FDPEuropäische Union

Die EU ist nicht erpressbar

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff kritisiert das Verhalten Londons gegenüber Brüssel
01.06.2015

Der britische Premier will die EU mit der Androhung des Brexit dazu bringen, für Großbritannien günstige Reformen auf den Weg zu bringen. Alexander Graf Lambsdorff erinnerte jedoch daran: London braucht die EU mehr als umgekehrt. Im Interview mit der "Passauer Neuen Presse" betonte der Vizepräsident des EU-Parlaments, dass sich die FDP einen Verbleib Großbritanniens in der EU als marktwirtschaftlicher, toleranter und demokratischer Partner wünsche. Allerdings seien einige von Londons Forderungen schlicht inakzeptabel.

"Die Forderung nach einem digitalen Binnenmarkt und einem Binnenmarkt für Energie unterstützen wir. Eine Einschränkung der Freizügigkeit in der EU oder gar Diskriminierung am Arbeitsplatz zwischen EU-Bürgern wird es mit uns allerdings nicht geben", erklärte der Freidemokrat. Lambsdorff kritisierte, dass London bei zu vielen wichtigen Fragen auf der Bremse gestanden habe, "jetzt gerade wieder bei der Frage einer fairen Verteilung von Flüchtlingen in der EU".

Dabei habe Großbritannien ein viel größeres Interesse daran, in der Europäischen Union zu bleiben als die EU, London drin zu halten. "Erpressbar sind wir nicht", unterstrich Lambsdorff. "Europa ist der größte Binnenmarkt der Welt. Tritt Großbritannien aus der EU aus, beschränkt es seinen Zugang zu diesem Markt. Aber niemand ist gezwungen, in der EU zu bleiben."

Interview mit Alexander Graf Lambsdorff

Der britische Premier David Cameron fordert in Berlin zahlreiche Reformen der Europäischen Union und macht davon auch Großbritanniens Verbleib in der EU abhängig. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?

Die FDP will, dass Großbritannien in der EU bleibt. Das Land ist marktwirtschaftlich, freihändlerisch, tolerant und demokratisch, ein guter Partner für Deutschland in Europa. Allerdings liegen Camerons Forderungen im Detail noch nicht vor. Von dem, was bisher bekannt ist, klingt einiges vernünftig, anderes aber schlicht inakzeptabel. Die Forderung nach einem digitalen Binnenmarkt und einem Binnenmarkt für Energie unterstützen wir. Eine Einschränkung der Freizügigkeit in der EU oder gar Diskriminierung am Arbeitsplatz zwischen EU-Bürgern wird es mit uns allerdings nicht geben. Wir wollen ein offenes und schlankes, aber eben auch ein funktionierendes Europa. Bisher stand London bei zu vielen wichtigen Fragen auf der Bremse, jetzt gerade wieder bei der Frage einer fairen Verteilung von Flüchtlingen in der EU.

Die Drohung mit dem EU-Austritt wirkt wie Erpressung. Ist das der richtige Umgang unter Partnern in der Union?

Natürlich ist das ein Stück weit Erpressung. London zwingt jetzt die EU, sich mit der britischen Frage zu befassen. Das ist aber angesichts der Krisenherde in der Welt nicht das dringendste Problem. Da gibt es Krieg in der Ostukraine oder eine Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer, und wir werden von Herrn Cameron gezwungen, die britischen Befindlichkeiten ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen.

2017 sollen die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen. Was passiert, wenn das Beispiel Schule macht?

Großbritannien hat ein viel größeres Interesse daran, in der Europäischen Union zu bleiben als die EU, London drin zu halten. Erpressbar sind wir nicht. Europa ist der größte Binnenmarkt der Welt. Tritt Großbritannien aus der EU aus, beschränkt es seinen Zugang zu diesem Markt. Aber niemand ist gezwungen, in der EU zu bleiben.

Kanzlerin Angela Merkel sagt, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und stellt Vertragsänderungen in Aussicht.

Wenn Frau Merkel Kernelemente des Europäischen Vertrages zur Disposition stellt, wird sie auf unseren entschiedenen Widerstand treffen.

SPD-Chef Gabriel erinnert an das Modell von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. Sollte es ein unterschiedliches Tempo bei der europäischen Integration geben?

Dafür plädiert die FDP schon lange. EU-Mitglieder, die nicht so eng zusammen arbeiten wollen wie Deutschland, Frankreich und andere, sollten die Möglichkeit haben, dennoch in der EU zu bleiben, etwa als assoziiertes Mitglied. Gut, wenn Sigmar Gabriel jetzt auch zu dieser Erkenntnis kommt.

Themenwechsel: Athen spielt weiter Katz und Maus mit den EU-Partnern. Lässt sich das Ausscheiden aus der Euro-Zone noch abwenden?

Es gibt einen Vertrag der Geber mit Griechenland, der ist einzuhalten. Werden die Reformen umgesetzt, gibt es auch weitere Hilfen. Wenn Griechenland die Euro-Zone heute verlassen würde, wären die Folgen anders als 2010 aber gut beherrschbar. Wenn Athen es zu weit treibt, ist der Grexit eine reale Option.

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