BRÜDERLE-Interview für die Nürnberger Zeitung
BERLIN. Der Vorsitzende
der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der Nürnberger Zeitung (heutige
Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Stephan Sohr:
Frage: Herr Brüderle, warum schafft die FDP den Wiedereinzug in den bayerischen Landtag und in den Bundestag?
BRÜDERLE: Weil die FDP in Bayern eine hervorragende Politik gemacht hat und es Bayern deshalb gut geht. Wenn der Ministerpräsident vom "gelobten Land" spricht, liegt das an der gemeinsamen Politik mit der FDP - und dabei soll es ja bleiben.
Frage: Ist auch Deutschland ein "gelobtes Land"?
BRÜDERLE: So reden wir bundesweit nicht, das ist eher eine bayerische Art der Formulierung. Aber Deutschland geht es sehr gut. Die anderen Länder blicken neidvoll auf Deutschland. Wir haben vier gute Jahre hinter uns und wollen vier gute Jahre vor uns haben. Es gibt 1,6 Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, wir haben die Bürger um 22 Milliarden Euro entlastet, 13 Milliarden im Bildungsbereich zusätzlich investiert, wir haben in Europa eine vernünftige, gute Linie gehalten und schaffen das in Zukunft nur, wenn die Ursachen der Misere, die Schulden in den Krisenländern, beseitigt werden.
Frage: Was passiert, wenn es die FDP nicht in den bayerischen Landtag und in den Bundestag schafft?
BRÜDERLE: Beides ist eine abwegige Überlegung, und darauf verschwenden wir deshalb keine Zeit. Bayern und Deutschland brauchen die liberale FDP.
Frage: Die FDP hat lange geglaubt, mit noch weitergehenderen Steuersenkungen punkten zu können, was aber selbst die meisten Bürger nicht als möglich erachteten. Traut sich die FDP irgendwann, wieder das Wort Steuersenkung in den Mund zu nehmen?
BRÜDERLE: Wir haben ja die Menschen spürbar entlastet, die Rentenversicherungsbeiträge gesenkt, die Praxisgebühr abgeschafft. Es stimmt, wir wollten mehr. Aber es war auch nicht abzusehen, dass gleichzeitig die Euro-Krise auf uns zukommt und wir allein für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) 20 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt auf den Tisch legen müssen.
Frage: Die öffentlichen Haushalte steuern mittel- und langfristig auf Überschüsse zu. Wer, wenn nicht die FDP, sollte denn in dieser Situation Steuersenkungen fordern?
BRÜDERLE: Wir wollen zuerst den Haushalt ausgleichen, was wir wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz spätestens 2016 müssen. Strukturell bekommen wir schon 2014 einen ausgeglichenen Haushalt hin. Der jetzige SPD-Kanzlerkandidat und frühere Bundesfinanzminister hatte uns eine geplante Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro hinterlassen. Wir haben den Haushalt konsolidiert und kommen bald sogar in die Lage, Schulden zurückzahlen zu können.
Frage: SPD und noch mehr die Grünen gehen mit Steuererhöhungsplänen in die Wahl, sagen aber beide, dass dies gerecht wäre, weil es nur die treffen würde, die es sich leisten könnten. Was ist für die FDP Steuergerechtigkeit?
BRÜDERLE: Die behaupten das einfach, aber das ist eine falsche Aussage. Die geplante Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung trifft keine Milliardäre, sondern Angestellte. Wenn man das Ehegattensplitting abschafft, dann trifft auch das keine Milliardäre. Bei den Grünen würden Ehepaare so behandelt, als hätten die Ehepartner nichts miteinander zu tun, bei der SPD so, als wären sie bereits geschieden. Wenn man Firmenwägen stärker besteuert, dann trifft das auch den kleinen Ingenieur mit Frau und Kind mit mehreren tausend Euro im Jahr. Oder nehmen sie die geplante Vermögensabgabe. Wie schnell haben sie zum Beispiel als Handwerksmeister in einer Stadt wie etwa Nürnberg eine Immobilie mit einem Verkehrswert von einer Million Euro? Da wären dann 15 Prozent innerhalb von zehn Jahren weg. Das können sie beliebig fortsetzen. Wenn sie die Pläne von Rot-Rot-Grün kombinieren, dann haben sie alles das, was Frankreich in den wirtschaftlichen Abschwung geführt hat.
Frage: Ist das gegenwärtige Steuersystem gerecht?
BRÜDERLE: Gerecht ist, dass man den Menschen, die hart arbeiten, mehr belässt. Das ist für mich eine Frage der Freiheit. Da haben wir eine ganz andere Vorstellung als andere. Aber sicher ist das gegenwärtige System nicht immer gerecht, weil wir Schieflagen haben, wie zum Beispiel bei der Kalten Progression.
Frage: Finden Sie es ungerecht, dass die FDP als Klientelpartei bezeichnet wird?
BRÜDERLE: Absolut! Liberalität ist keine Frage des Einkommens, sondern der Lebenseinstellung. Indem wir den Menschen Freiheitsräume geben wollen, unterscheiden wir uns von anderen Parteien.
Frage: Die Kanzlerin der schwarz-gelben Bundesregierung hat sehr gute Umfragewerte, der Ministerpräsident der schwarz-gelben bayerischen Staatsregierung ebenso. Warum hat die FDP nichts von den Regierungsbeteiligungen?
BRÜDERLE: Wir werden mal sehen, wie die Wahlen ausgehen. Die Umfragewerte gehen ständig nach oben, seitdem wir unsere Personalfragen geklärt haben. Ein Regierungschef steht immer mehr im Fokus. Aber: Frau Merkel ist auch deshalb so erfolgreich, weil sie eine Koalition mit der FDP hat. Also: Wer die erfolgreiche Politik weiter haben will, wählt am besten die FDP. Das gleiche gilt natürlich auch in Bayern.
Frage: Dieser bayerische Ministerpräsident hat Bedingungen für einen Koalitionsvertrag formuliert, etwa die Pkw-Maut für Ausländer. Was wäre denn eine Koalitionsbedingung für die FDP?
BRÜDERLE: Wir gehen anders vor. Wir werben für unsere Inhalte und kämpfen für ein starkes Ergebnis der FDP. Je stärker wir sind, umso mehr können wir in den Koalitionsverhandlungen umsetzen.
Frage: Sie haben eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen ausgeschlossen. Heißt Ausschluss auch wirklich dabei?
BRÜDERLE: Ausschluss heißt Ausschluss. Das werden wir auf einem Parteikonvent auch noch einmal formell beschließen. Keine andere Partei macht das. Die beiden Steuererhöhungsparteien SPD und Grüne und die FDP - das sind zwei Welten, die nicht zusammenpassen.
Frage: Was bedeutet, dass es für die FDP nur einen möglichen Koalitionspartner gibt, die Union.
BRÜDERLE: Ja.