24.08.2013

BRÜDERLE-Interview für die "Westfalenpost"

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Westfalenpost" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte HARALD RIES:

Frage: Herr Brüderle, ist die NSA-Affäre wirklich vorbei, wie Kanzleramtschef Pofalla sagt?

BRÜDERLE: Dass die USA und Großbritannien bereit sind, zusätzliche Abkommen zu schließen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dass wir dazu eine offene Diskussion führen, ist legitim. Wir haben auch aus guten Gründen in Deutschland eine parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste. Gemischte Gefühle habe ich, was Edward Snowdens Motive angeht. Er wusste, dass er einem Geheimdienst zuarbeitet. In China und Russland - die nicht gerade ausgewiesene Rechtsstaaten sind - Asyl zu suchen, lässt bei mir Fragen offen.

Frage: Aber ohne ihn gäbe es die Debatte nicht…

BRÜDERLE: Richtig. Es ist zu begrüßen, dass deutsche Unternehmen jetzt Vorkehrungen treffen und gemeinsame Verschlüsselungstechniken entwickeln und nutzen wollen. Es ist problematisch, wenn wir in Deutschland und Europa nicht mehr über bestimmte Sicherheitstechniken verfügen. Wir müssen uns da einfach besser wappnen, um unabhängiger zu werden. Wir brauchen Technologie und Wissen, um uns auch schützen zu können. Dabei wäre zum Beispiel beim Datenschutz eine Art "Schengen-Raum" möglich.

Frage: Ist das nicht eine sehr deutsche Diskussion, die etwa in England gar nicht interessiert?

BRÜDERLE: Das würde ich nicht sagen. Sie sehen ja, welche Aufregung auch dort im Zusammenhang mit den Vorgängen um den "Guardian" herrscht. Aber was die europäische Datensicherheit angeht, wäre es schon ein guter Anfang, wenn wir mit einigen europäischen Staaten voranschreiten würden.

Frage: Haben wir den Aufschrei aus der FDP überhört?

BRÜDERLE: Was sind wir von Schwarz und Rot als Unsicherheitspartei beschimpft worden, weil wir uns gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gewehrt haben! Doch bei einem unreflektierten Generalverdacht gegen alle Bürger ist für uns der Rubikon überschritten. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die FDP zeigen da seit vielen Jahren eine sehr geradlinige Haltung. Wenn wir mehr solche Politiker hätten, sähe es um das Ansehen unserer Zunft insgesamt besser aus. Sie ist die Jeanne d"Arc der Liberalen für die Bürgerrechte.

Frage: Kann Griechenland im Euro bleiben?

BRÜDERLE: Das entscheiden ja nicht wir, sondern die Griechen selbst. Griechenland hat wichtige Reformen auf den Weg gebracht. Aber es muss sich weiter anstrengen. Wichtig ist die Wettbewerbsfähigkeit der Realwirtschaft. Es geht nicht darum, Geld auf den Tisch zu legen, sondern um den Ausbau der Infrastruktur, um die Förderung von Forschung und Mittelstand. Was mich am meisten ärgert, ist, wenn reiche Griechen beim Steuern-zahlen wenig Patriotismus zeigen und sich auf Hilfe aus Europa verlassen. Dazu sage ich: Wir sind zwar hilfsbereit, aber nicht blöd. Wenn Europa hilft, müssen die Griechen als Gegenleistung die Strukturen verändern. Sie halten den Schlüssel in der Hand.

Frage: Welche Wahrheiten müssen nach dem 22. September auf den Tisch?

BRÜDERLE: Alle. Vorher und nachher.

Frage: Worum geht es im Wahlkampf?

BRÜDERLE: Wichtig ist, dass die vier guten Jahre, die wir hatten, um vier weitere gute Jahre verlängert werden, dass die ganzen Spinnereien von Steuererhöhungen vom Tisch kommen. Dafür ist die FDP der einzige Garant. Dahinter steckt eine Geisteshaltung: Sind die Bürger in der Lage, mit ihrem Geld eigenverantwortlich umzugehen oder weiß der Staat es besser und muss uns deshalb das Geld wegnehmen? Wir sind nicht dieser Auffassung.

Frage: Dafür würden Sie eine Koalition platzen lassen?

BRÜDERLE: Wir haben zwei klare Aussagen gemacht: Keine neuen Schulden und keine weitere Belastung der Bürger. In dieser Legislaturperiode haben wir die Bürger um 22 Milliarden entlastet und den Haushalt konsolidiert. Jetzt wollen wir den Haushalt ausgleichen und Spielräume für Entlastungen schaffen, u.a. durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages.

Frage: Jetzt sind wir schon einen Schritt weiter, nach der Wahl. Aber wie oft träumen Sie denn von der Fünf-Prozent-Hürde?

BRÜDERLE: Wir haben die Personalfragen auf dem Sonderparteitag geklärt. Die Umfragen gehen hoch. Und das Wahlergebnis wird noch besser sein als die Umfragen. Es muss jedem Bürger klar sein: Nur mit der FDP werden die Bürger nicht weiter belastet. In jeder anderen Koalition steigen Steuern und Schulden - auch in einer großen Koalition.

Frage: Wir erleben wieder einen verstärkten Zustrom an Asylbewerbern. Fürchten Sie, dass Rechtsradikale das ausnützen können?

BRÜDERLE: Derzeit kommen wieder mehr Flüchtlinge nach Deutschland, aber wir hatten Anfang der 1990er Jahre noch weit höhere Zahlen. Und wir bekennen uns dazu, Menschen, die an Leib und Leben bedroht werden, auf Zeit Asyl zu gewähren. Das gilt etwa für die Menschen aus Syrien. Wir haben ja auch sehr viele Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien aufgenommen Wichtig ist, dass wir die Bürger für eine Aufnahme gewinnen, da ist ein intensiver Dialog nötig. Wir müssen auch glaubwürdig sagen können, dass die Verfahren zügig entschieden werden. Und vielleicht ist auch nicht jeder Standort für eine Flüchtlingsunterkunft sinnvoll. Aber wir sind ein weltoffenes, tolerantes Land, da habe ich keine Sorge.

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