BRÜDERLE-Gastbeitrag für das "Handelsblatt"
Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE schrieb für das "Handelsblatt" (Freitag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Die Reißleine ziehen
Der Bundesumweltminister warnt die Umweltminister der Länder zurecht davor, dass die Kosten für die Förderung der Erneuerbaren ohne die Strompreisbremse ungebremst weiter steigen. Er macht die Verantwortung der rot-grünen Blockierer im Bundesrat für die kommenden Preissteigerungen deutlich. Tausende Betriebe in Deutschland sind schon jetzt von dieser Entwicklung betroffen. Die deutschen Energiepreise sind so hoch wie kaum irgendwo auf der Welt. Energieintensive Unternehmen verlagern bereits Arbeitsplätze ins Ausland. Energiekosten sind ein entscheidender Standortfaktor. Wir sägen an den Wurzeln unseres Wohlstands.
Es ist höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen. Wir müssen zurück zu den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Wir brauchen besser heute als morgen ein Moratorium beim Zubau von EEG-Anlagen. Ohne die notwendigen Netze und Speichermöglichkeiten dürfen nicht jeden Tag neue Subventionsanlagen dazu kommen. Direkt nach der Bundestagswahl wird sich die christlich-liberale Koalition gemeinsam mit den Ländern an eine grundlegende Reform des EEG-Gesetzes machen müssen. Wir brauchen ein marktwirtschaftliches Mengenmodell, müssen in die Entwicklung von Speichertechnologie und in leistungsfähige Netze investieren.
Deutschland wandelt sich flächendeckend zu einem gigantischen Industriegebiet und gefährdet gerade damit seine Industrie. Das klingt paradox, ist aber Spätfolge einer falschen rot-grünen Subventionspolitik. Zwischen Flensburg und Konstanz stehen heute mehr als 23.000 Windindustrieanlagen. Viele sind höher als der Kölner Dom. Mehr als 1,3 Millionen Solaranlagen sind in Deutschland auf Feldern und Dächern installiert. Mehr als 7.200 Biogasanlagen sind in den letzten Jahren gebaut worden. Ihre grünen Kuppeln sieht man allerorten. Gefüttert werden sie mit extra angebautem Mais. Der wächst inzwischen auf 2,6 Millionen Hektar in Deutschland. Zum Vergleich: das entspricht etwa der Größe Hessens. Das Landschaftsbild ändert sich in einem historisch einmaligen Ausmaß. Und der Zubau geht kräftig weiter. Die Planungen machen auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt.
Nun könnte man sagen, dass alles ist berechtigt, weil es uns unabhängig mache von fossilen Energieträgern und der Kernenergie. Und weil es dem Klimaschutz diene. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass wir mit der bisherigen Energiepolitik keines der Ziele erreicht haben und so auch nicht erreichen werden. Wind und Sonne sind keine zuverlässigen Energielieferanten. Adäquate Speichermöglichkeiten wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Jedes Windrad braucht zur Absicherung konventionelle Energieerzeugung aus Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerken. Die Folge: Wir verfeuern heute mehr Kohle und importieren mehr Kernenergie aus dem Ausland. Das nutzt dem Klima sicher nicht.
Ein Land voller Stahlkolosse ohne Stahlproduktion. Soweit darf es nicht kommen. In Abwandlung des Montesquieu-Zitats zu überflüssigen Gesetzen möchte man sagen: Wenn es nicht notwendig ist, ein Windrad in die Landschaft zu stellen, dann ist es notwendig, kein Windrad in die Landschaft zu stellen.