FDPLiberalismusBei Griechenland in jedem Fall hart bleiben
Christian Lindner macht ein eigenständiges Inhaltsangebot23.02.2015„Das Ergebnis in Hamburg zeigt, dass die Menschen bereit sind, uns eine neue Chance zu geben“, glaubt FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit der „Neuen Westfälischen“ an die Wiederauferstehung der FDP. Sie habe aber noch einen weiten Weg vor sich. Er ist auch überzeugt: "Deutschlands beste Zeiten kommen noch. Aber dafür muss unser Land sich verändern." Außerdem spricht er eine Empfehlung für Griechenland aus.
Frage: Herr Lindner, was steht eigentlich nach dem Wahlerfolg in Hamburg einer Regierungsbeteiligung der FDP dort entgegen?
LINDNER: Olaf Scholz hat sich in die babylonische Gefangenschaft der Grünen begeben. Wir waren offen für Gespräche, aber wir biedern uns nie mehr an. Wir beobachten, wie SPD und Grüne sich Kröten zum Schlucken servieren. Ich hätte aber von einem Ersten Bürgermeister Hamburgs erwartet, dass er sich an Sachfragen orientiert.
Frage: Als da wären?
LINDNER: Solider Haushalt, Elbvertiefung, Olympiabewerbung, faire Bedingungen für das Gymnasium – in allen diesen Themenfeldern passt die FDP zu der weltoffenen Stadt Hamburg. Ich kann deshalb nachvollziehen, dass der weise Vorgänger von Olaf Scholz, Klaus von Dohnanyi, der SPD Gespräche mit uns empfiehlt.
Frage: Blockiert da der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel die Zuwendung zur FDP?
LINDNER: Möglicherweise setzt er auf Rot-Rot-Grün wie in Thüringen. Ich kann bei der Bundes-SPD keinen Kurs erkennen. Herr Gabriel will die Wirtschaftskompetenz seiner Partei stärken. Seine Generalsekretärin hat dagegen kleine Betriebe, die über Bürokratie klagen, gerade als „Gauner oder doof“ beschimpft. Für die Freien Demokraten kann ich sagen: In Hamburg sind wir gesprächsbereit, im Blick auf Berlin brauchen wir keine Ampel-Option mit SPD und Grünen.
Für uns zählen nur Inhalte
Frage: Das klingt, als glaubten Sie an die Wiederauferstehung der FDP.
LINDNER: Die FDP hat noch einen weiten Weg vor sich. Wir wollen den einzelnen Menschen durch Freiheit, Eigenverantwortung und Bildung groß machen, während andere ihn durch Bürokratie, Abkassieren, Abhören und Bevormundung klein halten. Das Ergebnis in Hamburg zeigt, dass die Menschen bereit sind, uns eine neue Chance zu geben.
Frage: Für Sie zählen keine Parteien mehr, sondern nur noch Inhalte?
LINDNER: Ja. Die FDP hat sich selbst befreit von vielen Denkverboten und einer gewissen Ängstlichkeit, klar zu dem zu stehen, was sie ausmacht. Wir waren in der Defensive. Jetzt bekennen wir uns wieder zu einem liberalen Angebot – Marktwirtschaft, Rechtsstaat, tolerante Gesellschaft. Die Klarheit gefällt nicht jedem, aber dahinter kann man Menschen versammeln.
Frage: Sie wollen also künftig nicht mehr in erster Linie Koalitionspartner sein, sondern ein eigenes Inhaltsangebot machen. Gilt das auch für den bisherigen Lieblingspartner CDU?
LINDNER: Das gilt auch für die CDU, die ich kaum von der SPD unterscheiden kann. Bei den aktuellen Herausforderungen schauen wir nicht darauf, wie kommt es an, sondern auf die Fragestellung: Was ist in der Sache richtig? Das schützt uns gegen populistische Versuchungen. Beispielsweise machen viele mobil gegen das Freihandelsabkommen mit den USA. Wir sprechen uns klar dafür aus, weil es enorme Chancen für Wohlstand und die Gestaltung der Globalisierung bringt.
Wir wollen einen neuen Gründergeist
Frage: Was ist Ihr Angebot für 30-50-Jährige, die sich gehetzt fühlen?
LINDNER: Deutschlands beste Zeiten kommen noch. Aber dafür muss unser Land sich verändern. Dafür müssen wir das Rentensystem neu justieren, bei der Digitalisierung die Chancen umarmen und die Zukunftsmärkte nicht den USA überlassen. Wir bieten der Generation der 30-50-Jährigen und allen anderen an: Wir haben den Mut auch zu grundlegenden Problemlösungen. Wir wollen einen neuen Gründergeist.
Frage: Blockieren Steuern und Abgaben den Gründergeist?
LINDNER: Die sind zwar zu hoch, aber das ist vor allem eine Mentalitätsfrage. Alterung, Digitalisierung, Globalisierung, Zuwanderung – das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Man kann auf diese Herausforderung ängstlich reagieren. Das tun die Sozialdemokraten bei Schwarz, Rot und Grün. Man kann Ängste instrumentalisieren und schüren. Das ist die Antwort von Linkspartei und AfD. Unsere Antwort lautet: Ängste ernst nehmen, aber den Menschen Zutrauen geben in die eigenen Kräfte.
Frage: Geht es auch konkreter?
LINDNER: Klar. Beispiel Bildung: NRW konkurriert doch nicht mehr mit Baden-Württemberg oder Frankreich, sondern mit den Elitehochschulen in den USA und China. Da können wir uns diese Kleinteiligkeit von 16 Ländern nicht mehr leisten. Ein deutsches Mondfahrtprojekt wäre: Am Ende des nächsten Jahrzehnts müssen wir das beste Bildungssystem der Welt haben. Deshalb muss das ein Projekt des gesamten Staates werden. Der muss dafür mehr koordinieren und natürlich auch finanzieren.
Schäuble muss die bisherige Linie unbedingt halten
Frage: Stichwort Griechenland: Was ist Ihre Empfehlung im Blick auf die Zugehörigkeit der Griechen zur Eurozone und zu den Krediten für Athen?
LINDNER: In jedem Fall hart bleiben! 2010 und 2012 mussten wir Angst haben vor einem Domino-Effekt, wenn Griechenland die Eurozone verlässt. Heute gilt umgekehrt: Wenn man Griechenland Rabatt gewähren würde bei den Reformzusagen, dann würde das zum Beispiel die Linkspopulisten in Spanien anstacheln, ebenfalls zu versuchen, uns zu erpressen. Finanzminister Schäuble muss deshalb die bisherige Linie unbedingt halten.
Frage: Droht dann aber nicht die EU zu zerfallen?
LINDNER: Nein, im Gegenteil würden wir tiefer in die Krise schlittern, wenn die seit 2010 geschärften Regeln erneut gebrochen werden. Ein Ausscheiden Griechenlands kann sich niemand wünschen, weil Turbulenzen nicht auszuschließen sind. Die größeren Gefahren gehen aber von den Weichmachern gegenüber dem Eurokurs aus.
Frage: Wahlsieg in Hamburg 2015, Bundestagswahl 2017 – dazwischen liegen die Schicksalsjahre einer Lindner-FDP?
LINDNER: Es geht nicht um die FDP oder um mich. Es sind Schicksalsjahre, weil sich 2017 entscheidet, ob die liberale Idee weiter in der deutschen Politik vertreten ist.
Im SWR-Interview der Woche zeigte sich FDP-Chef Lindner erleichtert über die 7,4 Prozent für seine Partei bei der Wahl in Hamburg: "Für uns ist es vor allen Dingen aber auch eine Bestärkung darin, dass die Richtung unserer Erneuerung richtig ist." Er sehe die FDP durch das Ergebnis der Hamburg-Wahl gestärkt, auch wenn es "noch nicht die abgeschlossene Trendwende" sei. Jetzt gehe es darum, sich weiter auf der Grundlage der "wiedergewonnenen Grundwerte", angetrieben von der "Liebe zur Freiheit" zu engagieren.
Er konstatiert: "Die Sensibilität für die Gefährdungen unseres freiheitlichen Zusammenlebens ist zu gering ausgeprägt." Er sehe das bei dem "Verständnis für die autoritäre Politik von Wladimir Putin, der ja das Völkerrecht mit Füßen tritt und aus der Ukraine und anderen Staaten Vasallen machen will." Er habe das auch bei mancher Äußerung zu den PEGIDA-Protesten gesehen. "Da wurde ja der Versuch unternommen, Ressentiments salonfähig zu machen."
Und auch sonst: "Eingriffe in unsere Vertragsfreiheiten, mit der ganzen Bürokratie, dass der Staat immer stärker auf die private Leistungsfähigkeit zugreift. Die Steuer- und Abgabenbelastung hat bald wieder das Niveau des Jahres 2000 erreicht, wenn nichts passiert. Auch das wird so hingenommen."
Bei Griechenland in jedem Fall hart bleiben
Christian Lindner macht ein eigenständiges Inhaltsangebot„Das Ergebnis in Hamburg zeigt, dass die Menschen bereit sind, uns eine neue Chance zu geben“, glaubt FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit der „Neuen Westfälischen“ an die Wiederauferstehung der FDP. Sie habe aber noch einen weiten Weg vor sich. Er ist auch überzeugt: "Deutschlands beste Zeiten kommen noch. Aber dafür muss unser Land sich verändern." Außerdem spricht er eine Empfehlung für Griechenland aus.
Frage: Herr Lindner, was steht eigentlich nach dem Wahlerfolg in Hamburg einer Regierungsbeteiligung der FDP dort entgegen?
LINDNER: Olaf Scholz hat sich in die babylonische Gefangenschaft der Grünen begeben. Wir waren offen für Gespräche, aber wir biedern uns nie mehr an. Wir beobachten, wie SPD und Grüne sich Kröten zum Schlucken servieren. Ich hätte aber von einem Ersten Bürgermeister Hamburgs erwartet, dass er sich an Sachfragen orientiert.
Frage: Als da wären?
LINDNER: Solider Haushalt, Elbvertiefung, Olympiabewerbung, faire Bedingungen für das Gymnasium – in allen diesen Themenfeldern passt die FDP zu der weltoffenen Stadt Hamburg. Ich kann deshalb nachvollziehen, dass der weise Vorgänger von Olaf Scholz, Klaus von Dohnanyi, der SPD Gespräche mit uns empfiehlt.
Frage: Blockiert da der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel die Zuwendung zur FDP?
LINDNER: Möglicherweise setzt er auf Rot-Rot-Grün wie in Thüringen. Ich kann bei der Bundes-SPD keinen Kurs erkennen. Herr Gabriel will die Wirtschaftskompetenz seiner Partei stärken. Seine Generalsekretärin hat dagegen kleine Betriebe, die über Bürokratie klagen, gerade als „Gauner oder doof“ beschimpft. Für die Freien Demokraten kann ich sagen: In Hamburg sind wir gesprächsbereit, im Blick auf Berlin brauchen wir keine Ampel-Option mit SPD und Grünen.
Für uns zählen nur Inhalte
Frage: Das klingt, als glaubten Sie an die Wiederauferstehung der FDP.
LINDNER: Die FDP hat noch einen weiten Weg vor sich. Wir wollen den einzelnen Menschen durch Freiheit, Eigenverantwortung und Bildung groß machen, während andere ihn durch Bürokratie, Abkassieren, Abhören und Bevormundung klein halten. Das Ergebnis in Hamburg zeigt, dass die Menschen bereit sind, uns eine neue Chance zu geben.
Frage: Für Sie zählen keine Parteien mehr, sondern nur noch Inhalte?
LINDNER: Ja. Die FDP hat sich selbst befreit von vielen Denkverboten und einer gewissen Ängstlichkeit, klar zu dem zu stehen, was sie ausmacht. Wir waren in der Defensive. Jetzt bekennen wir uns wieder zu einem liberalen Angebot – Marktwirtschaft, Rechtsstaat, tolerante Gesellschaft. Die Klarheit gefällt nicht jedem, aber dahinter kann man Menschen versammeln.
Frage: Sie wollen also künftig nicht mehr in erster Linie Koalitionspartner sein, sondern ein eigenes Inhaltsangebot machen. Gilt das auch für den bisherigen Lieblingspartner CDU?
LINDNER: Das gilt auch für die CDU, die ich kaum von der SPD unterscheiden kann. Bei den aktuellen Herausforderungen schauen wir nicht darauf, wie kommt es an, sondern auf die Fragestellung: Was ist in der Sache richtig? Das schützt uns gegen populistische Versuchungen. Beispielsweise machen viele mobil gegen das Freihandelsabkommen mit den USA. Wir sprechen uns klar dafür aus, weil es enorme Chancen für Wohlstand und die Gestaltung der Globalisierung bringt.
Wir wollen einen neuen Gründergeist
Frage: Was ist Ihr Angebot für 30-50-Jährige, die sich gehetzt fühlen?
LINDNER: Deutschlands beste Zeiten kommen noch. Aber dafür muss unser Land sich verändern. Dafür müssen wir das Rentensystem neu justieren, bei der Digitalisierung die Chancen umarmen und die Zukunftsmärkte nicht den USA überlassen. Wir bieten der Generation der 30-50-Jährigen und allen anderen an: Wir haben den Mut auch zu grundlegenden Problemlösungen. Wir wollen einen neuen Gründergeist.
Frage: Blockieren Steuern und Abgaben den Gründergeist?
LINDNER: Die sind zwar zu hoch, aber das ist vor allem eine Mentalitätsfrage. Alterung, Digitalisierung, Globalisierung, Zuwanderung – das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Man kann auf diese Herausforderung ängstlich reagieren. Das tun die Sozialdemokraten bei Schwarz, Rot und Grün. Man kann Ängste instrumentalisieren und schüren. Das ist die Antwort von Linkspartei und AfD. Unsere Antwort lautet: Ängste ernst nehmen, aber den Menschen Zutrauen geben in die eigenen Kräfte.
Frage: Geht es auch konkreter?
LINDNER: Klar. Beispiel Bildung: NRW konkurriert doch nicht mehr mit Baden-Württemberg oder Frankreich, sondern mit den Elitehochschulen in den USA und China. Da können wir uns diese Kleinteiligkeit von 16 Ländern nicht mehr leisten. Ein deutsches Mondfahrtprojekt wäre: Am Ende des nächsten Jahrzehnts müssen wir das beste Bildungssystem der Welt haben. Deshalb muss das ein Projekt des gesamten Staates werden. Der muss dafür mehr koordinieren und natürlich auch finanzieren.
Schäuble muss die bisherige Linie unbedingt halten
Frage: Stichwort Griechenland: Was ist Ihre Empfehlung im Blick auf die Zugehörigkeit der Griechen zur Eurozone und zu den Krediten für Athen?
LINDNER: In jedem Fall hart bleiben! 2010 und 2012 mussten wir Angst haben vor einem Domino-Effekt, wenn Griechenland die Eurozone verlässt. Heute gilt umgekehrt: Wenn man Griechenland Rabatt gewähren würde bei den Reformzusagen, dann würde das zum Beispiel die Linkspopulisten in Spanien anstacheln, ebenfalls zu versuchen, uns zu erpressen. Finanzminister Schäuble muss deshalb die bisherige Linie unbedingt halten.
Frage: Droht dann aber nicht die EU zu zerfallen?
LINDNER: Nein, im Gegenteil würden wir tiefer in die Krise schlittern, wenn die seit 2010 geschärften Regeln erneut gebrochen werden. Ein Ausscheiden Griechenlands kann sich niemand wünschen, weil Turbulenzen nicht auszuschließen sind. Die größeren Gefahren gehen aber von den Weichmachern gegenüber dem Eurokurs aus.
Frage: Wahlsieg in Hamburg 2015, Bundestagswahl 2017 – dazwischen liegen die Schicksalsjahre einer Lindner-FDP?
LINDNER: Es geht nicht um die FDP oder um mich. Es sind Schicksalsjahre, weil sich 2017 entscheidet, ob die liberale Idee weiter in der deutschen Politik vertreten ist.
Im SWR-Interview der Woche zeigte sich FDP-Chef Lindner erleichtert über die 7,4 Prozent für seine Partei bei der Wahl in Hamburg: "Für uns ist es vor allen Dingen aber auch eine Bestärkung darin, dass die Richtung unserer Erneuerung richtig ist." Er sehe die FDP durch das Ergebnis der Hamburg-Wahl gestärkt, auch wenn es "noch nicht die abgeschlossene Trendwende" sei. Jetzt gehe es darum, sich weiter auf der Grundlage der "wiedergewonnenen Grundwerte", angetrieben von der "Liebe zur Freiheit" zu engagieren.
Er konstatiert: "Die Sensibilität für die Gefährdungen unseres freiheitlichen Zusammenlebens ist zu gering ausgeprägt." Er sehe das bei dem "Verständnis für die autoritäre Politik von Wladimir Putin, der ja das Völkerrecht mit Füßen tritt und aus der Ukraine und anderen Staaten Vasallen machen will." Er habe das auch bei mancher Äußerung zu den PEGIDA-Protesten gesehen. "Da wurde ja der Versuch unternommen, Ressentiments salonfähig zu machen."
Und auch sonst: "Eingriffe in unsere Vertragsfreiheiten, mit der ganzen Bürokratie, dass der Staat immer stärker auf die private Leistungsfähigkeit zugreift. Die Steuer- und Abgabenbelastung hat bald wieder das Niveau des Jahres 2000 erreicht, wenn nichts passiert. Auch das wird so hingenommen."