11.09.2013FDP-FraktionInnenpolitik

BRÜDERLE-Interview mit der "Stuttgarter Zeitung"

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der "Stuttgarter Zeitung„ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thomas Maron und Armin Käfer:

Frage: Herr Brüderle, Mitte Juni haben Sie sich den Oberschenkel und die Hand gebrochen. Viele Menschen fragen sich: warum tut der sich das mit 68 Jahren noch an?

BRÜDERLE: Mir geht es gut. Ich bin nicht seit 40 Jahren in der FDP, um sie dann in einer herausfordernden Phase im Stich zu lassen. Außerdem macht mir Politik nach wie vor Spaß. Meiner Frau habe ich allerdings neulich versprechen müssen, nur noch maximal 20 Jahre im Geschäft zu bleiben. 

Frage: Frau Merkel hat sich eher pflichtschuldig zur Koalition mit der FDP bekannt und zugleich durchblicken lassen, dass es mit der SPD von 2005 bis 2009 auch ganz nett war.

BRÜDERLE: Die Bundeskanzlerin spricht zu Recht von der erfolgreichsten Koalition seit der Wiedervereinigung. Und sie weiß, dass eine Fortsetzung dieser erfolgreichen Politik nur mit einer starken FDP möglich ist. In allen anderen denkbaren oder undenkbaren Konstellationen gibt es massive Steuererhöhungen. Und zu einer großen Koalition nur so viel: Die ist 2009 mit Pauken und Trompeten abgewählt worden. Die Menschen wollten den schwarz-roten Stillstand nicht mehr und haben FDP gewählt. Als Abgeordneter hätte man zu Zeiten der großen Koalition manchmal gleich zuhause bleiben können. Da werden die Entscheidungen immer seltener im Parlament herbeigeführt, sondern abseits davon an runden, ovalen odereckigen Tischen. Große Koalitionen gefährden deshalb auf Dauer die Demokratie. Wenn die zwei Großen sich in den Armen liegen, haben sie die Hände zum Arbeiten nicht mehr frei.

Frage: Umfragen sagen ein knappes Rennen voraus. Wie groß muss die Mehrheit für eine stabile Regierung sein?

BRÜDERLE: Je größer die Mehrheit, desto leichter fällt die Arbeit. Aber es gibt genügend Beispiele, wo auch knappe Mehrheiten stabil waren. Das diszipliniert ungemein. Ich bin mir deshalb sicher: Selbst wenn wir als christlich-liberale Koalition nur eine Stimme mehr haben sollten, könnten wir stabil und verlässlich regieren. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir gegenüber Rot-Rot-Grün einen deutlichen Vorsprung haben werden.

Frage: Sie ketten sich wieder an die Union. Die Ampel schließen Sie aus. Warum?

BRÜDERLE: Wir haben alle gemeinsam in Deutschland vier gute Jahre erleben dürfen. Und wir wollen vier gute Jahre hinzufügen. Die Welt beneidet Deutschland um 1,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze seit 2009, um Exporte in Höhe von 1000 Milliarden Euro. Wir erleben Wachstum, während der Rest der Euro-Zone sich nur mühsam aus der Rezession befreien kann. Rot-Rot-Grün wetteifert im Unterschied zu uns darum, wer die Menschen noch mehr belasten und die Steuern am Ende drastischer erhöhen darf. Die SPD liegt bei 38 Milliarden Euro Steuerhöhung, die Grünen kommen mit Trittins Mao-Zuschlag auf 42 Milliarden jährlich. Mit solchen Parteien kann die FDP doch nicht gemeinsame Sache machen. Rund 700 Milliarden Euro Steuereinnahmen sind genug. Damit muss der Staat auskommen.

Frage: Bereitet Ihnen die AfD Sorge?

BRÜDERLE: Ich sage jedem: Wer als Nichtwähler oder Protestwähler ins Bett geht, kann am 23. September als rot-rot-grüner Steuerknecht aufwachen. Ein-Themen Parteien mit völlig unrealistischen Überlegungen lösen keine Probleme. Als könnten wir aus dem Euro-Raum so ohne weiteres aussteigen und ohne unabsehbaren Schaden zur D-Mark zurückkehren. Das ist ökonomisch nicht darstellbar. Wir dagegen leisten Solidarität, erwarten aber als Gegenleistung, dass in den Schuldenstaaten notwendige Strukturreformen umgesetzt werden.  

Frage: Was wollen Sie erreichen, außer Rot-Grün verhindern und den Soli abschaffen?

BRÜDERLE: Wir wollen eine Politik fortsetzen, mit der wir es geschafft haben, von fünf Millionen Arbeitslosen auf unter drei Millionen zu kommen und in absehbarer Zeit Überschüsse im Staatshaushalt zu erwirtschaften. Unsere Arbeit prägt schlicht und einfach eine andere Philosophie als Rot-Rot-Grün. Unser zentraler Begriff ist: Freiheit. Es geht also bei uns im Kontrast zu den Steuererhöhern in  den anderen Parteien vor allem um die Frage: in welchem Umfang können die Menschen selbst entscheiden über das, was sie sich erarbeiten. Rot-Rot-Grün will, dass in vielen Bereichen der Staat den Menschen die Entscheidungen abnimmt. Die halten die Menschen anscheinend für unfähig, mit ihrem eigenen Geld vernünftig umzugehen. Deshalb sind vor allem die Grünen mit ihren vielen Geboten und Verboten bis hin zu Ernährung für mich die neuen Jakobiner, die in der Französischen Revolution auch alles vorgeschrieben haben. Das ist im Vergleich zu uns ein völlig anderes Menschen- und Gesellschaftsbild.

Frage: Sie sagen, die FDP sei das Upgrade der Union. Wo wollen Sie denn in der nächsten Wahlperiode die Union besser machen?

BRÜDERLE: So wie wir die Union erfolgreich von der Aussetzung der Wehrpflicht, der Abschaffung der Praxisgebühr und der Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten überzeugt haben, werden wir sie vom Schuldenabbau und vom Entlasten der Mitte überzeugen. Wir wollen den Soli abschaffen. Die Union verfolgt ja einige sozialdemokratische Ziele. Nehmen Sie etwa die Mietpreisbremse, die zwar vielleicht gut klingt, aber wirkungslos wäre. Wir brauchen doch mehr Wohnungen und keine Politik, die den Wohnungsbau eher verhindert, weil sich Investitionen nicht mehr lohnen. Das zeigt deutlich: Die Union braucht ein marktwirtschaftlich orientiertes  Korrektiv.

Frage: Wenn die Union über soziale Marktwirtschaft redet, meint sie Mindestlöhne und höhere Mütterrenten…

BRÜDERLE: Wir haben nichts gegen Mindestlöhne, wenn sie von Tarifpartnern nach Branchen und Regionen ausgehandelt und nicht vom Staat einheitlich und starr festgelegt werden. Aus unserer Sicht ist die Tarifautonomie elementar für die Soziale Marktwirtschaft.

Frage: Da sind Sie sich inzwischen ziemlich nah – bei der Mütterrente weniger…

BRÜDERLE: Ich habe nichts gegen eine höhere Mütterrente, sie muss nur bezahlbar sein. Wir warten gespannt auf die Finanzierungsvorschläge der Union. Eine Erhöhung der Rentenbeiträge kommt jedenfalls für uns nicht in Betracht.

Frage: Sie haben vor vier Jahren mit einem miserablen Start viel Vertrauen verspielt. Wie wollen Sie das im Falle der Wiederwahl vermeiden?

BRÜDERLE: Wir haben vielleicht etwas schnell verhandelt und den Koalitionsvertrag mit einigen offenen Fragen abgeschlossen. Diese Fehler werden wir nicht noch einmal begehen.

 

 

 

 

 

676-Brüderle Interview mit der Stuttgarter Zeitung

676-bruderle_interview_mit_der_stuttgarter_zeitung.pdf

Social Media Button