FDP, FDP-FraktionBerichte über "Tempora"

Britische Internetüberwachung ist nicht hinnehmbar

17.03.2014

Justizministerin: EU muss beim Datenschutz vorankommen. Freiheitsrechte dürfen nicht weiter aufgeweicht werden, fordert FDP-Chef Rösler.

"Die Vorwürfe gegen Großbritannien klingen nach einem Alptraum à la Hollywood", kommentierte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Samstag am Rande einer Festveranstaltung der bayerischen Liberalen in München. "Treffen die Vorwürfe zu, wäre das eine Katastrophe." Gebe es tatsächlich eine Überwachung in dem berichteten Ausmaß, sei die EU zum Handeln aufgerufen. "Wenn das Programm wirklich so existieren sollte, muss auf europäischer Ebene Druck gemacht werden, dass das in dieser Form - ohne Anlass, flächendeckend - nicht mehr zum Einsatz kommt." Die deutschen Sicherheitsbehörden dürften sich nicht an Programmen wie in den USA oder Großbritannien beteiligen, forderte die Ministerin gegenüber der "Welt am Sonntag."

Kritik an dem Überwachungsprogramm kam auch von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler. “Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre das nicht hinnehmbar", sagte er dem "Handelsblatt". "Die Privatsphäre darf nicht immer mehr aufgeweicht und Freiheitsrechte beschnitten werden." Rösler rief die britische Regierung auf, umgehend für Transparenz zu sorgen.

Leutheusser-Schnarrenberger hat sich unterdessen schriftlilch an den britischen Justizminister Christopher Grayling und die britische Innenministerin Theresa May gewandt und Informationen über die rechtlichen Grundlagen und die Funktionsweise von "Tempora" angefordert. Sie bringt darin auch die deutschen Bedenken gegenüber dem Programm zum Ausdruck. "Ein transparentes Regierungshandeln ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren eines demokratischen Staates und bedingt die Rechtsstaatlichkeit", heisst es laut einem Bericht des "Spiegel" in dem Schreiben der Ministerin.

#sls "#Tempora Alptraum a la Hollywood? Wenn wäre das eine Katastrophe. Aufklärung gehört sofort in die europäischen Institutionen" #PRISM

— S.L.-Schnarrenberger (@sls_bmj) June 22, 2013

Thema Datenschutz muss Priorität in der EU haben

Auch die geplante EU-Datenschutzreform sowie das Abkommen mit den USA müssten nun vorangebracht werden, forderte Leutheusser-Schnarrenberger im Anschluss an eine FDP-Präsidiumssitzung in Berlin. "Das Thema muss Priorität in der Union haben", so die Ministerin. Sie sprach sich dafür aus, beim nächsten EU-Justizministertreffen im Juli über den Stand der Verhandlungen und die noch offenen Fragen zu beraten. Die Vorgehensweise der britischen Behörden bei "Tempora" "entspricht nicht der Rechtslage wie wir sie in Deutschland haben", unterstrich Leutheusser-Schnarrenberger. Als EU-Mitglied sei Großbritannien zudem an die in der Union geltenden Datenschutzbestimmungen gebunden.

Eine anlasslose Speicherung und Auswertung von Verbindungsdaten und Kommunikationsinhalten stehe nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien und europäischen Werten in Einklang, betonte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz. "Datenschutz und Telekommunikationsgeheimnis sind Teile der EU-Grundrechte-Charta". Sollten die Berichte zutreffen, könne das Vertrauen der Bürger in das Internet untergraben werden, befürchtet die Liberale.

Vorratsdatenspeicherung EU-weit zurücknehmen

Gisela Piltz

Die britische Regierung müsse nun erklären, ob und in welchem Umfang der Geheimdienst die Kommunikation von Bürgern und Unternehmen überwacht und ob der US-Geheimdienst NSA Zugriff auf diese Daten erhält. "In Europa kommunizieren tagtäglich Millionen unbescholtener Menschen privat und geschäftlich", verdeutlichte Piltz. "Die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation, ihrer Mails, SMS und Facebook-Einträge zu brechen und anlasslos in ihrer Gesamtheit zu speichern, ist mit den Grundwerten Europas nicht vereinbar."

Piltz bekräftigte die Forderung der Liberalen nach einem EU-weiten Stop der Vorratsdatenspeicherung. “Wir brauchen in der EU eine klare und unzweideutige Absage an die anlasslose Überwachung. Dazu gehört dann auch, endlich die Vorratsdatenspeicherung zurückzunehmen“, sagte sie der Online-Ausgabe des "Handelsblatt". "Niemand darf die Menschen in Europa unter Generalverdacht stellen, indem ihre Telekommunikationsdaten anlasslos gespeichert werden."

Hintergrund

Der untergetauchte US-IT-Experte Edward Snowden, der bereits das amerikanische Überwachungsprogramm PRISM enthüllt hatte, hat sich am Wochenende erneut an die Presse gewandt. Snowden spielte der britischen Zeitung "Guardian" Dokumente zu, die belegen sollen, dass die Regierungsbehörde "Government Communications Headquarters" (GCHQ) mit dem Programm "Tempora" eine noch umfassendere Datenspionage als ihr US-Pendant betreibt. Demnach werden täglich bis zu 600 Millionen Telefongespräche aufgezeichnet, E-Mails und Einträge bei sozialen Netzwerken erfasst sowie Nutzerdaten bis zu 30 Tage gespeichert. Laut dem Bericht zapft der GCHQ dazu 200 Glasfaserkabel an, über die weltweite Datenströme laufen. Darüber hinaus soll ein enger Datenaustausch mit dem US-Geheimdienst NSA stattfinden.

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