar. Die Zünfte legten sich damals mit den Großproduzenten an, nachdem diese die Vorzüge der Dampfmaschine für sich entdeckt hatten. Deshalb wird es Zeit, sich auf die neue App-Economy einzustellen.
Europa hat die erste Online-Welle bereits verpasst. Musik-Streaming-Dienste wie Spotify hatten große Probleme, Zugang zum europäischen Markt zu erhalten. Anbieter der „shared economy“, über die private Nutzer Übernachtungsmöglichkeiten (AirBnB) oder Fahrgemeinschaften (Snappcar) verfügbar machen, wurden nur widerwillig akzeptiert – wenn überhaupt. Andere Firmen haben gleich einen großen Bogen um Europa gemacht.
Der Gesetzgeber hechelt der Entwicklung hinterher. Modernen Geschäftsmodellen werden unnötige Hürden in den Weg gestellt oder sie werden in rechtliche Grauzonen gedrängt. Gerade in Zeiten schleppenden Wirtschaftswachstums sollte die „App-economy“ Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems. Die Regierungen der EU müssen endlich handeln, wenn Europa im internationalen Vergleich nicht zurückfallen will. In Hinblick auf den heutigen EU-Gipfel zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schlägt die FDP deshalb vier Sofortmaßnahmen als Startschuss für eine Start-up-freundliche Wirtschaft vor:
Bytes kennen keine Grenzen
Zunächst brauchen wir eine rasche Verabschiedung des Telekom-Pakets, eine europäische Rahmengesetzgebung für Telekommunikationsnetze. Es ist skandalös, dass die Bundesregierung den Vorschlag für einen integrierten und einheitlicheren digitalen Markt an vielen Stellen abschwächt oder ganz ausbremst. Nur bei der verfassungswidrigen Vorratsdatenspeicherung ist sie vorne mit dabei. Handelt es sich aber um gemeinsame Datenschutzregeln, die Abschaffung von Roaming-Gebühren oder strikte Regeln zur Netzneutralität, steht die große Koalition auf der Bremse. Nach dem Motto: Bytes kennen keine Grenzen, wir aber schon. In einem zerstückelten Markt kann die „App-economy“ aber nie Erfolg haben – das sollte die Bundesregierung endlich akzeptieren.
Europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation
Zweitens: Wir brauchen eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation, sowie sie auch in den USA existiert. 28 nationale Netzagenturen mit 28 unterschiedlichen Vorgaben machen gerade Start-Ups das Leben schwer. Eine europäische Regulierungsbehörde würde dagegen die einheitliche Umsetzung von Vorgaben sicherstellen und so für echten europaweiten Wettbewerb sorgen.
Bei den Banken brauchte es den Zusammenbruch von Lehman Brothers und die nachfolgende Finanzkrise, bis die Regierungen endlich begriffen, dass die Aufsichtsbehörden die wirtschaftliche Realität des gemeinsamen Marktes spiegeln müssen. In der digitalen Wirtschaft wird es keinen Kollaps eines Unternehmens geben. Stattdessen entstehen kraftvolle Marktteilnehmer wegen der Zersplitterung des Rechts in Europa gar nicht erst.
Ein App-freundliches Europa
Drittens: Wichtig für ein App-freundliches Europa ist die Anwendung des „Cassis-de-Dijon“-Prinzips auf den digitalen Binnenmarkt. Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hatte zur Folge, dass ein Produkt, welches von einem Mitgliedsstaat zugelassen wurde, automatisch Zugang zum gesamten europäischen Markt hat. Wieso sollte dasselbe Prinzip nicht auch auf Onlineprodukte und -dienstleistungen angewendet werden können? Der Vorteil liegt auf der Hand: das „Cassis-de-Dijon“-Prinzip schafft Marktzugang und spart unnötige Gesetze.
Auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten
Viertens: Die Mitgliedsstaaten müssen auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten. Es ist beispielsweise unverständlich, warum die Bundesregierung beim Kleinanlegerschutz die EU-Vorgaben verschärft hat und damit gerade Start-Ups mit zusätzlicher Bürokratie belastet. Dabei geht es um öffentlich angebotene Möglichkeiten zur Kapitalanlage, wovon vor allem Crowdfinanzierungen betroffen sind. Im EU-Vergleich müssen Start-ups in Deutschland bereits bei geringen Summen umfangreiche Anlegerinformationen bereitstellen. Zudem ist ein Gesetz offenkundig nicht zeitgemäß, wenn Internet-Nutzer zur Erstellung und Rücksendung von Papierdokumenten gezwungen werden.
Der Gesetzgeber sollte nicht jede Art von Dienstleistung zulassen. Berechtigte Gesundheits- oder Sicherheitsbedenken sind Kriterien für eine Begrenzung. Was wir aber brauchen, sind zeitgemäße Regeln, die Innovationen Raum geben. Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Sie verändert die Art unseres Miteinanders in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie bietet Chancen für Teilhabe und ein Potenzial, um zu neuem Wohlstand zu kommen. Es ist Zeit, dass Deutschland und Europa die Grenzen für Innovationen öffnen. Nur so werden die Menschen dazu befähigt, nicht nur Anwender, sondern Impulsgeber im digitalen Zeitalter zu sein.
Keine Angst vor Uber & Co
Alexander Graf Lambsdorff über die nächste Welle der DigitalisierungDie Digitalisierung verändert unser Leben. Damit in Europa viele Jobs entstehen, braucht es Innovationen und Regeln. Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, beschäftigt sich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" mit der Debatte über die nächste Welle der Digitalisierung. Er meint: "Die Regierungen der EU müssen endlich handeln, wenn Europa im internationalen Vergleich nicht zurückfallen will." Auch mit Blick auf den EU-Gipfel zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schlägt er vier Sofortmaßnahmen als Startschuss für eine Start-up-freundliche Wirtschaft vor.
Der Freidemokrat fasst in seinem Gastbeitrag zusammen: "Zunächst brauchen wir eine rasche Verabschiedung des Telekom-Pakets, eine europäische Rahmengesetzgebung für Telekommunikationsnetze." Er plädiert zudem für eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation. Er hält auch die Anwendung des „Cassis-de-Dijon“-Prinzips auf den digitalen Binnenmarkt für wichtig. Seine vierte Forderung lautet: "Die Mitgliedsstaaten müssen auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten."
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag:
Digitale Technologien und innovative Apps schaffen neue Jobs in Europa. Firmen wie Uber, AirBnB und Spotify verändern unsere Einkaufsgewohnheiten und die Art und Weise, wie wir Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Mit ein paar Klicks ein Taxi bestellen, die Anfahrt live verfolgen und direkt digital bezahlen – vor wenigen Jahren war das kaum vorstellbar. Mittlerweile sind Dienste wie Uber jedoch im Alltag der Menschen angekommen. Dabei ist diese Entwicklung nur der Auftakt zu einer viel tiefer gehenden Debatte über die nächste Welle der Digitalisierung.
Europa hat die erste Online-Welle bereits verpasst
In den kommenden Jahren werden tausende von vergleichbaren Apps auf den Markt drängen und bestehende Geschäftsmodelle herausfordern. Die Situation ist mit den wirtschaftlichen Machtkämpfen des 19. Jahrhunderts vergleichbar. Die Zünfte legten sich damals mit den Großproduzenten an, nachdem diese die Vorzüge der Dampfmaschine für sich entdeckt hatten. Deshalb wird es Zeit, sich auf die neue App-Economy einzustellen.
Europa hat die erste Online-Welle bereits verpasst. Musik-Streaming-Dienste wie Spotify hatten große Probleme, Zugang zum europäischen Markt zu erhalten. Anbieter der „shared economy“, über die private Nutzer Übernachtungsmöglichkeiten (AirBnB) oder Fahrgemeinschaften (Snappcar) verfügbar machen, wurden nur widerwillig akzeptiert – wenn überhaupt. Andere Firmen haben gleich einen großen Bogen um Europa gemacht.
Der Gesetzgeber hechelt der Entwicklung hinterher. Modernen Geschäftsmodellen werden unnötige Hürden in den Weg gestellt oder sie werden in rechtliche Grauzonen gedrängt. Gerade in Zeiten schleppenden Wirtschaftswachstums sollte die „App-economy“ Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems. Die Regierungen der EU müssen endlich handeln, wenn Europa im internationalen Vergleich nicht zurückfallen will. In Hinblick auf den heutigen EU-Gipfel zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit schlägt die FDP deshalb vier Sofortmaßnahmen als Startschuss für eine Start-up-freundliche Wirtschaft vor:
Bytes kennen keine Grenzen
Zunächst brauchen wir eine rasche Verabschiedung des Telekom-Pakets, eine europäische Rahmengesetzgebung für Telekommunikationsnetze. Es ist skandalös, dass die Bundesregierung den Vorschlag für einen integrierten und einheitlicheren digitalen Markt an vielen Stellen abschwächt oder ganz ausbremst. Nur bei der verfassungswidrigen Vorratsdatenspeicherung ist sie vorne mit dabei. Handelt es sich aber um gemeinsame Datenschutzregeln, die Abschaffung von Roaming-Gebühren oder strikte Regeln zur Netzneutralität, steht die große Koalition auf der Bremse. Nach dem Motto: Bytes kennen keine Grenzen, wir aber schon. In einem zerstückelten Markt kann die „App-economy“ aber nie Erfolg haben – das sollte die Bundesregierung endlich akzeptieren.
Europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation
Zweitens: Wir brauchen eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation, sowie sie auch in den USA existiert. 28 nationale Netzagenturen mit 28 unterschiedlichen Vorgaben machen gerade Start-Ups das Leben schwer. Eine europäische Regulierungsbehörde würde dagegen die einheitliche Umsetzung von Vorgaben sicherstellen und so für echten europaweiten Wettbewerb sorgen.
Bei den Banken brauchte es den Zusammenbruch von Lehman Brothers und die nachfolgende Finanzkrise, bis die Regierungen endlich begriffen, dass die Aufsichtsbehörden die wirtschaftliche Realität des gemeinsamen Marktes spiegeln müssen. In der digitalen Wirtschaft wird es keinen Kollaps eines Unternehmens geben. Stattdessen entstehen kraftvolle Marktteilnehmer wegen der Zersplitterung des Rechts in Europa gar nicht erst.
Ein App-freundliches Europa
Drittens: Wichtig für ein App-freundliches Europa ist die Anwendung des „Cassis-de-Dijon“-Prinzips auf den digitalen Binnenmarkt. Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hatte zur Folge, dass ein Produkt, welches von einem Mitgliedsstaat zugelassen wurde, automatisch Zugang zum gesamten europäischen Markt hat. Wieso sollte dasselbe Prinzip nicht auch auf Onlineprodukte und -dienstleistungen angewendet werden können? Der Vorteil liegt auf der Hand: das „Cassis-de-Dijon“-Prinzip schafft Marktzugang und spart unnötige Gesetze.
Auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten
Viertens: Die Mitgliedsstaaten müssen auf zusätzliche Bürokratie für Start-Ups verzichten. Es ist beispielsweise unverständlich, warum die Bundesregierung beim Kleinanlegerschutz die EU-Vorgaben verschärft hat und damit gerade Start-Ups mit zusätzlicher Bürokratie belastet. Dabei geht es um öffentlich angebotene Möglichkeiten zur Kapitalanlage, wovon vor allem Crowdfinanzierungen betroffen sind. Im EU-Vergleich müssen Start-ups in Deutschland bereits bei geringen Summen umfangreiche Anlegerinformationen bereitstellen. Zudem ist ein Gesetz offenkundig nicht zeitgemäß, wenn Internet-Nutzer zur Erstellung und Rücksendung von Papierdokumenten gezwungen werden.
Der Gesetzgeber sollte nicht jede Art von Dienstleistung zulassen. Berechtigte Gesundheits- oder Sicherheitsbedenken sind Kriterien für eine Begrenzung. Was wir aber brauchen, sind zeitgemäße Regeln, die Innovationen Raum geben. Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Sie verändert die Art unseres Miteinanders in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie bietet Chancen für Teilhabe und ein Potenzial, um zu neuem Wohlstand zu kommen. Es ist Zeit, dass Deutschland und Europa die Grenzen für Innovationen öffnen. Nur so werden die Menschen dazu befähigt, nicht nur Anwender, sondern Impulsgeber im digitalen Zeitalter zu sein.