FDPFlüchtlingspolitikFür vorübergehenden Schutz statt Asyl
Christian Lindner verdeutlicht, dass die dauerhafte Bleibeperspektive an die traditionelle Anwendung des Asylrechts gebunden werden muss24.10.2015FDP-Chef Christian Lindner ist überzeugt: Deutschlands aktuelle Regelungen zur Aufnahme von Flüchtlingen sind den Zuständen der Krise nicht gewachsen. Im Gastbeitrag für die "F.A.Z." plädiert er dafür, das historisch bewährte Instrument des vorübergehenden Schutzes zu nutzen. "Es ist unzureichend, den Blick wie die Bundesregierung nur auf verschärfte Abschiebung zu richten", macht Lindner klar. Die Solidarität mit Menschen in Not sei eine ethische Pflicht. Daraus könne aber keine dauerhafte Bleibeperspektive erwachsen. "Deshalb ist das Asylrecht im Grundgesetz in vielen Fällen das falsche Instrument", konstatiert er.
"Nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, wer wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt ist", gibt Lindner zu bedenken. Für die große Zahl von Menschen, die vor Kriegsfolgen im Herkunftsland fliehen, passe das Asylrecht inhaltlich nicht.
Für diese Lage kenne das internationale wie das deutsche Recht allerdings den vorrübergehenden humanitären Schutz. "Er wird gewährt, wenn konkrete Gefahr droht, etwa infolge eines bewaffneten Konflikts. In solchen Fällen wird nicht Asyl, sondern eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt, die an die Dauer der Bedrohung gebunden ist", erläutert der Freidemokrat. Lindner erinnert: "Mit einer vergleichbaren Strategie hat unser Land auf die Balkankriege in den neunziger Jahren reagiert." Es sei höchste Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die deutschen Behörden unabhängig von einem EU-Beschluss den vorübergehenden humanitären Schutz gewähren könnten. Die FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen lege dazu jetzt einen Gesetzentwurf vor, führt Lindner aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Angesichts globaler Krisen und wachsender Mobilität hat die Bundeskanzlerin fahrlässig gehandelt. Sie hat den Eindruck erweckt, unsere Möglichkeiten zur Aufnahme von Flüchtlingen seien nur abhängig von unserem Wollen. Ihre Äußerungen wurden als Versprechen wahrgenommen, das sich an alle richtet, die ein neues Leben suchen. Weil unsere europäischen Partner Migration zumeist restriktiv handhaben, konzentriert sich der Zustrom auf Deutschland. Wir sind zu einer Projektionsfläche von Sehnsüchten geworden, die möglicherweise bitter enttäuscht werden. Denn auch wir können nicht täglich 10 000 Flüchtlinge aufnehmen. Die Zahlen müssen sinken.
Es reicht nicht, auf eine europäische Lösung zu warten, um die immense Sogwirkung und die Lage insgesamt unter Kontrolle zu bringen. Natürlich muss Europa seine Außengrenzen schützen, die Flüchtlinge vor Ort in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon unterstützen und ein einheitliches EU-Asylrecht mit fairer Lastenverteilung beschließen. Und natürlich müssen wir unsere Integrationspolitik forcieren, um bestehende Chancen zu nutzen. Aber die Krise legt auch offen, dass unsere Regelungen zur Aufnahme von Flüchtlingen nicht den Realitäten genügen. Einem Massenzustrom ist weder unsere Gesellschaft noch unser Asylrecht gewachsen. Es ist unzureichend, den Blick wie die Bundesregierung nur auf verschärfte Abschiebung zu richten. Wir müssen stattdessen international und historisch bewährte Regeln im Ausländer- und Aufenthaltsrecht nutzen.
Die Solidarität mit Menschen in Not ist eine ethische Pflicht. Daraus kann aber keine dauerhafte Bleibeperspektive erwachsen. Deshalb ist das Asylrecht im Grundgesetz in vielen Fällen das falsche Instrument. Es bezieht sich nur auf die kleine Gruppe individuell politisch Verfolgter. Bei der Einreise aus einem sicheren Drittland wie Österreich ist die Anerkennung als Asylberechtigter ohnehin ausgeschlossen. Darüber hinaus wird nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, wer wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt ist. Für die große Zahl von Menschen, die vor Kriegsfolgen in ihrem Land fliehen, passt das Asylrecht inhaltlich nicht. Und dort, wo es passen könnte (sogenannter „subsidiärer Schutz“), ist es zu bürokratisch ausgestaltet.
Für diese Lage kennt das internationale wie das deutsche Recht allerdings den vorübergehenden humanitären Schutz. Er wird gewährt, wenn konkrete Gefahr droht, etwa infolge eines bewaffneten Konflikts. In solchen Fällen wird nicht Asyl, sondern eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt, die an die Dauer der Bedrohung gebunden ist. Mit einer vergleichbaren Strategie hat unser Land auf die Balkankriege in den neunziger Jahren reagiert, um die Sogwirkung zu reduzieren und die spätere Rückführung zu erleichtern. Warum nicht auch jetzt?
Das europäische Recht hat entsprechende Vorkehrungen getroffen. Voraussetzung ist, dass der Europäische Rat „das Bestehen eines Massenzustroms“ feststellt. Da in der EU eine Einigkeit bislang nicht absehbar ist, kann Deutschland dieses Instrument gegenwärtig nicht nutzen. Es ist höchste Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit unsere Behörden unabhängig von einem EU-Beschluss den vorübergehenden humanitären Schutz gewähren können. Die FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen legt dazu jetzt einen Gesetzentwurf vor.
Was ist dadurch gewonnen? Kriegsflüchtlinge erhalten als Gruppe mit wesentlich weniger Bürokratie einen befristeten Aufenthaltstitel und erste Integrationsmaßnahmen – unter Verzicht auf dauerhaftes Bleiberecht. Ihre Asylanträge, sollten sie dennoch gestellt werden, ruhen einstweilen. Die kleinere Gruppe politisch Verfolgter oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention erhalten Asyl – und zwar schneller, weil die Behörden entlastet sind. Für eine Bleibeperspektive benötigt Deutschland dann darüber hinaus ein liberales Einwanderungsgesetz, das orientiert an unseren Interessen Kriterien benennt, wen wir einladen wollen, seine Zukunft dauerhaft mit uns zu gestalten. Wer sie erfüllt, kann auf die Überholspur zum Arbeitsmarkt. Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen, aber die Kriterien des Einwanderungsgesetzes nicht erfüllen, werden nach Beendigung des Konflikts konsequent zurückgeführt.
Dies wäre ein überfälliges Signal, dass Deutschland solidarisch ist, aber Flüchtlinge in diesem Umfang nicht dauerhaft aufnehmen kann.
Für vorübergehenden Schutz statt Asyl
Christian Lindner verdeutlicht, dass die dauerhafte Bleibeperspektive an die traditionelle Anwendung des Asylrechts gebunden werden mussFDP-Chef Christian Lindner ist überzeugt: Deutschlands aktuelle Regelungen zur Aufnahme von Flüchtlingen sind den Zuständen der Krise nicht gewachsen. Im Gastbeitrag für die "F.A.Z." plädiert er dafür, das historisch bewährte Instrument des vorübergehenden Schutzes zu nutzen. "Es ist unzureichend, den Blick wie die Bundesregierung nur auf verschärfte Abschiebung zu richten", macht Lindner klar. Die Solidarität mit Menschen in Not sei eine ethische Pflicht. Daraus könne aber keine dauerhafte Bleibeperspektive erwachsen. "Deshalb ist das Asylrecht im Grundgesetz in vielen Fällen das falsche Instrument", konstatiert er.
"Nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, wer wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt ist", gibt Lindner zu bedenken. Für die große Zahl von Menschen, die vor Kriegsfolgen im Herkunftsland fliehen, passe das Asylrecht inhaltlich nicht.
Für diese Lage kenne das internationale wie das deutsche Recht allerdings den vorrübergehenden humanitären Schutz. "Er wird gewährt, wenn konkrete Gefahr droht, etwa infolge eines bewaffneten Konflikts. In solchen Fällen wird nicht Asyl, sondern eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt, die an die Dauer der Bedrohung gebunden ist", erläutert der Freidemokrat. Lindner erinnert: "Mit einer vergleichbaren Strategie hat unser Land auf die Balkankriege in den neunziger Jahren reagiert." Es sei höchste Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die deutschen Behörden unabhängig von einem EU-Beschluss den vorübergehenden humanitären Schutz gewähren könnten. Die FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen lege dazu jetzt einen Gesetzentwurf vor, führt Lindner aus.
Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.
Angesichts globaler Krisen und wachsender Mobilität hat die Bundeskanzlerin fahrlässig gehandelt. Sie hat den Eindruck erweckt, unsere Möglichkeiten zur Aufnahme von Flüchtlingen seien nur abhängig von unserem Wollen. Ihre Äußerungen wurden als Versprechen wahrgenommen, das sich an alle richtet, die ein neues Leben suchen. Weil unsere europäischen Partner Migration zumeist restriktiv handhaben, konzentriert sich der Zustrom auf Deutschland. Wir sind zu einer Projektionsfläche von Sehnsüchten geworden, die möglicherweise bitter enttäuscht werden. Denn auch wir können nicht täglich 10 000 Flüchtlinge aufnehmen. Die Zahlen müssen sinken.
Es reicht nicht, auf eine europäische Lösung zu warten, um die immense Sogwirkung und die Lage insgesamt unter Kontrolle zu bringen. Natürlich muss Europa seine Außengrenzen schützen, die Flüchtlinge vor Ort in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon unterstützen und ein einheitliches EU-Asylrecht mit fairer Lastenverteilung beschließen. Und natürlich müssen wir unsere Integrationspolitik forcieren, um bestehende Chancen zu nutzen. Aber die Krise legt auch offen, dass unsere Regelungen zur Aufnahme von Flüchtlingen nicht den Realitäten genügen. Einem Massenzustrom ist weder unsere Gesellschaft noch unser Asylrecht gewachsen. Es ist unzureichend, den Blick wie die Bundesregierung nur auf verschärfte Abschiebung zu richten. Wir müssen stattdessen international und historisch bewährte Regeln im Ausländer- und Aufenthaltsrecht nutzen.
Die Solidarität mit Menschen in Not ist eine ethische Pflicht. Daraus kann aber keine dauerhafte Bleibeperspektive erwachsen. Deshalb ist das Asylrecht im Grundgesetz in vielen Fällen das falsche Instrument. Es bezieht sich nur auf die kleine Gruppe individuell politisch Verfolgter. Bei der Einreise aus einem sicheren Drittland wie Österreich ist die Anerkennung als Asylberechtigter ohnehin ausgeschlossen. Darüber hinaus wird nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, wer wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt ist. Für die große Zahl von Menschen, die vor Kriegsfolgen in ihrem Land fliehen, passt das Asylrecht inhaltlich nicht. Und dort, wo es passen könnte (sogenannter „subsidiärer Schutz“), ist es zu bürokratisch ausgestaltet.
Für diese Lage kennt das internationale wie das deutsche Recht allerdings den vorübergehenden humanitären Schutz. Er wird gewährt, wenn konkrete Gefahr droht, etwa infolge eines bewaffneten Konflikts. In solchen Fällen wird nicht Asyl, sondern eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt, die an die Dauer der Bedrohung gebunden ist. Mit einer vergleichbaren Strategie hat unser Land auf die Balkankriege in den neunziger Jahren reagiert, um die Sogwirkung zu reduzieren und die spätere Rückführung zu erleichtern. Warum nicht auch jetzt?
Das europäische Recht hat entsprechende Vorkehrungen getroffen. Voraussetzung ist, dass der Europäische Rat „das Bestehen eines Massenzustroms“ feststellt. Da in der EU eine Einigkeit bislang nicht absehbar ist, kann Deutschland dieses Instrument gegenwärtig nicht nutzen. Es ist höchste Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit unsere Behörden unabhängig von einem EU-Beschluss den vorübergehenden humanitären Schutz gewähren können. Die FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen legt dazu jetzt einen Gesetzentwurf vor.
Was ist dadurch gewonnen? Kriegsflüchtlinge erhalten als Gruppe mit wesentlich weniger Bürokratie einen befristeten Aufenthaltstitel und erste Integrationsmaßnahmen – unter Verzicht auf dauerhaftes Bleiberecht. Ihre Asylanträge, sollten sie dennoch gestellt werden, ruhen einstweilen. Die kleinere Gruppe politisch Verfolgter oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention erhalten Asyl – und zwar schneller, weil die Behörden entlastet sind. Für eine Bleibeperspektive benötigt Deutschland dann darüber hinaus ein liberales Einwanderungsgesetz, das orientiert an unseren Interessen Kriterien benennt, wen wir einladen wollen, seine Zukunft dauerhaft mit uns zu gestalten. Wer sie erfüllt, kann auf die Überholspur zum Arbeitsmarkt. Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen, aber die Kriterien des Einwanderungsgesetzes nicht erfüllen, werden nach Beendigung des Konflikts konsequent zurückgeführt.
Dies wäre ein überfälliges Signal, dass Deutschland solidarisch ist, aber Flüchtlinge in diesem Umfang nicht dauerhaft aufnehmen kann.