FDPKampf gegen den IS

Es kann nur eine politische Lösung geben

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff fordert eine Außenpolitik, die sich um Lösungen bemüht
04.12.2015

Der Bundestag hat sich für den Einsatz deutscher Soldaten im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat ausgesprochen. Für Alexander Graf Lambsdorff ist das ein richtiges Signal. Im Interview mit dem "Weser-Kurier" plädiert er weiter für eine politische Lösung. Die Lösung des Konflikts auf Basis der Wiener Gespräche müsse umfassend sein, mahnte der Vizepräsident des Europaparlaments. Nur so ließe sich der Einfluss des Islamischen Staates (IS) in der Region zurückdrängen.

"Der IS wird so lange eine Zukunft haben, so lange es nicht einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der sunnitischen, schiitischen, alevitischen und anderen Bevölkerungsgruppen in Syrien gibt." Militärschläge gegen den IS könnten zum Erreichen dieses Zieles beitragen. Deshalb sei es richtig, so der FDP-Außenpolitiker weiter, dass sich Deutschland auch militärisch am Kampf gegen den Terrorismus beteiligen wolle. "Wir dürfen nicht vergessen: Die Anschläge von Paris hätten auch in Bremen oder Hamburg passieren können. Das ist eine Bedrohung für uns alle", unterstrich der FDP-Europaabgeordnete.

Es gibt keine einfache und schnelle Lösung

Lambsdorff kritisierte, dass es viel zu lange gedauert hat, bis die Gespräche in Wien für eine politische Lösung endlich aufgenommen wurden. "So wie wir Frank-Walter Steinmeier für seine Ukraine-Politik loben, müssen wir ihn in der Syrien-Frage kritisieren. Das Flüchtlingsproblem in Deutschland zeigt doch deutlich: Auch wenn wir uns aus einer Krise heraushalten, bleibt die Krise nicht da, wo sie ist." Deswegen sei eine Außenpolitik unabdingbar, die sich aktiv und geduldig um Lösungen bemüht.

In diesem Zusammenhang nahm Lambsdorff einmal mehr die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ins Visier - und fasste kurz das differenzierte Konzept der FDP zusammen: "Wir wollen, dass Menschen in den Arbeitsmarkt einwandern statt in Aufnahmeeinrichtungen. Das ist der erste Punkt. Zweitens halten wir es für falsch, die Bürgerkriegsflüchtlinge durch das zeitraubende Asylverfahren zu schleusen. Diese Menschen fliehen vor dem Krieg; sie fliehen nicht, weil sie politisch verfolgt werden."

Die FDP kann auch Männer

Die Flüchtlingspolitik wird wohl auch bei den Landtagswahlen eine Rolle spielen. Vor denen ist Lambsdorff aber nicht bange: "Die FDP kann auch Männer! Ulrich Rülke gilt in Baden-Württemberg als der eigentliche Oppositionschef, weil er ein Kämpfertyp ist. In Rheinland-Pfalz tritt mit Volker Wissing ein über Parteigrenzen hinweg fachlich hoch anerkannter Finanzpolitiker an. Und Frank Sitta in Sachsen- Anhalt bringt als politisch engagierter Jungunternehmer frischen Wind mit, so wie Lencke Steiner das hier in Bremen gemacht hat. "

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Frage: Der Bundestag stellt heute die Weichen, dass sich Deutschland an der Anti-Terror- Aktion in Syrien beteiligt. Ein richtiges Signal?

Alexander Graf Lambsdorff: Nach den schrecklichen Anschlägen von Paris und der Bitte von Präsident Hollande, Deutschland möge mehr tun, ist diese Beteiligung richtig. Wir hoffen bei der Flüchtlingsaufnahme auf die Solidarität unserer europäischen Partner - umgekehrt müssen wir unsere Solidarität bei der Bekämpfung des Islamischen Staates zeigen.

Frage: Ist Deutschland damit im Krieg?

lambsdorff: Deutschland ist in einem Krieg gegen den Terrorismus, aber nicht in einem konventionellen Krieg, wie man ihn aus der Vergangenheit kennt. Denn der Islamische Staat nennt sich zwar Staat, er ist aber kein Staat. Wir dürfen nicht vergessen: Die Anschläge von Paris hätten auch in Bremen oder Hamburg passieren können. Das ist eine Bedrohung für uns alle.

Frage: Ist der IS überhaupt militärisch zu besiegen?

Lambsdorff: Der IS wird so lange eine Zukunft haben, solange es nicht einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der sunnitischen, schiitischen, alevitischen und anderen Bevölkerungsgruppen in Syrien gibt. Das Gleiche gilt für den Irak. Die Lösung des Konflikts muss umfassend sein - das ist der Wiener Prozess. Es kann also nur eine politische Lösung des Syrien-Konflikts geben, die mit militärischen Mitteln befördert wird.

Die Bundesregierung ist zu spät aktiv geworden

Frage: Aber kann man wirklich einen Friedensprozess einleiten, solange kein Vertreter von Assads Regime mit am Tisch sitzt?

Lambsdorff: Es ist ja bemerkenswert, dass Russland trotzdem dabei ist, das Assad in Syrien den Rücken stärkt. Ich glaube, gute Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität. Man kann sich wünschen, dass der IS und Assad von einem auf den anderen Tag nicht mehr da sein mögen - aber realistisch ist das nicht. Deshalb müssen wir unter Umständen auch mit Assad über eine politische Lösung reden. Mittelfristig wird es aber keine Zukunft für einen wie Assad geben können, weil viele Menschen vor den Angriffen und Maßnahmen seines Regimes fliehen.

Frage: Gibt es überhaupt Aussicht auf eine politische Lösung? Die Gemengelage der Interessen ist doch jetzt schon äußerst kompliziert.

Lambsdorff: Sie haben vollkommen recht. Wir Freie Demokraten behaupten auch nicht, es gäbe eine einfache und schnelle Lösung. Wir kritisieren aber, dass es viel zu lange gedauert hat, bis die Gespräche in Wien für eine politische Lösung endlich aufgenommen wurden. So wie wir Frank-Walter Steinmeier für seine Ukraine-Politik loben, müssen wir ihn in der Syrien-Frage kritisieren. Das Flüchtlingsproblem in Deutschland zeigt doch deutlich: Auch wenn wir uns aus einer Krise heraushalten, bleibt die Krise nicht da, wo sie ist. Deswegen ist eine Außenpolitik unabdingbar, die sich aktiv und geduldig um Lösungen bemüht. Im Falle Syriens ist die Bundesregierung zu spät aktiv geworden.

Vorschriften viel zu oft wichtiger als die Menschen

Frage: Sollte es keine Lösung geben, werden weiterhin Hunderttausende nach Europa kommen. Ist es nicht ein Armutszeugnis für die EU, wie die Mitgliedsländer momentan um Kontingente schachern?

Lambsdorff: EU-Europa hat seine Hausaufgaben gemacht. Die Kommission und das Parlament haben seit Jahren an einer Asyl- und Flüchtlingspolitik gearbeitet, die einer Krise standhält. Wir haben diese Arbeit nach dem Schiffsunglück vor Lampedusa im Herbst 2012 intensiviert und beschleunigt. Aber viele Mitgliedsstaaten haben beschlossene Maßnahmen nicht umgesetzt: etwa Fingerabdrücke nehmen, Daten austauschen, gleiche Standards für Asylbewerber einhalten. Diese Länder entsolidarisieren sich nun auch in der Krise. Aber auch Deutschland hat sich nicht solidarisch verhalten. Italien und Griechenland haben nach Lampedusa ein krisenfestes System gefordert. Berlin hat abgewunken und gesagt: Wir sitzen hoch und trocken! Das rächt sich jetzt.

Frage: Die FDP macht die Kanzlerin für das - so wörtlich - Chaos in der Flüchtlingspolitik verantwortlich. Welche Fehler hat Angela Merkel denn gemacht?

Lambsdorff: Frau Merkel hat gesagt "wir schaffen das". Soweit, so gut. Aber von einer Bundeskanzlerin muss man erwarten, dass sie auch sagt, wie wir das schaffen. Dann hat sie noch einen Satz gesagt, den wir Liberalen gern unterschreiben: "Deutsche Gründlichkeit ist super, aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht." Dann muss sie mit ihrer Regierung aber auch dafür sorgen, dass die Behörden entsprechend handeln. Doch in vielen Behörden sind die Vorschriften viel zu oft wichtiger als die Menschen.

Die FDP hat einen Plan

Frage: Hat die FDP denn einen Plan?

Lambsdorff: Wir Liberalen haben ein sehr differenziertes Konzept. Wir wollen, dass Menschen in den Arbeitsmarkt einwandern statt in Aufnahmeeinrichtungen. Das ist der erste Punkt. Zweitens halten wir es für falsch, die Bürgerkriegsflüchtlinge durch das zeitraubende Asylverfahren zu schleusen. Diese Menschen fliehen vor dem Krieg; sie fliehen nicht, weil sie politisch verfolgt werden. Laut Genfer Schutzkonvention stehen ihnen dafür drei Jahre Schutz zu.

Frage: Gibt dieses Konzept nicht ein falsches Signal? Wenn ein Flüchtling nur drei Jahre bleiben darf, wird er sich nicht integrieren wollen.

Darüber haben wir uns auch den Kopf zerbrochen, es ist ja keine einfache Frage. Wir wissen, dass viele der Syrer wieder in ihre Heimat zurück wollen, diese Möglichkeit muss geschaffen werden. Deswegen ist der diplomatische Prozess so wichtig. Diejenigen, die in Deutschland bleiben möchten, brauchen Sprachunterricht und müssen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Und zwar schnell, ein monatelanges Rumsitzen in Lagern darf es nicht geben.

Wir nehmen jede Wahl ernst

Frage: Das Thema Flüchtlinge dürfte auch bei den drei Landtagswahlen im März eine große Rolle spielen. Die beiden letzten Wahlen waren für die FDP ein Erfolg, weil sie mit Lencke Steiner in Bremen und Katja Suding in Hamburg zwei auffällige Spitzenkandidatinnen hatte. Die Frontleute für die anstehenden Wahlen sind etwas anders aufgestellt.

Lambsdorff: Das stimmt und es zeigt, dass der Vorwurf, die FDP stelle nur junge, hübsche Frauen auf, unsinnig ist. Die FDP kann auch Männer! Ulrich Rülke gilt in Baden-Württemberg als der eigentliche Oppositionschef, weil er ein Kämpfertyp ist. In Rheinland-Pfalz tritt mit Volker Wissing ein über Parteigrenzen hinweg fachlich hoch anerkannter Finanzpolitiker an. Und Frank Sitta in Sachsen- Anhalt bringt als politisch engagierter Jungunternehmer frischen Wind mit, so wie Lencke Steiner das hier in Bremen gemacht hat.

Frage: Im kommenden Jahr werden insgesamt fünf Landtage gewählt - und die FDP ist noch nicht ganz raus aus der Krise. Wird 2016 zum Schicksalsjahr für die Liberalen?

Lambsdorff: Die Stimmung ist durch die Erfolge in Bremen und Hamburg natürlich viel besser geworden. Wir nehmen jede Wahl ernst. Aber entscheidend ist und bleibt für uns die Bundestagswahl 2017.

Frage: Trotz ihrer Krise sind die Freien Demokraten in den Parlamenten von Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein vertreten. Was kann die FDP vom Norden lernen?

Lambsdorff: Wir können von Lencke Steiner, Katja Suding und Wolfgang Kubicki lernen, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und schwungvoll in die Wahlkämpfe zu gehen. Was diese drei verkörpern, ist ja eine positive, optimistische Grundhaltung. Das passt prima zur FDP nach dem Neustart hier im Norden.

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