17.06.2013FDP

BRÜDERLE-Interview für die "Rheinische Post"

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Rheinischen Post" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MICHAEL BRÖCKER:

Frage: Herr Brüderle, wir erreichen Sie in der Klinik. Was ist passiert?

BRÜDERLE: Meine Frau und ich waren nach einer Theateraufführung mit Freunden noch zum Abendessen. Wir wollten gerade gehen. Und dann war da diese Stufe. Immerhin konnte ich mich noch auf die linke Seite drehen. Meine rechte Schreibhand ist unverletzt.

Frage: Müssen Sie im Wahlkampf jetzt kürzer treten?

BRÜDERLE: Ich bin da Opfer meiner eigenen Dynamik geworden. Es ist manchmal schwierig, geradeaus zu gehen und gleichzeitig links und rechts Leute zu grüßen. Jetzt habe ich ein paar Tage Ruhepause. Aber telefonieren kann man auch mit gebrochenem Bein, wie Sie merken. Ich freue mich jedenfalls auf den Wahlkampf.

Frage: Der Bundesumweltminister wird im August eine neue Prognose für die EEG-Umlage veröffentlichen. Kurz vor der Wahl dürfte das die Preisdebatte anheizen. Was kann die Bundesregierung noch tun?

BRÜDERLE: Unsere Strompreisbremse wird von Rot-Grün im Bundesrat blockiert. Wie bei der Kalten Progression verweigern die Herren Trittin und Gabriel den Familien und Arbeitnehmern damit spürbare Entlastungen bei der Stromrechnung. Gleichzeitig sind besonders rot-grüne Länder mit zum Teil irrwitzigen Ausbauplänen dafür verantwortlich, dass jeden Tag neue Subventionsanlagen ans Netz gehen - ohne die nötigen Netzkapazitäten und ohne die notwendige Speichertechnologie. Aber mit garantierter Vergütung für 20 Jahre. Das ist ökonomischer und ökologischer Unsinn, der die Strompreise nach oben treibt. Es ist Zeit, die Reißleine zu ziehen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz gehört grundlegend reformiert. Und bis dahin sollten ab sofort keine neuen Windräder und Solaranlagen mehr ans Netz gelassen werden.

Frage: Gehört eine EEG-Reform zu einem möglichen Sofortprogramm der schwarz-gelben Regierung nach der Wahl. Wenn ja, wie konkret?

BRÜDERLE: Eine grundlegende EEG-Reform muss eine der ersten Maßnahmen einer wiedergewählten christlich-liberalen Koalition sein. Wir müssen in der Energiepolitik weg von der Planwirtschaft und hin zur verbraucherfreundlichen Marktwirtschaft. Am besten mit einem Mengenmodell. Die Energieversorger werden danach verpflichtet, einen bestimmten Stromanteil aus erneuerbaren Energiequellen anzubieten. Aus welcher Region und aus welcher Quelle der Strom kommt, entscheidet dann der Markt. Damit fallen dann auch die Abnahme- und Preisgarantien für die Betreiber der Anlagen weg. Die Preistreiberei durch die EEG-Umlage wäre beendet. Und damit auch die unsoziale Umverteilung von unten nach oben. Bislang zahlt der Mieter in Duisburg dem Häuslebesitzer in Schwaben die Rendite der Solaranlage auf dem Dach. Das hat mit Sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun.

Frage: Die Strompreisrabatte für die Industrie stehen bei der EU in der Kritik. Gerade das Industrieland NRW wäre von einem Aus der EEG-Rabatte betroffen. Müssen die Ausnahmen bleiben?

BRÜDERLE: Die Industrie ist Deutschlands Stärke. Das soll auch so bleiben. Deshalb darf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet werden. Die hohen Strompreise dürfen nicht zu einer Deindustrialisierung und zur Abwanderung von Arbeitsplätzen führen. Mit Rabatten für einige ist es aber langfristig nicht getan. Alle in Deutschland brauchen bezahlbare Energie. Rabatte ersetzen nicht die dringend nötige EEG-Reform.

Frage: Die Fluthilfe soll durch eine höhere Neuverschuldung bezahlt werden. Wie passt das zur neuen Konsolidierungspartei FDP?

BRÜDERLE: Es bleibt bei unserem Ziel, nächstes Jahr im Bundeshaushalt möglichst die schwarze Null zu erreichen. Wir haben Rekordsteuereinnahmen im Bund. Und trotzdem wird besonders bei Roten und Grünen bei jeder Gelegenheit nach höheren Steuern gerufen. Wichtig ist jetzt erstmal, dass den Betroffenen der Flut schnell und unbürokratisch geholfen wird. Dann klären wir die Haushaltsfragen, seriös und ohne uns vom soliden Kurs zu verabschieden. Das geht am effizientesten mit einem Nachtragshaushalt.

Frage: Warum werden nicht zumindest Teile der Mehrkosten von vier Milliarden Euro für den Bund an anderer Stelle gegenfinanziert?

BRÜDERLE: Die Schuldenbremse sieht bei Naturkatastrophen Ausnahmen vor. Die verheerende Flut, bei der Deutschland nun zusammenrückt und keine Erbsen zählt, ist so eine Ausnahme. Ich bin aber auf jeden Ausgabenkürzungsvorschlag der Herren Trittin und Gabriel gespannt. Die beiden sollten auch dafür sorgen, dass die Finanzierung des Fluthilfefonds auf Länderseite nicht an rot-grünen Egoismen scheitert. Der Bund steht zu seinem Anteil. Die Länder haben bislang noch keinen Vorschlag gemacht, wie sie ihren Anteil finanzieren. Da wollen sich manche wohl am liebsten einen schlanken Fuß machen, zulasten des Bundes. Aber das wundert mich nicht. Rot-Grün kriegt ja die eigenen Haushalte schon nicht hin - siehe NRW.

Frage: Welche inhaltlichen Punkte sind für die FDP bei einer Wiederauflage der schwarz-gelben Koalition unverhandelbar?

BRÜDERLE: Die Verhandlungen führen wir nach gewonnener Wahl, nicht vorher in der Rheinischen Post, so sehr ich Ihr Interesse auch verstehe. Aber soviel kann ich Ihnen sagen: Steuererhöhungen wird es mit der FDP nicht geben. Und wir werden uns nicht davon abbringen lassen, den Euro stabil zu halten. Deshalb: keine Eurobonds und keine Schuldenunion in Europa. Wir wollen besonders die Mitte weiter entlasten, auch bei Bürokratie und unnötigen Vorschriften. Und eine Preisbremse bei den Energiekosten muss hohe Priorität haben. Deshalb muss gleich am Anfang das EEG auf den Tisch.

Frage: Die Union stellt nächste Woche ihr Programm vor. In der Sozialpolitik will Merkel neue Wohltaten. Macht die FDP da mit?

BRÜDERLE: Gegen manche Vorschläge der Union haben wir nichts. Aber Wohlfahrtsprogramme auf Pump wird es mit uns nicht geben. Wir wollen endlich Schluss mit Schulden machen. Den Weg aus dem Schuldenstaat gibt es nur mit uns.

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