18.02.2014FDPEuropapolitik

GENSCHER-Gastbeitrag für die „Mitteldeutsche Zeitung“

Berlin. Der FDP-Ehrenvorsitzende HANS-DIETRICH GENSCHER schrieb für die „Mitteldeutsche Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Der Besuch Außenminister Steinmeiers in Moskau hat keine große Beachtung in der deutschen Öffentlichkeit gefunden. Dennoch: er war in jeder Hinsicht aufschlussreich, auch die Art des Umganges der beiden Außenminister, die sich aus der ersten Amtszeit Steinmeiers recht gut kennen. Gegenseitiger Respekt war deutlich erkennbar. Erkennbar war auch die Bedeutung, die beide Seiten den bilateralen deutsch-russischen Beziehungen zumessen. Das zeigte sich auch durch den Empfang des deutschen Außenministers durch Präsident Putin.

Ein Blick zurück: Vor 13 Jahren wurde im Protokoll nach einer Rede Putins vor dem Deutschen Bundestag vermerkt: anhaltender Beifall, die Abgeordneten erheben sich. Und heute? Das Resümee des Außenministerbesuches in Moskau lautet: beide Seiten sind sich der Bedeutung der deutsch-russischen und der EU-russischen Beziehungen voll bewusst. Das ist wichtig und danach muss jetzt gehandelt werden. Gemeinsame Interessen werden durch das unverändert geltende Gorbatschow-Wort vom gemeinsamen europäischen Haus richtig zum Ausdruck gebracht. Beide haben in diesem Haus ihren Platz, die EU und Russland. Die EU allein ist mit dem Begriff nicht gemeint – sowenig wie Russland den westlichen Teil Asiens bildet, sondern vielmehr den Osten Europas. Und dieses Europa braucht enge Kooperation in allen Bereichen und nicht Abgrenzung. Es ist wichtig, dass an dieser Stelle Deutschland sein Gewicht innerhalb der EU zur Geltung bringt. Nicht im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander, aber bei der Gestaltung der europäischen Politik nach außen, soweit sie den europäischen Institutionen anvertraut ist. Im Falle der Ukraine ist das den europäischen Institutionen nicht optimal gelungen.

Zum neuen Realismus der russischen Politik gehört die Einsicht, dass die europäisch-amerikanische Partnerschaft zu den unveränderbaren Konstanten der europäischen Politik gehört, so wie von Putin in seiner Rede vor 13 Jahren bestätigt. Jetzt geht es darum, dass die EU–Mitgliedstaaten und Russland ihre gemeinsamen Interessen neu definieren. Das wird gebraucht: wenn es um eine stabile demokratische Entwicklung in der Ukraine geht, aber auch zur Beendigung der blutigen Auseinandersetzungen in Syrien und zur Lösung der Nuklearprobleme mit dem Iran, in dem eine neue Führung um ein neues Verhältnis mit der internationalen Staatengemeinschaft sucht.

Wohin steuert Russland? In der langen Perspektive unumkehrbar nach Europa. Nicht als Mitgliedstaat der EU, aber als stabiler Partner der 500 Millionen Europäer in der EU. Das verlangt von allen Beteiligten im Sinne der OSZE gesamt-europäisch zu denken und zu handeln.

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