FDPInterview

FDP beschließt neue Bildungsstrategie

Nicola BeerFDP-Generalsekretärin Nicola Beer erklärt die bildungspolitischen Ziele der FDP.
18.05.2015

Nach dem FDP-Bundesparteitag hat Generalsekretärin Nicola Beer die künftigen Leitlinien liberaler Bildungspolitik mit dem "Deutschlandradio" diskutiert. Unter anderem befürworten die Freien Demokraten Leistungsanreize für besonders gute Lehrer, individuelle Förderung und vielfältige Schulformen, mehr Unabhängigkeit für die Schulen und ein neues Verständnis von Bildungspolitik als gesamtstaatliche Aufgabe vorrangiger Priorität mit entsprechender Finanzierung.

Beer betonte, dass das beschlossene Ziel der Freien Demokraten nicht mehr Zentralismus sei, sondern selbstständige Schulen und eine gesamtstaatliche Verantwortung, was die Finanzierung betreffe. "Wir wollen kein Bundesbildungsministerium, das wäre noch weiter weg von den Schulen", erläuterte sie. Stattdessen soll mehr Geld insgesamt ins Bildungssystem fließen, aber dann direkt an die Schulen. "Über dieses Geld sollen sie aber dann selbst verfügen können, unter der Bedingung, dass sie die bundesweit gültigen Bildungsstandards erreichen", so Beer.

Die FDP-Generalsekretärin schlug vor, die entsprechenden Bundesmittel aus der Mehrwertsteuer zu nehmen. Bei den aktuell sprudelnden Steuerquellen und dem niedrigen Zinsniveau könnte der Bund diese Strategie umsetzen und auch gleichzeitig den Soli und die kalte Progression abschaffen, gab Beer zu bedenken.

Leistung statt Laufzeit berücksichtigen

Außerdem forderte Beer, bessere Lehrkräfte dementsprechend auch besser zu bezahlen. Die Schulen seien der einzige Berufsbereich, wo nach Dienstzeit bezahlt werde und nicht danach, "ob ein Lehrer besonders engagiert ist, ob ein Lehrer seine Kinder zu besonders guten Lernfortschritten animieren und führen kann", hob sie hervor. "Ich glaube, dass das falsch ist. Wir vertrauen den Lehrkräften das Wertvollste an, was wir haben, unsere Kinder." Deshalb sei es auch angebracht, hier Leistungsanreize zu setzen.

Das vollständige Interview mit Nicola Beer

Frage: Frau Beer, die FDP will sich stärker über Bildungspolitik profilieren – was wollen Sie denn, was die anderen Parteien nicht wollen?

BEER: Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche, aber auch Menschen über den gesamten Lebenszeitraum individuelle Möglichkeiten haben, gefördert zu werden, wir wollen sie aber auch fordern. Wir wollen echte Wahlfreiheit und eben nicht Präferenzen für bestimmte Schulformen oder Bildungsgänge. Und es ist ein Thema für uns, weil wir insgesamt Menschen stark machen wollen. Wir wissen, dass in jedem Potenziale schlummern, sie werden nur in unserem System zurzeit nicht ausreichend entwickelt. Insbesondere wenn ich aus sozial niedrigeren, bildungsferneren Familien komme, dann gibt es eben Schwierigkeiten, weil vom Elternhaus her nicht so geholfen werden kann.

Frage: Da hören Sie sich fast an wie die SPD.

BEER: Nein, das hat mit SPD nichts zu tun. Ich hab ja selber als FDP-Kultusministerin in Hessen gesehen, wie gerade die Sozialdemokratie versucht, mit dem Einheitsmodell „Bildung für alle“ Menschen glücklich zu machen, das klappt aber nicht, weil Kinder einfach unterschiedlich sind und wir deswegen wesentlich individueller ansetzen müssen, den Mut haben müssen, Vielfalt in der Bildungslandschaft zuzulassen, um für jeden passgenau zu fördern. Und genau deswegen fordern wir ja zum Beispiel, dass Schulen selbstständig werden. Wir haben damit in Hessen angefangen, zu der Zeit, als wir dort das Kultusministerium geführt haben, und das bedeutet eben, dass Ministerialbürokratie loslassen muss, dass Schulen ihre Hoheit bekommen, über Budget, aber auch über Personal und Organisation, und dass am Ende einer Klassenstufe, dass am Ende eines Bildungsganges dann geprüft wird, ob die Schulen die Ziele erreicht haben und ihre Kinder ordentlich zu fördern.

Frage: Also mehr Freiheit für Schulen, verstehe ich, gibt es in Ansätzen auch schon anderswo. Der Punkt, den Sie am weitesten ...

BEER: Ja, weil es die Freien Demokraten dort eingeführt haben, wissen Sie. Das ist ja ein Modell, das durch die Freien Demokraten erst einmal bei den Hochschulen eingeführt worden ist. Frau Wagner als Wissenschaftsministerin in Hessen, Herr Pinkwart als Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, und dass dann zum Beispiel die Kollegin Henzler und ich in Hessen, der Kollege Heubisch in Bayern noch fortgeführt haben und dann auch auf die Schulseite übertragen.

Frage: Der Punkt ist klar. Was in dem Programm eher auffällt, was Sie gestern verkündet haben, ist, dass Sie mehr Zentralismus in der Bildungspolitik haben wollen, also mehr Zuständigkeit des Bundes – da haben sich ja schon ganz andere die Zähne daran ausgebissen. Keine Partei hat es bislang auch gegen ihre Landesfürsten durchgesetzt. Glauben Sie, dass Sie die Kraft haben, den Ländern da ihre letzte große Bastion der Eigenständigkeit zu rauben?

BEER: Nein, wir haben nicht mehr Zentralismus beschlossen, wir wollen kein Bundesbildungsministerium, weil das wäre noch weiter weg von den Schulen. Wie gesagt, wir wollen selbstständige Schulen, da braucht man relativ viel Mut, um als Ministerialbürokratie loszulassen, nicht überall reinzuregieren, sondern wir wollen eine gesamtstaatliche Verantwortung, was die Finanzierung betrifft. Das bedeutet, wir haben viel zu wenig Geld insgesamt im System, und wir wollen, dass nicht nur mehr Geld hier mobilisiert wird, sondern wir möchten, dass dieses Geld direkt an die Schulen geht, um diese eben in ihrer Selbstständigkeit dann auch ordentlich finanziell auszustatten. Über dieses Geld sollen sie dann aber selbst verfügen können, unter der Bedingung, dass sie die dann bundesweit gültigen Bildungsstandards auch erreichen mit ihren Kindern. Das heißt ...

Frage: Da würden Ihnen viele zustimmen beim Geld, gleichzeitig wollen Sie als Bundes-FDP, dass der Staat sich nicht weiter verschuldet, Sie fordern radikale Steuersenkungen. Wenn es zum Schwur kommt, wo das Geld herkommen soll, dass ja dann auch vom Bund kommen soll teilweise, woher soll es denn kommen für die Bildung?

BEER: Für die Bildung könnte man es zum Beispiel aus der Mehrwertsteuer nehmen. Man müsste sich zwischen Bund und Ländern darauf einigen, dass etwa ein Mehrwertsteuerpunkt zusätzlich direkt in die Schulen, in die Bildung investiert wird. Und bei den sprudelnden Steuerquellen, die wir momentan haben, bei dem niedrigen Zinsniveau, das Herrn Schäuble Milliardeneinsparungen in seinen Planungen beschert, können wir trotzdem noch den Soli abschaffen und auch die kalte Progression.

Frage: Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, der die Lehrer besonders freuen wird – die gehören nicht zu Ihrer Stammwählerschaft, deswegen können Sie da vielleicht unbeschwert aufschlagen: Sie fordern nicht nur bessere Weiterbildung für sie, sondern auch Leistungstests. Wie sollen die denn aussehen?

BEER: Es geht darum, bessere Lehrkräfte besser zu bezahlen. Der Bildungsbereich, gerade die Schulen sind der einzige Berufsbereich, wo wir nach Laufzeit der Dienstzeit bezahlen und nicht danach, ob ein Lehrer besonders engagiert ist, ob ein Lehrer seine Kinder zu besonders guten Lernfortschritten animieren und führen kann. Ich glaube, dass das falsch ist. Wir vertrauen den Lehrkräften das Wertvollste an, was wir haben, unsere Kinder, und ich glaube, dass man auch dort genau unterscheiden kann – das weiß jeder Schulleiter recht gut –, welches die Lehrkräfte sind, die eine Schule, die die Kinder voranbringen und welches nicht, und da möchten wir Leistungsanreize setzen.

Social Media Button