27.04.2013FDP-Fraktion

BRÜDERLE-Interview mit der "WELT"

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der "WELT" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Jochen GAUGELE und Thorsten JUNGHOLT:

Frage: Herr Brüderle, sind Sie Bayern-Fan?

BRÜDERLE: Ich bin Fußball-Fan. Bayern ist eine phänomenale Mannschaft, das hat das 4:0 gegen Barcelona gezeigt. Auch Dortmund hat sich beim 4:1 gegen Real in einen Rausch gespielt. Ich habe beides mit höchster Freude im Fernsehen verfolgt. Der deutsche Fußball gehört zur Weltspitze.

Frage: Was haben Sie gedacht, als Sie den jubelnden Uli Hoeneß auf der Tribüne sahen?

BRÜDERLE: Sportlich ist das begründet. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass der Fall durch die hohe Prominenz und eigene Erklärungen von Herrn Hoeneß einen Wellenschlag ausgelöst hat. Trotzdem muss die Politik in ihren Entscheidungen sachlich und rational bleiben.

Frage: Wie groß ist Ihr Verständnis für den Bayern-Präsidenten?

BRÜDERLE: Für Steuerhinterziehung habe ich kein Verständnis. Sie ist kein Kavaliersdelikt. Man muss sehen, wie man das in den Griff bekommt. Das Steuerabkommen, das wir mit der Schweiz verhandelt haben, ist ein ernsthaftes Instrument, um das Problem in den Griff zu bekommen. Es liegt zudem in der Tradition des Amnestiegesetzes, das Hans Eichel als Finanzminister der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Daher kann ich nicht nachvollziehen, dass SPD und Grüne unser Abkommen im Bundesrat gestoppt haben.

Frage: Franz Beckenbauer hat seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt, Michael Schumacher lebt in der Schweiz. Wie bewerten Sie das?

BRÜDERLE: Es ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen, wo er seinen Wohnsitz hat. Die Unterschiede in der Besteuerung sind im Zuge der europäischen Integration kleiner geworden. Es ist eine Stilfrage, ob man als populärer und in Deutschland höchst erfolgreicher Mensch seine Steuern im Ausland zahlt.

Frage: Würden Sie sich über Rückkehrer freuen?

BRÜDERLE: Ich freue mich über jeden, der in Deutschland lebt, investiert und Steuern zahlt.

Frage: Halten Sie die strafbefreiende Selbstanzeige, die Hoeneß nutzen wollte, für ein gutes Instrument?

BRÜDERLE: Sie hat eine Tradition bis in die Weimarer Republik zurück. Ohne sie würde man viele Dinge gar nicht erfassen. Ich warne davor, die strafbefreiende Selbstanzeige im Schnellschuss zu beseitigen - nur weil wir einen prominenten Fall haben.

Frage: Die Opposition will die Regelung verschärfen.

BRÜDERLE: Wir haben die strafbefreiende Selbstanzeige ja erst verschärft - übrigens gegen die Stimmen von Rot-Grün. Heute muss man alles darlegen, was man im steuerlichen Zusammenhang zu verantworten hat. Das ist ein wesentlicher Schritt. Ich warne immer vor Schnellschüssen, die wir leider an vielen Stellen beobachten: Da gibt es in Amerika einen schrecklichen Terroranschlag - und sofort wird bei uns diskutiert, welche Gesetze wir im Eilverfahren ändern müssen. Vernunft und Besonnenheit sind gefragt. Darauf hat jetzt auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts in der "Welt am Sonntag" verwiesen.. Zu Recht, wie ich finde.

Frage: Die SPD hat für die Regierung einen neuen Straftatbestand erfunden: Geistige Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Sind Sie schuldig?

BRÜDERLE: Die SPD kommt nicht auf die Beine und versucht es mit Polemik. Das hat mit seriöser Politik nichts zu tun.

Frage: Die Formulierung festigt den Ruf von Schwarz-Gelb, Schutzpatron der Steuerflüchtlinge zu sein...

BRÜDERLE: Das versuchen SPD und Grüne zu suggerieren. Aber man erreicht ja nichts, wenn man stolzen, erfolgreichen Nachbarn mit der Kavallerie droht. Die Schweiz ist ein souveräner Staat und keine Unterabteilung des Willy-Brandt-Hauses. Wenn man Steuerflucht wirksam bekämpfen will, muss man zu einvernehmlichen Lösungen kommen - wie beim Steuerabkommen, das Wolfgang Schäuble in zähen Verhandlungen erreicht hat.

Frage: Den Kauf von Steuersünder-Dateien haben Sie immer abgelehnt. Muss man nicht sagen: Rechtlich ist das zweifelhaft, aber es wirkt?

BRÜDERLE: Das Bundesverfassungsgericht hat den Erwerb von Steuer-CDs für zulässig erklärt. Trotzdem bleibt diese Praxis fragwürdig und hat einen Beigeschmack. Die Daten von Steuersündern sind ja durch Rechtsbrüche zugänglich gemacht worden. Deutsche Behörden animieren zu Strafvergehen in der Schweiz, wenn sie hohe Prämien für Datendiebstahl aussetzen.

Frage: Waren Sie selbst immer ganz ehrlich zum Finanzamt?

BRÜDERLE: Wie die weitaus meisten Bürgerinnen und Bürger versuche ich, dem teilweise komplizierten Steuerrecht nach bestem Wissen und Gewissen gerecht zu werden. Ich setze auf das Vier-Augen-Prinzip und vertraue meiner Steuerberaterin.

Frage: Sie machen es aber nicht selbst.

BRÜDERLE: Früher habe ich meine Steuererklärungen selbst gemacht. Aber seit ich in öffentlichen Ämtern bin, überlasse ich das meiner Steuerberaterin.

Frage: Gäbe es weniger Steuerflüchtlinge, wenn die FDP die versprochenen Steuersenkungen in der Koalition durchgesetzt hätte?

BRÜDERLE: Hohe Steuersätze und ein kompliziertes Steuerrecht legitimieren keine Steuerhinterziehung. Mir geht es bei Steuerentlastungen und Steuervereinfachungen um die Interessen der ehrlichen Steuerzahler, nicht um die Motive von Steuerflüchtigen.

Frage: Auf welche Entlastungen dürfen sich die Bürger einstellen, wenn Schwarz-Gelb die Bundestagswahl gewinnt?

BRÜDERLE: Zunächst einmal kämpfen wir gegen Steuererhöhungen - anders als Rot und Grün, die wahre Steuererhöhungsorgien planen.

Frage: Die FDP ist bescheiden geworden.

BRÜDERLE: Überhaupt nicht. Wir haben die Menschen in dieser Legislaturperiode bereits um 22 Milliarden Euro entlastet und damit Wachstum und Beschäftigung gestärkt. Und das bei gleichzeitiger Haushaltskonsolidierung. Ich bin für weitere Entlastungen im Rahmen der Möglichkeiten. Wir wollen den Solidaritätszuschlag nach der Bundestagswahl schrittweise senken und spätestens 2019 abschaffen.

Frage: Finanzminister Schäuble hat schon erklärt, dass sie dieses Vorhaben vergessen können.

BRÜDERLE: Koalitionsverhandlungen führen wir nach der Wahl. Der Finanzminister guckt natürlich immer, dass seine Kasse gefüllt ist. Als Wirtschaftspolitiker muss man allerdings dafür sorgen, dass es weiter aufwärts geht. Und wir haben noch nie so viele Steuereinnahmen gehabt wie heute. Die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags ist ein guter Einstieg für weitere Entlastungen.

Frage: Wann kommt die Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt?

BRÜDERLE: Dafür kann ich Ihnen leider kein Datum nennen. Aber die FDP hält an Steuervereinfachungen fest. Leider hat unser Koalitionspartner seine Haltung geändert. Wir bohren dicke Bretter, und wir bleiben auch bei der Mehrwertsteuer dran. Eine breitere Vereinfachung des Steuerrechts funktioniert nur im Zuge einer großen Steuerreform.

Frage: Welches Signal soll vom Bundesparteitag der FDP ausgehen?

BRÜDERLE: Auf unserem Parteitag im März haben wir die Mannschaft aufgestellt. Jetzt werden wir unser Wahlprogramm beraten und beschließen. Der Parteitag wird das Signal aussenden: Die FDP kämpft weiter für ein starkes und stabiles Deutschland und ist bereit für die Auseinandersetzung mit den rot-rot-grünen Steuererhöhern!

Frage: Wird es eine formelle Koalitionsaussage zugunsten der Union geben?

BRÜDERLE: Darüber entscheiden wir nicht auf diesem Parteitag. Aber die Konstellation ist doch klar: Schwarz-Gelb oder Rot-Rot-Grün. Wir haben vier gute Jahre hinter uns. Kein Land steht besser da. Wir wollen die erfolgreiche Koalition mit der Union fortsetzen.

Frage: Ist es ausgeschlossen, dass die FDP Peer Steinbrück zum Kanzler wählt?

BRÜDERLE: Der Gedanke ist abwegig. Wir wollen klar Schwarz-Gelb.

Frage: Sie schließen eine Ampel nicht aus.

BRÜDERLE: Abwegiges braucht man nicht auszuschließen. Das macht die Union bei Grünen und SPD auch nicht.

Frage: Eben.

BRÜDERLE: Wir setzen ganz klar auf Schwarz-Gelb und konzentrieren darauf alle Kraft.

Frage: Mit den Grünen hätte die Union, was mit der FDP fraglich ist: eine stabile Mehrheit.

BRÜDERLE: Es muss ja auch inhaltlich passen. Und je stärker die FDP wird, desto wahrscheinlicher wird eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Wer will, dass Deutschland erfolgreich regiert wird, ist gut beraten FDP zu wählen. Sonst kriegt er am Ende etwas ganz anderes. Und allen Unionsfreunden, die mit Schwarz-Grün liebäugeln, sei gesagt: Schaut nach Hamburg, schaut in andere große Städte: Überall, wo Schwarz-Grün war, ist es für die CDU nicht gut ausgegangen. Und was die Grünen angeht, finde ich beachtlich, dass ein grüner Ministerpräsident öffentlich vor dem Programm seiner eigenen Partei warnt.

Frage: Wer braucht eine FDP, die für die Begrenzung von Managergehältern und für Mindestlöhne eintritt? Dafür gibt es doch schon sozialdemokratische Parteien unterschiedlicher Couleur...

BRÜDERLE: Wir wollen nicht, dass der Staat die Gehälter für irgend jemanden festlegt. Bei den Managern wollen wir die Rechte der Eigentümer stärken. Deren Hauptversammlung und nicht der Aufsichtsrat eines Unternehmens soll über die Höhe entscheiden. Und beim Mindestlohn wollen wir alles andere als einen bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Uns geht es darum, die Tarifautonomie zu erhalten. Eine unabhängige Kommission, der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Sachverständige angehören, sollte über die Lohnhöhe entscheiden.

Frage: Wie gefährlich ist die Alternative für Deutschland, die für den Austritt aus dem Euro wirbt, für die FDP?

BRÜDERLE: Ich verstehe die Sorgen und Ängste, aus denen sich die Europakritiker speisen, höre von ihnen aber keine Antworten. Die Beschreibung von Problemen ist noch keine Lösung. Was diese Ein-Thema-Partei fordert, wird nicht funktionieren. Wenn wir die D-Mark wieder einführen, wird sie erheblich aufwerten. Unsere Exporte würden zu teuer und wir hätten erhebliche Einbrüche in der deutschen Wirtschaft. Folge davon wäre eine höhere Arbeitslosigkeit.

Frage: An der Spitze der neuen Partei steht ein Volkswirt. Wie kommt er zu seiner Forderung?

BRÜDERLE: Wie gesagt, wir nehmen die Sorge um die Geldwertstabilität sehr ernst. Die AfD übersieht dabei allerdings, dass Deutschland niemals einen Sonderweg einschlagen darf. Das hat sich in unserer Geschichte immer als fatal erwiesen. Europa darf in einer globalisierten Welt nicht auseinanderbrechen, damit wir den Anschluss nicht verlieren. Die Forderung der AfD, würde unseren Wohlstand und unsere Leistungsfähigkeit gefährden.

Frage: Ist es vorstellbar, mit der Alternative für Deutschland zu koalieren?

BRÜDERLE: Das ist völlig abwegig. Bei der AfD ist nichts klar und nichts bis zum Ende durchdacht. Zu fast allen wichtigen Themen hat sie ja gar keine Position.Interview_Bruederle_WELT_1.pdf

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